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FDP-Politiker über das Digitalradio„DAB+ hat keine Zukunft“

Die FDP engagiert sich derzeit auffällig stark in der Rundfunkpolitik. Stefan Birkner, Landesvorsitzender in Niedersachsen, erklärt, warum.

In Deutschland hört fast jede*r Radio, aber über DAB+ hören es nur die wenigsten Foto: dpa
Daniel Bouhs
Interview von Daniel Bouhs

taz: Herr Birkner, der niedersächsische Landtag hat auf Ihre Initiative hin für eine Überraschung gesorgt: Er hat einstimmig empfohlen, DAB+ nicht weiter mit Rundfunkbeiträgen zu fördern. Was soll nun konkret passieren?

Stefan Birkner: ARD und Deutschlandradio sollen nicht mehr subventioniert über DAB+ senden. Das ist einfach nicht der zukunftsweisende Standard: DAB+ hat keinen Rückkanal für eine Interaktion zwischen Sendern und HörerInnen. Der Mobilfunk bietet sich viel eher an. 5G wird ohnehin flächendeckend ausgebaut und verkraftet auch problemlos Radiostreams.

Sie wollen DAB+ abschalten?

Nein. Wir treffen keine Technologieentscheidung. In diese Übergangstechnologie – mehr ist DAB+ ohnehin nicht – soll nur kein Geld der BeitragszahlerInnen mehr fließen. Das ist der Appell an die MinisterpräsidentInnen. Was der private Markt macht, muss er entscheiden.

Dabei bietet DAB+ durchaus Vorteile gegenüber UKW. Fehlt nicht einfach nur der Mut, UKW abzuschalten und allein auf DAB+ zu setzen, so wie etwa in Norwegen?

Nein, wir wollen auch keinen Umschaltzeitpunkt. Damit würde man das Radio in die falsche Technologie pressen.

Die FDP zeigt bei der Medienpolitik ja gerade grundsätzlich eine erstaunliche Präsenz. Wo kommt der plötzliche Elan her?

Na ja, es wird gerade im Länderkreis über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert. Da müssen sich unsere KollegInnen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz positionieren. Sie sind dort schließlich an den Regierungen beteiligt.

Bild: dpa
Im Interview: Stefan Birkner

46, ist Landesvorsitzender der FDP Niedersachsen.

Eigentlich waren sich die MinisterpräsidentInnen einig, den Rundfunkbeitrag per sogenanntem Index-Modell an die Inflation zu koppeln. Ihre KollegInnen haben im Juni zum zweiten Mal in Folge dagegengehalten. Warum dieser Widerstand?

Wir wollen erst über den Auftrag reden, also was die Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft eigentlich bieten sollen, und erst dann über die Finanzierung. Bisher sollte das in einem Rutsch passieren – für uns der falsche Weg. Wir führen allerdings auch keinen Glaubenskrieg: Es kann durchaus sein, dass am Ende ein Index-Modell sinnvoll wäre. Was wir auf keinen Fall wollen, ist ein Blankoscheck, die automatische Erhöhung des Beitrags mit der Inflation. Es muss unbedingt weiter eine parlamentarische Kontrolle des Rundfunkbeitrags geben. Dabei gibt es aber in der Rundfunkkommission der Länder auch Annäherungen.

In Wahlprogrammen der FDP war mal von einer Halbierung des Rundfunkbeitrags die Rede. Ist das noch aktuell?

Unser Ziel ist klar: Der Rundfunkbeitrag muss spürbar gesenkt werden.

Wollen Sie dafür ganze Programme streichen?

Es geht darum, dass sich ARD und ZDF auf wesentliche Aufgaben konzentrieren, also Information und Kultur, und dabei die Kosten dämpfen: vor allem, indem sie weniger teuren Sport und weniger teure Unterhaltung zeigen. Ja, dabei geht es am Ende auch um die Frage, ob alle Kanäle nötig sind. Die MinisterpräsidentInnen wollten dazu Vorschläge von den IntendantInnen haben. Ich fand das feige. Diese Entscheidung ist Aufgabe der Politik.

Aktuelle medienpolitische Debatten

DAB+ ist ein digitaler Übertragungsstandard für den Empfang von Digitalradio. In Deutschland nutzen nur etwa 10 Prozent der HörerInnen DAB+, mehr als 90 Prozent hören UKW. Finanziert wird DAB+ aus Rundfunkbeiträgen. Der niedersächsische Landtag hat gerade einstimmig dafür gestimmt, die Finanzierung einzustellen. Endgültig beschließen können das aber nur die Länder.

Indexmodell ist ein Vorschlag zur Neuordnung des Rundfunkbeitrags. Statt wie bisher regelmäßig neu ausgehandelt zu werden, soll der Rundfunkbeitrag wohl ab 2023 festgelegt werden und dann automatisch mit der Inflation steigen.

Auch die AfD will an den Rundfunkbeitrag, sie will ihn sogar abschaffen und stattdessen einen „Bürgerfunk“ als Pay-TV.

Mag sein, zwischen uns gibt es aber keine Nähe. So wie ich die AfD auch hier in Niedersachsen erlebe, sieht sie sich in einer Feindschaft zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir bekennen uns hingegen klar zu einem starken System. Das hindert uns aber nicht daran, über Einsparungen zu reden. ARD und ZDF sind einfach zu teuer. Das ist auch ein Problem für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die ist aber wichtig!

SPD und Union behandeln die Medienpolitik zunehmend stiefmütterlich, oder? Die Zeiten starker Rundfunkpolitiker wie Kurt Beck und Edmund Stoiber sind vorbei.

Das ist ein großer Fehler! Medien sind in einer Demokratie ein zentrales Politikfeld. In einer polarisierten gesellschaftlichen Debatte, in der auch der Journalismus angegriffen wird, müssen wir Position beziehen – nicht nur hinter den Kulissen in der Rundfunkkommission.

Da können Sie sich leicht profilieren.

Ach, uns bewegt einfach die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Da geht es gerade um Grundsätzliches. Wenn andere ein Feld vernachlässigen, ist das natürlich auch eine Chance, um stattzufinden. Wir schauen aber nicht strategisch auf Lücken, die andere lassen.

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11 Kommentare

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  • Niedersachsens FDP und ihre Parteikollegen in Schleswig-Holstein und NRW müssen sich also laut ihrem Chef thematisch "positionieren". Bezeichnend, dass es dort keine anderen Themen für die FDP zu geben scheint, als sich an der Demontage von Rundfunkinfrastruktur als medialer Daseinsvorsorge abzuarbeiten.



    Mit einer Scheindebatte über Kostenanteile aus den Rundfunkbeiträgen muss die digitale Radiotechnolgie DAB+ herhalten, pünktlich zu einem Zeitpunkt, in der die Akzeptanz bei Herstellern und Hörern - übrigens europaweit - ordentlich Fahrt aufgenommen hat. Auch ein fehlender Rückkanal, den es im klassischen (analogen wie digitalen) Radio nicht gibt und den Hörer somit unbehelligt vor Überwachung seines Medienkonsums lässt, geht heutzutage natürlich gar nicht! Und die öffentlich-rechtlichen, investigativen Qualitätsprogramme? Bitte ganz schnell allesamt in die 5G-Mobilfunk-Wolke, damit sie nicht weiter auffallen im Einheitsbrei der Streams und Channels.



    Als hätte die FDP nicht dringlichere Themen in den Landesparlamenten, in denen sie momentan noch so vor sich hin "positioniert". Wie wärs denn mit den Themen Wohnungsmarkt und Rüstungspolitik und deren hochaktuellen katastrophalen Folgen? Achso, nein: Da läuft ja alles super rund für die FDP!

  • Herrn Birkner fehlt bei DAB+ ein Rückkanal für eine Interaktion und empfielt deshalb 5G.

    5G ist ein Synonym für blühende Landschaften geworden, um die Bürger zu einer freudigen Begrüßung dieser Technik zu animieren. Dabei wird mit 5G eine Technik eingeführt, über deren Gesundheitsgefahren die Promotoren außen vor lassen. Das ist ein Versagen der Politik. Ein Medikament könnte so nicht verkauft werden. Hier müssen die Nebenwirkungen genannt werden.

    Es könnte sich herausstellen, dass der Teil der Bevölkerung, der in einem 5G-Funkloch sitzt, zu beglückwünschen ist.

  • Den Öffentlich-Rechtlichen ist es in den vergangenen 10 Jahren nicht gelungen ihren Tätigkeitsbereich an die heutigen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Gebührenzahler anzupassen. Das gilt sowohl für die eingesetzten Technologien, als auch die Strukturen und die inhaltliche Programmgestaltung.



    Die Öffentlich-Rechtlichen schließen interaktive Angebote - sprich die direkte Teilnahme der Zuschauer - mehr oder weniger systematisch aus. In einem ziemlich undurchsichtigen Prozess bestimmt irgend jemand irgendwo, was die Zuschauer wann zu sehen bekommen.



    Dabei gibt es Modelle, bei denen die Zuschauer direkt mitreden und mitmachen können. Und diese Modelle kosten noch nicht einmal annähernd so viel, wie der inneffektive Riesenapparat das jetzt tut.



    Dass sich endlich eine Partei um das Thema kümmert, ist eigentlich begrüßenswert. Eigentlich müssten das alle Parteien tun. Im Moment geraten sie unter den Verdacht, dass sie an dem teuren System festhalten, weil es sie deutlich begünstigt und ihnen die Bedürfnisse der Gebührenzahler nicht so wichtig sind.

    • @ProfRichErv:

      ProfRichErv 16.04.2019: "Bitte nicht noch mehr ÖRR! ... Drei Kanäle - einer davon aktuelle Nachrichten und Sport - und fertig."



      Die heutige Praxis, die Nachrichtensendung in die Fußball-Spielpause zu quetschen, würde dann zur Regel.

      Auch bei der TAZ ist der EntscheidungsProzeß, welche Artikel veröffentlicht werden, sehr undurchsichtig. Ist der Rückkanal der TAZ auch nicht mehr zeitgemäß? Wie wäre es, dem ÖRR-System die Technik wegzunehmen und es auf Facebook, Youtube und Twitter aufzusetzen. Böten diese Pattformen ausreichend Rückkanal?

      Wenn es Parteien gibt, die durch das ÖRR-System begünstigt werden, dann müsste es ja auch Parteien geben, die benachteiligt werden. Welche?

    • @ProfRichErv:

      Die Bedürfnisse der Zuschauer waren nie wichtig. Wäre es so, hätte man 1985 nicht das werbefinanzierte Free-TV (Doof-TV) eingeführt und so zwei unterschiedliche Finanzierungssysteme miteinander gekoppelt, die dazu geführt haben, dass der Zuschauer heute keine Entscheidungsgewalt mehr hat. Er kann zwar ausschalten, bezahlen muss er aber trotzdem. Vor 1985 konnte der Zuschauer sich abmelden, musste dann aber auch nicht mehr bezahlen. Nach 1985 konnte er sich zwar abmelden, durfte dann aber auch kein Free-TV mehr gucken.Nach 2013 kam die Zwangshaushaltsabgabe. Das Fernsehsystem ist heute zu einer Verblödungs- und Umverteilungsmaschine von unten nach oben, zu einer Versorgungsmaschine für A,B,C....Prominente verkommen. Was der Zuschauer will, ist Nebensache.

  • Die F.D.P entlarvt sich mal wieder selbst:

    "...weniger teuren Sport und weniger teure Unterhaltung..."

    Ja, ja: anschließend braucht man dann -zig Abos um alle Spiele sehen zu können, wie wir dieses Jahr bereits erleben durften. Die Hardcore-Fans, die zu einem großen Teil eh schon über ein geringes Einkommen verfügen führt es in die Schuldenfalle und den Bossen der Medienkonzerne füllt es die Taschen. Typisch F.D.P!

  • Ich finde es schade dass nicht mal hinterfragt wird, warum eine Mobilfunktechnik besser sein soll als Rundfunk; egal ob UKW oder DAB+.

    Beim Mobilfunk gibt es mehr Funklöcher als beim Rundfunk.



    Für Mobilfunk braucht man einen separaten Vertrag mit einem Provider.



    Daher ist der Empfang auch nicht mehr anonym.



    Mobilfunk kostet Geld.



    Die Technik ist noch komplizierter und damit störanfälliger als DAB+.

    Die alte UKW-Technik ist auf Sende- und Empfangsseite relativ einfach und robust. Deshalb eignet sich diese Technik hervorragend für einen Katastrophenfall.

    Ich vermute bei dem FDP-Vorstoß keine technischen Gründe, sondern rein wirtschaftliche Interessen.

  • DAB+ und die Vorgängertechnik DAB waren politisch gewollt, die ganz große Groko von SPD/CDU bis FDP haben jahrzehntelang für das digitale Radio mit dieser Technik getrommelt. Dabei forderten nicht nur Öffentlich-Rechtliche, sondern gerade Kommerzsender DAB, die Finanzierung sollte aber vorrangig aus Mitteln der damaligen Rundfunkgebühr erfolgen. Nicht nur ARD und Deutschlandradio haben da Gebühren versenkt, auch die Landesmedienanstalten finanziern seit Jahrzehnten DAB aus ihren Mitteln, die wiederum von Rundfunkgebühren kommen. Die Öffentlich-Rechtlichen wollten mit DAB ihre technischen Verbreitungskosten für UKW deutlich reduzieren, den Kommerzsendern ging es darum, zusätzliche Programme verbreiten zu können, da das UKW-Netz ausgelastet ist. Bereits 1997 wurde auf einer Veranstaltung der Landesmedienanstalten in Erfurt festgestellt, dass das DAB-Projekt technisch und wirtschaftlich ein Flop sei - Folge: Es wurde das Projekt DAB+ auf die Schiene gesetzt. Den Kommersendern ist heute DAB+ nur noch hinderlich, denn der Empfang per Mobilfunk ermöglicht die zielgenaue Werbeansprache einzelner Hörer, die dann per Online-Rückkanal darauf reagieren können. Derzeit schwadronieren die Kommerzsender mit dem tollen neuen 5G Mobilfunkstandard als Ersatz für DAB+ - dabei wissen sie genau, dass für ein bundesweites 5 G Netz etwa eine Million neue Antennen nötig sind und Privatkunden die Technik erst in vielen Jahren flächendeckend nutzen können. Insofern ein Chor von Heuchlern, zu dem die FDP-Marktliberalen immer gehört haben.

    • @Philippe Ressing:

      Richtigstellung: Die Tagung in Erfurt war 2004 - ich habe teilgenommen. Man bezog sich dabei unter anderem auf einen kritischen DAB-Bericht des Prognos-Instituts von 1997.