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Drohungen gegen Walter LübckeHetzjagd im Internet

Walter Lübcke ist im Netz jahrelang angefeindet worden. Beteiligt daran waren auch die Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach und der Pegidist Akif Pirinçci.

Walter Lübcke setzte sich für eine Erstaufnahmeunterkunft ein und geriet ins rechte Visier Foto: dpa

Dreieinhalb Jahre ist es her, dass Walter Lübcke auf einer Bürgerversammlung im nordhessischen Lohfelden das sagt, was ihn unter Rechten zur Hassfigur machen wird. Als lokale Pegidisten seine Rede über eine geplante Erstaufnahmeunterkunft stören, kontert der Kasseler Regierungspräsident. Er sei stolz auf seine Behörde und die Ehrenamtlichen. „Es lohnt sich, in diesem Land zu leben. Und da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

Noch am selben Tag postet der User „Professor Moriatti“ den Ausschnitt auf YouTube. Rechte Blogs übernehmen ihn, er wird vielfach in sozialen Netzwerken geteilt. Auf einer Pegida-Kundgebung verweist der später wegen Volksverhetzung verurteilte Autor Akif Pirinçci auf Lübckes Rede – als Beispiel für die vermeintliche Ignoranz „der Macht“ gegenüber „dem eigenen Volk“.

In den Kommentaren unter dem Video häufen sich bald brutale Gewaltfantasien. Laut Süddeutscher Zeitung ist unter den anonymen Hetzern auch der verdächtige Stephan E. Das rechte Portal PI-News nennt Lübckes Kontaktdaten, eine Kommentatorin verbreitet sogar seine Privatadresse. Laut CDU bekommt der Politiker in den folgenden Monaten Morddrohungen, auch aus dem Reichsbürgerumfeld. Zwischenzeitlich steht er unter Polizeischutz.

Trotz der Anfeindungen steht Lübcke zu seinen Äußerungen – und nach einer Weile scheint die schlimmste Hasswelle abzuebben. Bis Anfang 2019. Da greifen laut t-online.de zwei Blogs die Geschichte wieder auf. „CDU-Politiker rät Deutschen ihr Land zu verlassen, wenn sie mit Merkels Asylpolitik nicht einverstanden sind“, titelt einer der Blogs – ohne den Hinweis, dass die Ereignisse dreieinhalb Jahre zurückliegen.

Dass gerade dieser Artikel viel Aufmerksamkeit bekommt, ist kein Zufall. Die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, die allein auf Twitter fast 85.000 Follower hat, verbreitete den Text im Internet. Morddrohungen in den Kommentaren ließ Steinbach monatelang stehen. Gegen den Vorwurf, den Hass auf Lübcke bewusst neu geschürt zu haben, verwahrt sich die Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

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3 Kommentare

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  • Aberwitzig ist:Die Wutbürger rennen Woche um Woche herum und brüllen"Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen".



    Lübke hat ihnen nur ihre eigene Medizin gegeben.



    Wer Deutschland-unser Deutschland,die Republik des Grundgesetzes nicht liebt sondern es in eine völkisch,heterogene,braune Soße verwandeln möchte kann diese Republik,die er ja nicht liebt- verlassen.



    Und dafür hassten sie ihn.



    Für das Selbe was sie brüllen.



    Aber mit Logik und Gerechtigkeit haben die Braunen es noch nie gehabt.



    Sowenig wie damit einzusehen welchen Anteil ihr Gehetze an Hassverbrechen hat.



    Nur mehr als nur schade,dass dieser Hass einem guten Mann das Leben gekostet hat.

  • "Gegen den Vorwurf, den Hass auf Lübcke bewusst neu geschürt zu haben, verwahrt sich die Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung."

    Also muß es wohl stimmen. Denn wie soll man es sonst verstehen, wenn sie z.B. die Morddrohungen monatelang dort stehen lies. Sie wollte diese Beiträge offensichtlich weiter verbreitet wissen. Und dies beinhaltet dann eben auch deren agitativen Charakter (der dann eben auch extreme Konsequenzen haben kann und hatte, wie wir inzwischen wissen).

    Vielleicht (ich weiß, es ist sehr unwahrscheinlich) lernt Frau Steinbach daraus, dass sie eine Verantwortung hat, weil ihr Handeln Menschenleben kosten kann. Andernfalls müsste sie die Konsequenzen ihres Tuns dann mit ihrem Gewissen (sofern sie ein solches überhaupt noch hat) konfrontieren. Aber wahrscheinlich ist so jemand wie Frau Steinbach auch eine Meisterin der Großverdrängung.

  • Also, "die Freiheit jedes Deutschen, sein Land zu verlassen, wenn es ihm nicht gefällt" muss man vielleicht schon vor dem Hintergrund sehen, dass genau das für die Hälfte Deutschlands lange Zeit eben nicht galt. Es gab eine Menge DDR-Bürger, die diese Freiheit sehr gerne gehabt hätten. So ganz selbstverständlich ist das in deutschen Verhältnissen nicht, das darf man dann ruhig mal sagen.