piwik no script img

Iran verletzt Atomdeal, um ihn noch zu retten

Der Iran will die europäischen Vertragsstaaten des Atomdeals zum Handeln zwingen: Seit Donnerstag hält sich auch Teheran nicht mehr an Teile des Atomdeals von 2015

Irans Wirtschaft leidet unter den von den USA verhängten Sanktionen. Das ist auch auf dem Bazar in Teheran zu merken Foto: Ebrahim Noroozi/ap

Von Andreas Zumach, Genf

Der Iran verfügt nach eigener Darstellung seit Donnerstag über mehr als 300 Kilogramm niedriges, auf 3,67 Prozent angereichertes Uran und verletzt damit erstmals eine Bestimmung des Nuklearabkommens von 2015, das Teheran bislang strikt eingehalten hatte. Ab 7. Juli will Iran zudem die durch den Vertrag verbotene Höheranreicherung von Uran auf bis zu 20 Prozent wieder aufnehmen.

Mit diesen beiden seit Anfang Mai angedrohten Maßnahmen will die iranische Führung die drei europäischen Vertragsstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien zum Handeln drängen. Washington hatte das Nuklearabkommen bereits im Mai 2018 einseitig aufgekündigt. Der Iran hofft noch auf eine Rettung des Vertrages und Abwendung der US-Sanktionen.

Dieser Versuch ist völlig gescheitert. Nach wie vor funktioniert keine der von den Regierungen in Berlin, Paris und London seit September letzten Jahres versprochenen Maßnahmen, die Teheran trotz der US-Sanktionen weiterhin ermöglichen sollen, Öl zu exportieren und am internationalen Zahlungssystem teilzunehmen.

Unter dem Druck der US-Sanktionsdrohungen haben sich in den letzten zwölf Monaten fast sämtliche europäische Unternehmen und Banken, die auch auf dem US-Markt tätig sind, aus dem Iran zurückgezogen. Die im September von der EU beschlossen Strafen, um europäische Firmen von der Befolgung von US-Sanktionen und einem Rückzug aus dem Iran abzuhalten, wurden bis heute in keinem einzigen Fall angewandt – nicht einmal gegenüber Unternehmen, die sich zu Teilen im Staatsbesitz befinden, wie zum Beispiel der Deutschen Telekom. Im Januar etablierten Frankreich, Deutschland und Großbritannien mit Instex (Instrument in Support of Trade Exchanges) eine Art Tauschbörse für Importe und Exporte in den und aus dem Iran, bei der Zahlungen ohne Rückgriff auf den US-Dollar abgewickelt werden. Damit sollte sichergestellt werden, dass europäische Unternehmen für Warenlieferungen in den Iran auch ihr Geld bekommen. Doch bis heute wurde keine einzige Transaktion über Instex abgewickelt. Die EU hat noch nicht einmal ermöglicht, dass der Iran Medikamente und andere humanitäre Güter im Ausland kaufen kann.

Auch die EU könnte die aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen

Indien und China zeigen hingegen, dass es durchaus möglich ist, die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran unter Umgehung der US-Sanktionen und ohne Rückgriff auf den US-Dollar aufrechtzuerhalten. Indien wickelt seit Ende 2018 über ein dem europäischen Instex ähnliches System seinen Handel mit Iran ab, inklusive des Imports von iranischem Öl. China hat bereits 2015 ein Zahlungssystem eingerichtet, das ohne den US-Dollar auskommt und dem der Iran beigetreten ist.

Die Regierungen in Berlin, Paris und London haben Teheran für den Fall von Verletzungen des Nuklearabkommens mit bislang nicht näher bezeichneten „Konsequenzen“ gedroht. Diese dürften sich nach Aussage europäischer Diplomaten zunächst noch auf kritische Erklärungen beschränken. Sollte der Iran aber tatsächlich ab 7. Juli wieder Uran über die erlaubte Grenze hinaus anreichern, würden die Europäer gemeinsam mit den USA eine erste Resolution des UNO-Sicherheitsrates zur Verurteilung dieser Vertragsverletzung anstreben. Diese würde allerdings höchstwahrscheinlich am Veto Russlands und Chinas scheitern, die ihrerseits auch eine Verurteilung der Vertragskündigung durch die USA fordern würden. In weiteren Eskalationsschritten könnte die EU wieder Sanktionen gegen Iran in Kraft setzen, die seit dem Abschluss des Nuklearabkommens aufgehoben wurden.

Zudem könnte die EU die Aufhebung der noch in Kraft befindlichen UNO-Sanktionen gegen den Iran verweigern. In einem ersten Schritt hatte der Sicherheitsrat im Januar 2016 die nuklearbezogenen Wirtschafts- und Finanzsanktionen aufgehoben. Weitere sollten folgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen