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Eine Stadt atmet auf

CDU-Kandidat Octavian Ursu hat die Stichwahl zum Oberbürgermeister in Görlitz gewonnen

Wahlsieger Octavian Ursu mit Wahlhelfer am Wahlabend beim Wahlselfie Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Aus Görlitz Michael Bartsch

Auf dem Görlitzer Untermarkt am Rathaus herrschte am Sonntagabend Erleichterung. Bei der Stichwahl für das Amt des Oberbürgermeisters sahen die hier feiernden CDU-Anhänger ihren Kandidaten Octavian Ursu mit 55,2 Prozent vorn.

Wie im thüringischen Gera 2018 scheiterte also ein aussichtsreicher AfD-Kandidat bei dem Versuch, erstmals den OB-Sessel in einer größeren deutschen Stadt zu erobern. Der schneidige Polizist und AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel blieb mit 44,8 Prozent mehr als zehn Punkte hinter den im zweiten Wahlgang breit unterstützten Ursu zurück.

Im ersten Wahlgang am 26. Mai hatte AfD-Mann Wippel mit 36,4 Prozent noch die meisten Wählerstimmen geholt, gefolgt von Ursu mit 30,3 Prozent. Die knapp dahinter liegende Grüne Franziska Schubert trat nach einem Gespräch mit dem CDU-Kandidaten ebenso wie die abgeschlagene Linke Jana Lübeck nicht mehr zur zweiten Runde an. Beide warben dafür, Ursu zu unterstützen, um den AfD-Kandidaten zu verhindern.

Die Erleichterung, dass der auf deutsch-polnische Nachbarschaft ausgerichteten Europastadt ein AfD-Oberbürgermeister erspart bleibt, teilten die CDU-Anhänger mit vielen Passanten in der Görlitzer Innenstadt.

Dieses „Es hätte schlimmer kommen können“ blieb aber aus zwei Gründen verhalten. Zum einen ist Wahlsieger Ursu nicht gerade ein „Frontschwein“ wie sein AfD-Konkurrent. Eher ist der gebürtige Rumäne und ehemalige Solotrompeter der Lausitzphilharmonie ein Lieber-Papa-Typ, von dem weder im Dresdner Landtag noch im Sächsischen Kultursenat markante Auftritte bekannt sind. „Er hat keine Visionen“, räumen selbst CDU-Freunde ein. Viele haben ihn als das kleinere Übel gewählt.

Zum anderen bleibt das 44-Prozent-Ergebnis Wippels nicht ohne Wirkung. Bei einer Wahlbeteiligung von 56 Prozent hat also jeder vierte Görlitzer für ihn votiert. Im Stadtrat stellt die AfD seit der Kommunalwahl vom 26. Mai ohnehin die größte Fraktion.

Der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban sieht seine Partei denn auch „weiter im Aufwind“. Er verweist darauf, dass man nicht gegen die CDU alleine, sondern gegen eine faktische Allianz bis hin zur Linkspartei unterlegen sei. In diesem „Wir gegen alle anderen“ fühlt sich die AfD wohl. Urban sieht der Landtagswahl weiterhin optimistisch entgegen. Es sei nur „eine Frage der Zeit“, dass die Wähler der AfD zur Regierungsverantwortung verhelfen.

Wippel gab sich indessen am Abend seiner Niederlage konziliant. Auf der Wahlparty auf dem Untermarkt gratulierte er seinem Kontrahenten. Über seine künftige Rolle im Stadtrat sagte Wippel der taz, er wolle Sacharbeit und auch Verbündete in anderen Fraktionen suchen.

Der künftige Oberbürgermeister Ursu beschwor den Gemeinsinn. „Nach einer langen und herausfordernden Zeit des Wahlkampfes ist es nun wichtig, intensiv miteinander ins Gespräch zu kommen und Vertrauen aufzubauen“, verkündete er. Er rufe „alle Bürgerinnen und Bürger auf, aufeinander zuzugehen und aktiv am gesellschaftlichen Zusammenhalt zu arbeiten“.

Allerdings ist nach der Wahl auch vor der Wahl: Die Niederlage ihres Frontmanns Wippel eröffnet der AfD nun die Gelegenheit, ihn am 1. September gegen den Ministerpräsidenten Kretschmer in seinem Görlitzer Wahlkreis ins Rennen zu schicken. Kretschmer habe Wippel gewiss insgeheim die Daumen für einen Sieg gedrückt, damit ihm dieser Zweikampf erspart bleibe, bemerken AfD-Anhänger spitz.

Demgegenüber erscheint die Äußerung von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gegenüber der dpa reichlich ahnungslos, wenn er von „Rückenwind für die sächsische Union unter Ministerpräsident Michael Kretschmer“ spricht.

„Der Wahlsieg von Octavian Ursu ist ein Sieg der demokratischen Kräfte in der Europastadt Görlitz“, erklärte der sächsische Grünen-Parteichef Norman Volger. Das Ergebnis zeige, dass die Mehrheit der Menschen in Görlitz nicht von einem Antidemokraten regiert werden wolle.