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Durch Freitagsdemos bestätigt
Grüne Investitionen werden vielfältiger, sie sind nicht mehr vorwiegend auf erneuerbare Energien beschränkt. Aktuell stehen auch Stromspeicher im Fokus – und gespannt wartet die Branche darauf, dass das erste deutsche Naturkostunternehmen an die Börse geht
Von Bernward Janzing
Immer wieder freitags, wenn die Schüler demonstrieren, sehen sich auch die Akteure im Sektor der grünen Geldanlagen bestätigt. „Wir kümmern uns seit 30 Jahren um das Thema Nachhaltigkeit“, sagt Jan Poser von der Schweizer Bank J. Safra Sarasin, die ein Pionier ist in diesem Segment der Finanzwirtschaft. Lange war es ein Nischenthema, doch nun kommt es in der Mitte der Gesellschaft an; gerade in jüngster Zeit spüre man, so der Banker, wie der Druck auf allen Ebenen zunimmt. Jenen Unternehmen unterdessen, die umweltschmutzige Geschäfte machen, kommt mehr und mehr die gesellschaftliche Akzeptanz abhanden.
„Die Kohle wird als erstes stranden“, sagt Poser nüchtern. Die Debatte um steigende CO2-Preise, überhaupt die politischen Pläne, die viele Länder gegen die Kohle schmieden, sind natürlich erhebliche Risikofaktoren für Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf dieser Energie basiert. Dagegen ist, wer ohne Kohle auskommt, ökonomisch weniger verwundbar – zum Vorteil der jeweiligen Anleger. „Kohle haben wir schon lange ausgeschlossen bei unseren Anlagekriterien“, sagt der Schweizer Vermögensverwalter.
Umgekehrt liegen in einer stringenten Klimapolitik, wenn ein spürbarer CO2-Preis die Märkte neu sortiert, natürlich Chancen für die Ökofirmen. Und es sind die jungen Leute, die aktuell diese Entwicklung anschieben, weiß Andrew Murphy von der Murphy&Spitz Nachhaltige Vermögensverwaltung in Bonn: „Die Kinder sensibilisieren ihre Eltern auch beim Thema Geldanlage, das merken wir ganz stark in den Gesprächen mit unseren Kunden.“
Es ist ein Thema, das viel komplexer ist, als dass es durch schlichte Investitionen in erneuerbare Energien ausreichend beschrieben wäre. Dort waren die vergangenen Jahre sogar recht turbulent, was sich auch im Renixx widerspiegelt, dem Renewable Energy Industrial Index. Im Jahr 2005 vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) lanciert, stieg der Index 2008 bis auf über 1.800 Punkte, brach dann im Jahr 2012 auf unter 200 ein und hat sich zwischenzeitlich auf gut 500 berappelt.
Der Renixx interpretiert die Erneuerbaren zwar bereits recht weitgehend. Neben den Windanlagenbauern Vestas Wind Systems, Nordex und Siemens Gamesa Renewable Energy ist auch der Maschinenbauer der Solarbranche Meyer Burger Technology enthalten, man findet ferner diverse Solarunternehmen, den Finanzdienstleister Encavis, und auch Firmen wie den Brennstoffzellenhersteller Ballard Power Systems und die E-Autofirma Tesla.
Und doch spiegelt der Index nur einen kleinen Teil jener Unternehmen wider, die von konsequentem Klimaschutz profitieren könnten. „Man sollte nicht immer nur auf die Unternehmen schauen, bei denen ein Erfolg offensichtlich scheint“, sagt Sarasin-Banker Poser. Manchmal seien eher die Zulieferer die Profiteure des Wandels als die so hochgejubelten Unternehmen der ersten Reihe. So könnte im Bereich der Elektromobilität womöglich die Firma Panasonic als Batteriehersteller viel attraktiver sein als etwa Tesla. Idealerweise blicke man als Investor ohnehin noch weiter in die Zukunft. „Vielleicht bietet ja sogar ein Recyclingunternehmen für Batterien noch mehr Potenzial“, sagt der Experte für nachhaltige Geldanlagen.
Dass bei den erneuerbaren Energien, die lange als der Klassiker galten, wenn von grünen Geldanlagen die Rede war, derzeit eher mäßige Stimmung herrscht, zeigt auch der IWR-Geschäftsklimaindex. Dieser lag im April beim bescheidenen Wert von 84,2 und hatte zuletzt im November 2018 über 100 gelegen. „Derzeit stehen eher Unternehmen rund um das Thema E-Mobilität und Energiespeicherung im Fokus der Anleger“, beobachtet Karen Armenakyan, Leiter Vermögensverwaltung der BW-Bank. Allerdings gebe es freilich auch im Sektor Wind und Sonne noch interessante Unternehmen.
Zu den Branchen, die man im Blick haben sollte, zählt Investor Murphy zudem die Solarthermie, die von Stadtwerken zunehmend in Nahwärmenetze eingebunden wird – ein Prinzip, das in Dänemark seit Jahren in großem Stil umgesetzt wird. Auch Unternehmen aus dem Sektor Wasseraufbereitung gelten als interessant. Ebenso, wie die Biobranche. „Wir warten gespannt darauf, wann das erste deutsche Unternehmen aus dem Naturkostbereich an die Börse geht“, sagt Murphy und resümiert: „Das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend pluralistisch.“ Nicht mehr so wie vor 15 Jahren, als man bei Ökoaktien vor allem an Anlagenbauer der Solarwirtschaft dachte.
Ob es immer die produzierenden Firmen sein müssen, ist ohnehin die Frage. Beispiel Mobilität: Eine Plattform, die Mobilität klug vernetzt – also öffentlichen Verkehr, Auto und Fahrrad als Gesamtpaket für den Nutzer optimiert – könnte manchen Fahrzeugbauer in der Profitabilität übertreffen. Ein Wandel der Wertvorstellungen kommt einer solchen Entwicklung zugute. „Die jungen Menschen brauchen das Auto nicht mehr als Statussymbol, sie wollen nur optimal von A nach B kommen“, sagt Vermögensverwalter Murphy. Und wer das für die Kunden komfortabel organisiert, der hat gute Chancen am Markt.
Die vielleicht spannendste Frage aber bleibt am Ende diese: Sind nachhaltig agierende Unternehmen vor allem auch dann die bessere Wahl, wenn die Wirtschaft in die nächste Rezession schlittert? Wenn die durch billiges Zentralbankgeld aufgeblasene Ökonomie sich irgendwann wieder normalisiert?
Zwar trifft eine Rezession jede Branche und auch jedes einzelne Unternehmen auf individuelle Weise, weshalb generelle Aussagen schwer zu treffen sind. Banker Poser ist gleichwohl überzeugt: „Wenn Firmen ein gutes Umweltmanagement haben, ist dies oft ein Indikator dafür, dass sie auch andere Unternehmensrisiken besser im Griff haben.“
Und deswegen wird nachhaltiges Wirtschaften auch zunehmend mit einem Gewinn an Resilienz, an Robustheit gegenüber Krisen begründet. Ob sich diese Erwartungen erfüllen, wird die nächste Wirtschaftsflaute zeigen. Gemäß einem Zitat von Großinvestor Warren Buffett: „Erst bei Ebbe erkennt man, wer bei Flut nackt baden gegangen ist.“