Mitautorin der „Mitte-Studie“: „Die Mitte rückt an den rechten Rand“

Studienautorin Beate Küpper hält die Parteien für mitschuldig an Vorurteilen. Die Asyldebatte sei teils „hetzerisch“ geführt worden.

Hand hält Pass

„Die öffentlichen Abwertungen der Asylsuchenden, die bleiben im Gedächtnis“ – ein syrischer Pass wird gescannt Foto: dpa

taz: Frau Küpper, Ihre Studie attestiert den Deutschen eine hohe Demokratiebefürwortung – und gleichzeitig verfestigte Vorurteile gegen Minderheiten. Ist das jetzt eine Entwarnung oder ein Alarmsignal?

Beate Küpper: Beides. Es ist natürlich positiv, wenn sich ein Großteil der Befragten hinter die Demokratie stellt. Wir stellen aber auch fest: Unter der Oberfläche weicht dieser Konsens auf. Denn es sind vielfach dieselben Befragten, die gleiche Rechte für Minderheiten in Zweifel ziehen, die sich abwertend über Muslime oder Sinti und Roma äußern, die auf Distanz zu etablierten Institutionen gehen und Widerstand für legitim halten. Das ist ein beunruhigender Befund.

Warum sind Vorurteile gegen Minderheiten so beständig?

Diese Vorurteile gibt es seit Jahrhunderten, das ist tief verwurzelt in den Gesellschaften. Aber sie spiegeln natürlich auch aktuelle Debatten. Die meisten Menschen wollen andere nicht bewusst ausgrenzen. Aber wenn es um konkrete Verteilungsfragen geht, dann soll die Mehrheit doch bevorzugt werden, auf Kosten von Minderheiten. Vieles ist da nachgeplappert, vieles basiert auf eigenen empfundenen Benachteiligungen. Aber am Ende stehen dann eben wieder Sündenböcke.

Aktuell trifft es besonders Asylsuchende: Warum ist deren Ablehnung noch gestiegen – wo sich die Lage hierzulande doch entspannt?

Vorurteile haben wenig mit Fakten zu tun. Und es sind die Debatten aus der Hochphase der Zuwanderung, in der es teils wirklich hetzerische Beiträge gab, die nun zu Buche schlagen. Auch wenn sich die Lage entspannt hat: Die öffentlichen Abwertungen der Asylsuchenden, auch durch etablierte Politiker, die bleiben im Gedächtnis.

Beate Küpper, 50 Jahre, ist Mitautorin der „Mitte-Studie“ und Professorin für Sozialpsychologie an der Hochschule Niederrhein.

Was sollte man jetzt tun?

Die Politik muss auf ihre Sprache achten. Und sie darf nicht weiter Stimmungen und Ängsten hinterherrennen – und diese damit erst befeuern. Unsere Daten zeigen, wie sehr gerade Anhänger der AfD Vorurteilen anhängen. Das überrascht nicht, wenn man die verächtlichen Stereotype von Muslimen oder Flüchtlingen sieht, welche die Partei vermittelt. Aber sie sind nicht die Einzigen, die versuchen, aus Ressentiments Profit zu schlagen. Auch die anderen Parteien müssen viel mehr erklären und erfahrbar machen, warum es zentral für unser Zusammenleben ist, dass alle gleich behandelt werden. Und auch für die Kirchen, die Sportvereine, die Gewerkschaften, letztlich für uns alle gilt die Frage: Positionieren wir uns klar genug?

Sie geben Ihrer Studie den Titel „Verlorene Mitte“: Schreiben Sie die gesellschaftliche Mitte bereits ab?

Wir geben sie nicht verloren, nein. Aber die Mitte verliert ihren Kompass. Normalerweise hat sie die Funktion, gesellschaftliche Konflikte auszutragen und einzuhegen. Nun aber rückt sie selbst an den rechten Rand, grenzt Minderheiten aus und neigt zur Gewalt. Wie gesagt: nicht die extremen Ränder, sondern die Mitte. Und das ist nun ein seit Jahren verfestigtes Muster. Darüber müssen wir reden.

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