Gastkommentar Kindergrundsicherung: Teuer und unsinnig

Die Armut von Kindern lässt sich nicht von der ihrer Eltern trennen. Wer ihnen helfen will, muss Eltern helfen – und nicht pauschal allen Kindern.

Kinderfüße mit zwei unterschiedlichen Socken

Die SPD irrt, wenn sie glaubt, eine Kindergrundsicherung könnte irgendein Problem lösen Foto: dpa

Wenig Kritik am SPD-Konzept „Sozialstaat 2025“ trifft die Kindergrundsicherung (KGS), deren Ausgestaltung Parteichefin Andrea Nahles bis zum Jahresende präzisieren will. Was soll man denn auch gegen einen Vorschlag haben, den so honorige Organisationen wie die AWO, der Kinderschutzbund, das Kinderhilfswerk, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Pro Familia und der Paritätische vertreten? Widerspruch fällt schwer, ist aber notwendig, denn es handelt sich um eine breit streuende, sehr teure Maßnahme zur Bekämpfung der Kinderarmut.

Allen hierzulande lebenden Kindern will das Bündnis Kindergrundsicherung die Steuerfreibeträge von 415 Euro pro Monat für das „sächliche Existenzminimum“ sowie von 220 Euro für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (bis der Staat diese Leistungen gebührenfrei erbringt) als Pauschalbetrag ausgezahlt werden. Derzeit bekäme jedes Kind monatlich 635 Euro. Im Gegenzug würden alle kindbezogenen Transferleistungen – Kindergeld, Kinderzuschlag, Sozialgeld beziehungsweise Arbeitslosengeld II, Bildungs- und Teilhabepaket sowie Unterhaltsvorschuss – entfallen.

Mit der Kindergrundsicherung hoffen Befürworter*innen des bedingungslosen Grundeinkommens ihr Projekt einer pauschalen Universalleistung im Kleinformat zu realisieren. In beiden Fällen würden sämtliche Leistungsbezieher*innen über einen Kamm geschoren, unabhängig davon, wo und in welchen Haushaltskonstellationen sie leben, wie alt und ob sie sozial benachteiligt sind oder nicht. Selbst ein riesiges Vermögen (etwa aus einer Erbschaft) wäre kein Hindernis. Doch es müsste gerade darum gehen, jene Menschen zu fördern, die zu wenig Entwicklungsmöglichkeiten haben.

Die Modelle zur Kindergrundsicherung suggerieren, dass man Kinder unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern aus der Armut befreien kann. Minderjährige sind jedoch arm, weil ihre Eltern arm sind. Deshalb muss, wer Kinderarmut wirksam bekämpfen will, etwas für die Eltern der betroffenen Kinder tun, statt diese aus dem Familienverband herauszulösen.

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geboren 1951, erforscht seit Jahrzehnten wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland. Bis 2016 lehrte der Politikwissenschaftler als Professor an der Universität Köln. Von 1970 bis 1975 und von 1987 bis 2005 Mitglied der SPD, kandidierte er als Parteiloser 2017 auf Vorschlag der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten. Gerade ist sein neuestes Buch „Ungleichheit in der Klassengesellschaft“ im PapyRossa Verlag erschienen.

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