piwik no script img

Tanz das Bauhaus

Bauhaus I: Das 100. Jubiläum der Kunstschule eröffnet mit einem Festival in Berlin. Obwohl die Bühne bei der Institution nie im Fokus stand, dominieren nun die performativen Künste

Von Ronald Berg

Nun ist es also so weit: Das Bauhaus-Jubeljahr hat begonnen. Der offizielle Veranstaltungsreigen startete am 16. Januar mit einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und einem Konzert des Jazzpianisten Michael Wollny mitsamt einiger Kollegen und einem per Lochstreifen betriebenen Klavier.

Vor 100 Jahren also wurde das Bauhaus in Weimar gegründet, 1925 zog es nach Dessau, 1932 ging es nach Berlin, wo es sich nach knapp einem Jahr auf Druck der nationalsozialistischen Machthaber selbst auflöste. Die Reformschule existierte also nur 14 Jahre, hatte insgesamt 1.253 Schülerinnen und Schüler und drei Direktoren. In den vergangenen 100 Jahren ist viel passiert, die Welt hat sich verändert. Das Bauhaus aber ist noch immer in aller Munde.

Dabei hat es das eine Bauhaus gar nicht gegeben. Das Bauhaus war vieles und oft davon das Gegenteil. Gründungsdirektor Walter Gropius, seine Nachfolger Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe lassen sich ebenso wenig auf einen Nenner bringen wie die illustre Schar an Künstlern, die am Bauhaus lehrten: Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer und andere.

Zum 100. Geburtstag scheint man die Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit der Positionen am Bauhaus als Chance erkannt zu haben. Der zum Jubiläum gegründete Bauhausverbund der drei Bauhaus-Museen zusammen mit der Bundeskulturstiftung und elf Bundesländern hat ein Jahresprogramm mit 600 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Allein der Bund gibt 17 Millionen Euro dazu und spendiert weitere 52 Millionen für neue Bauhausmuseen an den drei historischen Standorten.

Die großangelegte Staatsaktion Bauhaus-Jubiläum wird nun also mit dem neuntägigen Eröffnungsfestival in der Berliner Akademie der Künste eingeläutet. Die performativen Künste stehen im Mittelpunkt. 25 (Bühnen‑)Produktionen werden gezeigt, darunter zehn Uraufführungen und zwei deutsche Erstaufführungen. 100 internationale Künstler sind beteiligt. Offenbar passt alles und jeder ins Programm, ob es nun mit Bauhaus zu tun hat oder nicht. Im letzteren Falle kann man es ja immer noch mit dem Bauhaus vergleichen. Zeitgenössisches, Tanz, Theater, Installation, Club, Film und Workshop kommen zum Einsatz – alles unter der so viel‑ wie nichtssagenden Devise, dem Bauhaus sei es um die „positive Veränderbarkeit der Welt durch kollaborative Praxis“ gegangen, wie die künstlerische Leiterin des Festivals, die Tanzmanagerin Bettina Wagner-Bergelt zu ihrem Programm ausführt.

Das meiste beim Bühnenprogramm – wie etwa Robert Wilsons Darstellung von Becketts „Krapp’s Last Tape“ – hat mit dem Bauhaus so gut wie nichts zu tun. Aber man lässt es sich gerne gefallen, solange dabei so großartige Darbietungen wie die von Anne Nguyens Compagnie Par Terre gezeigt werden, die den Breakdance zu einer höchst artifiziellen Tanzkunst veredelt hat.

Am Bauhaus selbst stand die Bühne nie im Mittelpunkt und man konnte an der Schule auch nie eine Bühnenausbildung absolvieren. Unter Hannes Meyer wurde sie schließlich ganz abgeschafft. Anknüpfungspunkte bei der im Eröffnungsfestival integrierten Ausstellung sind die Bühnenkreationen von Oskar Schlemmer und Überlegungen von László Moholy-Nagy zu Lichtspielen, bei denen farbiges Licht in den Mittelpunkt rückt.

Mit dem Bauhaus hat Becketts Stück nichts zu tun, aber man lässt es sich gerne gefallen

Die eher dünn bestückte Ausstellung zeigt also etwa die Kostüme von Schlemmers „Triadischem Ballett“, das als Wiederaufführung der Rekonstruktion von 1976/77 durch Gerhard Bohner auch im Bühnenprogramm des Festivals noch einmal auftaucht. Die rekonstruierten Kugel‑, Reifen‑, Blasen‑ oder Scheibenkostüme aus Schlemmers Ballett zwingen die in ihnen gefangenen Tänzer, sich wie Marionetten zu bewegen. „Der Mensch“, wie ihn Schlemmer auch in seinen so betitelten Vorlesungen vermittelte, wird im Grunde am Vorbild der Maschine begriffen und auf Geometrie und Mechanik reduziert. Das „Triadische Ballett“ hat daher etwas Groteskes und Komisches, ebenso wie das von Bauhaus-Studenten ausgearbeitete „Mechanische Ballett“, das in der Ausstellung im Video zu sehen ist. Hier bewegen die „Tänzer“, die man kaum als solche bezeichnen kann, platte, am Körper befestigte geometrische Schablonen, sodass sogar nur zweidimensional agiert werden kann.

Im Gegensatz dazu liefert das neu entwickelte „Totale Tanz Theater“ der Interactive Media Foundation eine 360-Grad-Perspektive, allerdings nur, wenn man sich dazu VR‑Brille und Kopfhörer aufsetzt. Das schwebende Raumerlebnis im Virtuellen ist beeindruckend, allerdings wird an Inhalten wenig geboten und nur ein bisschen tänzerisch herumgehopst.

Die paar restlichen Installationen der Ausstellung mit Referenz zu Moholy-Nagy und seinem Licht-Schatten-Theater, inklusive einer Rekonstruktionen des „Lichtrequisits für eine elektrische Bühne“ des Bauhaus-Meisters selbst, sind auch nicht wirklich beeindruckend – mit Ausnahme einer Arbeit von Jan Tichy. Sie zeigt die Meisterhaussiedlung des Bauhauses in Dessau, gebaut aus Glasplatten im Format, wie sie von Lucia Moholy benutzt wurden, um die inzwischen ikonisch gewordenen Fotos dieser Bauhaus-Architektur mit ihren Plattenkamera aufzunehmen. Bestrahlt von einem wandernden Licht, präsentiert sich Tichys gläserne Modellsiedlung in ganz unterschiedlichen Stimmungen. Vielleicht das poetischste und treffendste Bild für die Sicht auf das Bauhaus und seine vielen unterschiedlichen Facetten.

Noch bis zum 24. Januar in der Akademie der Künste am Hanseatenweg, Berlinwww.bauhas100.de; www.bauhausfestival.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen