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Buchläden sind Oasen der Zwecklosigkeit in der funktionalen Welt. Man kann dort stöbern und blättern, ohne die Informationen zu verwerten. Weil sie vom Aussterben bedroht sind, suchen sie sich Fans: Das internationale Stammpublikum hält sie am Leben

Von Susanne Messmer

Alle Jahre wieder taucht die Frage in den deutschen Medien auf: Ist die Zeit der kleinen Buchläden gezählt? Erledigt sich der Gang zum Buchhändler nicht zunehmend, wo wir jedes Buch dank Amazon und E-Books mit einem müden Mausklick erreichen können?

Es gibt Stimmen, die sagen Ja. Die Umsätze des deutschen Buchhandels sind bundesweit rückläufig. 9,13 Milliarden Euro setzte er 2017 um, das sind 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr und 3,9 Prozent weniger als vor fünf Jahren. Dagegen werden langsam, aber stetig immer mehr Bücher im Internet erworben. Zwar liege der Marktanteil der E-Books mit knapp 5 Prozent lange nicht so hoch wie einst befürchtet. Aber immerhin wurden im Jahr 2017 etwa doppelt so viele elektronische Bücher verkauft wie noch vor fünf Jahren.

Man kann das dramatisch finden. Man kann es aber auch anders sehen.

Ausgerechnet in Berlin, der lautesten und ungesündesten Großstadt hierzulande, gibt es die meisten Buchhandlungen. Laut Börsenverein des deutschen Buchhandels sind es in Berlin 346 – im Vergleich zu 6.000, inklusive Filialen und Buchverkaufsstellen, bundesweit. Vor allem aber: Seit 2011 sind es 47 mehr geworden. Während also bundesweit eine Buchhandlung auf 14.000 Menschen kommt, sind es in Berlin 10.000, Tendenz steigend.

Warum ist das so? Subjektive Umfragen im Freundes- und Bekanntenkreis haben ergeben: Viele besuchen sehr gern die kleine Buchhandlung um die Ecke – vor allem, wenn sie Zeit haben und keine konkreten Kaufabsichten hegen. Sie wollen nur eventuell etwas kaufen und haben fast nie die Absicht, die erworbenen Informationen beruflich zu verwerten. Für sie sind Buchläden Oasen der Zwecklosigkeit in dieser funktionalen Welt. Sie tun auch jenseits der Suche nach Geschenken in der hektischen Vorweihnachtszeit gut.

Einige Menschen, auch junge, stellen beim Betreten einer Buchhandlung ihr Handy leise, und anders als beim Kleiderkauf suchen sie gern das persönliche Gespräch mit dem Buchhändler. Sie sagen zwar, dass der Algorithmus im Netz ihre Lesegewohnheiten vielleicht besser berechnen kann als ein Mensch. Sie wollen sich aber auch mal ein Buch empfehlen lassen, das nicht ins Schema passt. Buchläden sind für sie auch Treffpunkte, Orte des Austauschs von Angesicht zu Angesicht.

Viele besuchen gern die kleine Buchhandlung um die Ecke – vor allem, wenn sie keine konkreten Kaufabsichten hegen

Auch der bedrohte Buchhandel denkt viel über die „Krise des Print“ nach, natürlich. Wenn von Strategien die Rede ist, fallen oft knarrende Worte wie „Komplexitätsreduktion“ und „Konzentration auf die Kernkompetenz“. Übersetzt heißt das: Man will stärker in die Nische. Je mehr sich ein Buchladen auf sein Stammpublikum fokussiert, desto größer sind seine Überlebenschancen. Kein Wunder also, dass es im weltoffenen Berlin so viele Buchhandlungen mit Spezialisierung auf einen Sprachraum oder Kulturkreis gibt.

Es gilt: Je mehr Ansprache, je mehr Lesungen, je gemütlicher das Café, desto besser. Das haben jetzt auch die großen Filialen wie Hugendubel, Thalia und Lehmanns erkannt, die noch vor fünf Jahren auf den sogenannten Nonbook-Bereich setzten, um sich vom Onlinehandel zu unterscheiden – also auf Grußkarten, Frühstücksbrettchen und originell verpackte Tees und Kerzen. Dann kam das Flächensterben: Im Jahr 2012 verschwanden bei den Großen 30.000 Quadratmeter, mehr als 40 Filialen. „Es gibt noch große Buch-Kaufhäuser, aber es werden weniger“, sagt Thalia-Sprecherin Claudia Bachhausen. Je nach Standort und örtlichen Gegebenheiten übernehme man heute auch kleinere Läden, deren Inhaber etwa keine Nachfolger fänden.

Der Besuch im Buchladen ist und bleibt ein Erlebnis, das einen entspannten Kontrapunkt zum strapaziösen Alltag setzen kann. Sicher gedeihen sie deshalb besonders gut in Berlin.

Drei Besuche bei internationalen Buchhandlungen: 44–45. Interview mit Verleger Christoph Links: 46–47

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