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Wölfe in DeutschlandDie Population wächst

In Deutschland nimmt die Anzahl der Wolfsrudel zu. Die Naturschützer verbuchen das als Erfolg. Einige Bauern sind besorgt.

Für die einen eine Freude, für die anderen keine Freude: Wölfe, hier in Niedersachsen Foto: dpa

Berlin taz | Die Zahl der Wölfe in Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Nach dem sogenannten Wolfsmonitoring des Bundesamts für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes beläuft sich die diesjährige Gesamtzahl auf 73 Rudel. Insgesamt gibt es der Erhebung zufolge bis zu 246 ausgewachsene Tiere in Deutschland. Zudem sei zum ersten Mal nach der Ausrottung der Wölfe vor 150 Jahren auch ein Rudel in Bayern gesichtet worden, die meisten Tiere jedoch würden in Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen leben.

„Die weiterhin positive Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland steht im starken Kontrast zum weltweit dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt. Dieser Erfolg zeigt uns, dass Arten von einem strengen Schutz profitieren“, wird die BfN-Präsidentin Beate Jessel in einer Pressemitteilung des Verbandes zitiert. Neben der Zahl der zusätzlichen Tiere sei aber auch die der toten Wölfe angestiegen. Verkehrsunfälle seien die zweithäufigste Todesursache neben den illegalen Tötungen.

Der Naturschutzbund (NABU) bezeichnet die steigende Zahl an illegalen Tötungen als alarmierend und beklagt, dass allein in diesem Jahr acht Wölfe mit Schussverletzungen aufgefunden wurden. „Illegale Tötungen von Wölfen sind kein Kavaliersdelikt und gehören strengstens geahndet“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller in einer offiziellen Pressemitteilung. Auch der Straßenverkehr sei eine große Gefahr für die Tiere. Der Verband kritisiert zudem die Forderungen aus Politik und Landwirtschaft, Wölfe zu bejagen, statt zu schützen.

Der Bauernbund Brandenburg sieht das anders. „Der Wolf ist eines der größten Probleme, die wir in Brandenburg haben“, sagt Geschäftsführer Reinhard Jung. Er führt selbst einen Biobauernhof, auf dem er Rinder züchtet. Die Zahlen des Wolfsmonitorings nennt er „verharmlosend“, die Entwicklung „dramatisch“. Dass sich die Population ausbreite, wisse der Verband schon seit Jahren, so Jung. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, haben wir bald in jedem Dorf einen Wolf.“ Jung, der bisher zwar selbst noch keinen Wolf gesehen habe, aber dafür Risse bei anderen Landwirten, fordert daher Regulierung statt Komplettschutz. Dafür müsse der strenge Schutzstatus der Europäischen Union geändert werden. „Sonst vermehren sich die Wölfe wie die Mäuse in der Speisekammer“, sagt er. Der Brandenburger Bauernbund fordert schon seit längerem „wolfsfreie Zonen“.

Der Canis Lupus, gemeinhin einfach Wolf genannt, ist nach einer speziellen EU-Richtlinie streng geschützt und darf normalerweise nicht bejagt werden. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtline dient dem Erhalt wildlebender Arten in ihrem natürlichen Lebensraum.

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12 Kommentare

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  • Zum Verständnis: Das Bundesamt für Naturschutz bzw die "dokumentations- und beratungsstelle des bundes zum thema wolf" zählen erwachsene und residente Wölfe in Deutschland. Die jetzt veröffentlichen Zahlen sind bereits ein halbes Jahr alt und vorläufig! Das Monitoring Jahr endete im April 2018.



    Nicht residente Wölfe und wandernde Wölfe werden nicht berücksichtigt! In Schleswig-Holstein gibt es zwar Nutztier Risse, aber keine Wölfe für die Statistik des dbww.



    Die immer wiederholte Behauptung der Erhaltunsgzustand des Wolfes in Deutschland!! ist irreführend!. Junge Wölfe legen nach Verlassen des elterlichen Rudels sehr weiter Strecken zurück. Die deutsche Population ist daher nicht isoliert zu betrachten. Die wissenschaftliche Filmdokumentation "Die Odysse der einsamen Wölfe" beweist das Gegenteil.



    Über die Gründe der Unstimmigkeiten mag sich jeder seine Gedanken machen.

  • im vergleich zum homo sapiens sapiens ist der wolf ein sehr ungefährliches harmloses raubtier.



    damit sich die wolfspopulation vermehren und ausbreiten kann wäre es sinnvoll die waldgebiete in denen es wieder wölfe gibt durch grüne korridore die für den wolf breit genug sind miteinander zu verbinden.



    die risiken für schafsherden können vieleicht verringert werden,wenn man dem wölfen elektronische fussfesseln verpasst ,von deren existenz sie kaum etwas merken,die es aber jederzeit ermöglichen sie zu orten ,und es so erleichtern sie von orten fernzuhalten an denen sie sich nicht herumtreiben sollen.



    die bestände fast aller grossen raubtiere sind bedroht.-weil das grösste und gefährlichste raubtier der mensch sich nicht zu zügeln vermag.



    wolfsrudel von schafsherden fernzuhalten ist viel leichter als homo sapiens sapiens grenzen die setzen die der artenvielfalt eine chance geben das anthropozän zu überdauern und in ihm und trotz ihm zu überleben .

  • Und wer denkt an die Kinder?

    • @Demokrat:

      Der Wölfe? ;)

  • Wieviele Tiere werden nochmal in Deutschland jährlich von Menschen gerissen, äh, geschlachtet? Ach, blöde Frage, wenn es der Mensch, noch dazu aus Profitstreben und Geschmacksgründen macht, ist das doch etwas ganz anderes, wie kürzlich erst Heiko Werning in einem anderen TAZ-Artikel feststellte. Siehe auch:



    www.taz.de/Wisente...-Gericht/!5551649/

  • "Der Bauernbund Brandenburg sieht das anders. „Der Wolf ist eines der größten Probleme, die wir in Brandenburg haben“, sagt Geschäftsführer Reinhard Jung."

    Als Brandenburger möchte ich widersprechen. Das wesentliche größere Problem ist, das es zu viel Haar- und Schalenwild gibt. Nur eine Folge: Umweltschäden durch Wildverbiss. Die Förster und Jäger kämpfen zwar, mit verschiedenen Maßnahmen, nicht nur die Jagd, dagegen an, sind aber nur teilweise erfolgreich; es gibt einfach zu wenige.

    Also: willkommen zurück Wolf. Wir haben dich die letzten 150 Jahre vermisst. Tue das, was du immer tust:jage deine übliche Beute und sorge so dafür, daß sich die Populationen auf ein natürlich verträgliches Maß einpendeln.

    Und den Bauern, die sich zurecht (!!) Sorgen um ihre Tiere machen, möchte ich einen oder mehrere Hütehunde empfehlen. Sie haben sich als effektiver, aber leider nicht 100%-iger Schutz gegen Wölfe erwiesen.

    Also ist auch die Politik gefragt. Hütehunde, die wirklich nicht allzu teuer sind sollten subventioniert werden, wenn es doch zu Verlusten durch Wolfattacken kommt so sind diese unbürokratisch zu ersetzen.

    Und zu guter letzt: Alle, die sich aus Angst vor den Wölfen nicht mehr zum spazieren in den Wald trauen möchte ich noch folgendes zu bedenken geben: Angriffe durch Wölfe auf Menschen sind äußerst selten. In Deutschland ist es wesentlich gefährlicher einer Bache über den Weg zu laufen und dabei ihre Frischlinge zu stören. Dies endet in der Tat manchmal tödlich. Dennoch hat niemand Angst vor Wildschweinen, aber viele haben eine unbegründete Angst vor Wölfen. Hab mich schon immer gefragt, wie das kommt.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Entschuldigung, aber die Einfältigkeit der Argumentationsweise der BfN-Präsidentin ist nicht zu übertreffen. Dieses Amt feiert diesen "Erfolg", die Vermehrung des Wolfs in Deutschland, um, so der Verdacht, die völlige Hilf- und Tatenlosigkeit gegenüber des im Artikel erwähnten fortschreitenden dramatischen Artenschwundes und des Verlusts von biologischer Vielfalt, in Deutschland unleugbare bittere Realität, weniger schlimm erscheinen zu lassen.



    Wir können eben nicht hunderten von aktuell bedrohten Arten Schutz, wie er notwendig wäre zukommen lassen. Es wäre die wichtigste Aufgabe der BfN-Präsidentin, in diesem Kontext darauf hartnäckigst hinzuweisen. Stattdessen: Klopfen auf die eigenen Schultern.



    Ein für allemal: Der Wolf, ob er da ist oder nicht, sagt über den Zustand unserer Naturlandschaft und unserer Biozönosen herzlich wenig bis nichts aus. Man lasse sich nicht mit der unprofessionell-naiven Focussiererei auf solche beliebten Zielarten verwirren und hinters Licht führen

    • 9G
      97088 (Profil gelöscht)
      @61321 (Profil gelöscht):

      Genau richtig angemerkt!



      Unsere Biodiversität stärkt sich nicht signifikannt mit dem Wolf oder den Wisenten sondern nimmt mit „Klein-Klein“ (Insekten, Vögel, Reptilien, etc. stetig ab. Aber Schulterklopfen macht halt mehr Spaß als ein unbarmherzige Landwirtschaft naturnäher zu gestalten.

      • @97088 (Profil gelöscht):

        Das ist nicht so. Die Biodiversität stärkt mit den sogenannten "Schlüsselarten" die oben in der Ernährungspyramide stehen oder die das ökosystem verändern oder erhalten. Diese Arten haben eine besondere positive Rückwirkung für die gesamte Vielfalt. Der Wolf ist eine dieser Schlüssselarten. Das ist z.b. nach der Wiedereinführung vom Wolf im Yellowstone Naturpark (USA) gut erforscht worden. Die Wölfe haben die Hirschbevölkerung um 2/3 gekürzt, was die Pflanzenwelt und dabei sogar die Hydrographie verändert hat, indem seither mehr Weiden-Gebüsche in den Talauen wachsen. Das ist auch der Fall bei dem Wisent, der Lichtungen im Wald schafft.

        • @Eulenspiegel:

          Habe vergessen, Quellen zu geben: z. b.: Ripple, William J., Estes, James A., Beschta, Robert l. et al. , Status and ecological Effects of the world largest carnivores in: Science, 2014, vol. 343, n°617



          dx.doi.org/10.1126/science.1241484

          • 6G
            61321 (Profil gelöscht)
            @Eulenspiegel:

            Artenarme Maislandschaften und Fichtenmonokulturen werden bei uns nicht verschwinden, weil jetzt Wolfsrudel durchziehen und ab und zu in eine Schafsweide einbrechen.



            Bitte Gesamtkontext beachten

            • @61321 (Profil gelöscht):

              Klar, und der Wolf wird die Erde nicht retten, aber der Wolf hat trotzdem eine gesamte positive Wirkung über die Vielfalt, überall, wo er lebt, und es geht um mehr als das Überleben einer einziger Art, wie manche Kommentaren es behaupten.