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„Hetzjagd“-Diskussion um ChemnitzMaaßen fühlt sich falsch verstanden

Verfassungsschutzpräsident Maaßen hat der „SZ“ zufolge seine Aussagen zum Chemnitz-Video relativiert. In einem Bericht ans Innenministerium erklärt er sich.

Im Zentrum der Diskussionen: Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen Foto: dpa

Berlin dpa | Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen soll Medienberichten zufolge seine Aussagen zur Echtheit eines Videos von den Ereignissen in Chemnitz relativiert haben. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (Online) soll er in einem Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärt haben, das Video sei nicht gefälscht, er sei falsch verstanden worden. Dem Bericht zufolge hält Maaßen Zweifel für angebracht, ob das Video „authentisch“ eine Menschenjagd zeige. Dies habe er mit seiner Kritik gemeint.

Auch nach Spiegel-Informationen soll Maaßen nicht mehr bestreiten, dass das Video echt ist. Unter Berufung auf das Umfeld des Verfassungsschutzpräsidenten heißt es, Maaßen kritisiere „nur noch“, dass die schnelle Veröffentlichung des Videos in großen Medien unseriös gewesen sei, weil niemand die Quelle und Echtheit der Aufnahme zu dem Zeitpunkt hätte einschätzen können.

Maaßen hatte der Bild-Zeitung Ende vergangener Woche gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen vor rund zwei Wochen „Hetzjagden“ auf Ausländer stattgefunden hätten. Damit widersprach er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Regierungssprecher Steffen Seibert. Maaßen sagte weiter, es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu den Vorfällen authentisch sei. Für diese Aussagen wurde er scharf kritisiert, Seehofer als Maaßens Vorgesetzter verlangte Aufklärung.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es in dem Bericht weniger darum, konkrete Belege zu liefern, sondern eher zu erklären, wie Maaßen zu dieser Einschätzung gelangte. Unter anderem wird dabei die Art und Weise thematisiert, wie und durch wen ein Video veröffentlicht wurde, das zeigt, wie Männer Passanten offenbar ausländischer Herkunft bedrohen. Diese Veröffentlichung und die daraus folgende öffentliche Debatte sollen zuletzt dazu geführt haben, dass sich weitere Augenzeugen bei den Behörden meldeten.

Bislang ist Maaßens Bericht nur der Regierung, aber nicht öffentlich zugänglich.

Bislang ist Maaßens Bericht nur der Regierung, aber nicht öffentlich zugänglich. Seehofer wollte ihn sorgfältig prüfen, außerdem sollen die parlamentarischen Gremien über den Inhalt informiert werden.

Der Innenminister hatte am Montagnachmittag gesagt, er habe den Bericht noch nicht einsehen können und werde auch erst nach Mitternacht wieder in Berlin sein. Seehofer kündigte an, er wolle sich für die Prüfung des Berichts Zeit nehmen. Am Mittwoch wird der Verfassungsschutzpräsident zu einer Sitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) und auch zu einer Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag erwartet.

„Herr Maaßen muss am Mittwoch im Bundestag Ross und Reiter nennen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der Passauer Neuen Presse. „Entweder gelingt es ihm, Zweifel, die in seine Amtsführung und Kommunikation gesetzt werden, auszuräumen, oder er hat fahrlässig gehandelt. Dann wäre er nicht mehr als vertrauenswürdiger Schützer unserer Verfassung anzusehen.“

Deutliche Kritik an Maaßen

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Gerade in Zeiten von sogenannten Fake News und Verschwörungstheorien ist es die Aufgabe des Behördenchefs, für Klarheit und Gewissheit zu sorgen und sich nicht seinerseits an Spekulationen zu beteiligen oder sie sogar in Gang zu setzen“, so der SPD-Politiker. „Die Öffentlichkeit muss von ihm erwarten können, dass er sich – wenn überhaupt – zu diesem Video erst äußert, sobald er Gewissheit in der einen oder anderen Richtung hat.“ SPD-Chefin Andrea Nahles hatte zuvor Maaßens Ablösung für unausweichlich gehalten, sofern dieser keine klaren Belege vorlegt.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte am Montagabend beim Düsseldorfer „Ständehaus“-Treff der Rheinischen Post: „Verfassungsschützer sollen Verfassungsfeinde beobachten und nicht der Bild-Zeitung Interviews geben.“ Auf die Frage von RP-Chefredakteur Michael Bröcker zur Zukunft von Maaßen sagte Laschet: „Das wird die Bundesregierung beantworten müssen, wie sie damit umgeht.“ Laschet ist auch CDU-Bundesvize.

„Das ist Saddam-Hussein-Sprache“

Mit scharfen Worten kritisierte Laschet auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der nach den Ausschreitungen in Chemnitz die Migrationsfrage als „Mutter aller politischen Probleme“ in Deutschland bezeichnet hatte. „Da liegt er falsch“, sagte Laschet. „Das ist Saddam-Hussein-Sprache“. Laschet bezog sich dabei auf Worte des einstigen irakischen Präsidenten Saddam Hussein, der den bevorstehenden Zweiten Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre als „Mutter aller Schlachten“ bezeichnet hatte.

Es gebe unzählige Herausforderungen – und die Migrationsfrage sei nicht die einzige, sagte Laschet weiter. Die Aussage von der „Mutter aller Probleme“ trage auch nicht zu Problemlösungen bei. Laschet verwies auf den wochenlangen, von der CSU ausgelösten Streit in der Unionsfraktion um einen Aspekt der Flüchtlingspolitik, der letztlich nur wenige Migranten betroffen habe. Fünf Wochen sei wegen dieser Frage die deutsche Politik hintenan gestellt worden.

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21 Kommentare

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  • Welche Medien haben denn das Video veröffentlicht? Ich kenne es nur aus Links in Leserkommentaren.

    • @Francesco:

      Nur Fernsehen - im Radio ließ sich das nicht abspielen (;-))

      • @Rainer B.:

        19 Sekunden insgesamt. Die Hetzjagd dauert etwa 2-3 Sekunden. Das ist das einzige Video. Trotzdem jagd es einem beim Ansehen kalte Schauer über den Rücken.

  • Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Nazis: Es gibt eine umfangreiche Recherche zur "Combat 18" = "Kampfgruppe Adolf.H." der internationalen Organisation "Blood & Honour" (BH) und der Frage nach weiteren bewaffneten Terrorzellen.



    Lesen Sie bitte die Recherche mehrerer ForscherInnen «Combat 18» Reunion vom 16. Juli 2018 auf



    exif-recherche.org/?p=4399



    (Exif sind Metadaten von Fotos)



    "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in seinen Statements der vergangenen Monate diese Struktur konsequent verharmlost – mit dem offensichtlichen Interesse, eine Zerschlagung von «Combat 18» Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt zu verhindern."

  • „Verfassungsschützer sollen Verfassungsfeinde beobachten und nicht der Bild-Zeitung Interviews geben.“

    Ich denke das das ganze sogar eine Bild Kampagne gegen Merkel ist.

  • Gerad denkst Du noch, es reicht, genug,



    da kommt ein Vogelschiß im Tiefflug.



    Und glaubst Du schon, es geht nicht blöder,



    dann kommt Hans-Georg, Horst und Söder.

  • Da ist ein Mensch, der in unserer immer schnelllebigeren Zeit, einen Hilfeschrei an die Welt sandte.



    Doch wir verstanden nicht. Ein kleiner Mann, ein einfacher Mann, dem man die Bürde eines für ihn viel zu großen Amtes auflastete. Doch Niemand nahm ihn und seine Sorgen wahr. Sogar in des Teufels Verleger amtlichem Mitteilungsblatt, der Bild-Zeitung, war der Aufschrei dieser gequälten Seele, landauf, landab zu vernehmen. Doch wir hörten trotzdem nicht richtig hin, verstanden ihn falsch, wandten uns von ihm ab, schalten ihn einen Lügner. Das zeigt die ganze Verrohung unserer Gesellschaft und wie Verachtend wir mit unseren Nächsten mittlerweile umgehen.



    Ich wünsche Herrn Maaßen, dass er sich möglichst noch Heute in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet, wo er mit dem notwendigen Abstand und der Hilfe einer psychotherapeutischen Beratungsstelle, die Chance wahrnehmen kann, moralisch vielleicht eines Tages wieder genesen zu können.

  • Neulich in der Dönerbude ums Eck....Ich bin mit dem Wirt perdu und meinte als Gag mit ernstem klimatischen Hintergrund: "Hey mann , wäre es nicht klasse wenn hier auf dem Parkplatz anstatt Autos, Kamele und Pferde stehen würden ? Ein großteil unserer Umweltsorgen wären damit vom Tisch !" wir Grinsten beide... bis ein Statment einer sehr übergewichtigen Dame, mit Mann und Kind im Schlepptau, kam das mich längere Zeit sprachlos machte...sie sagte:" Das was bei den Viechern hinten raus kommt ist doch erwiesenermaßen viel Umweltschädlicher und stinken tut es auch noch krass!" Ich denke das Herr Maaßen in der gleichen Liga spielt wie diese Dame ! Der Brei aus Halbwissen, Bequemlichkeit , Verklemmtheit und schamloser Arschkriecherei ist schon beängstigent da es genau das Futter ist was die AFD noch weiter nach vorne bringt! Liebe Angela: mach dich doch endlich mal gerade ! Da dies vorraussichtlich eh deine letzte Regierungsperiode ist könntest du mit einem Kahlschlag im rechten Specktrum mehr erreichen als du denkst !

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Maasen, du bist ein Lügner, ein Lügner und nichts als ein Lügner.

    Du gehörst mit dein rechtsradikale AFD-Kumpels ins Gefängis.

  • War Maaßen wirklich die Quelle des Bildzeitungsstatements? Der VS fordert Quellenschutz. Falschmeldungen hatte es schon öfter in der Bildzeitung gegeben, zuletzt wurde von der Bildzeitung falsch berichtet, Kevin Kühnert habe sich mit einem russischem Agenten gegen die Groko verbündet. Konnte also das entsprechende Statement in der Bildzeitung zum Chemnitz-Video wirklich vom Verfassungsschef sein? Hans-Georg Maaßen bezweifelt das. Verfassungsschutzmitarbeiter genäßen Vertrauensschutz. Quellen dürfen nicht genannt werden, weder gegenüber der Polizei, der Justiz noch der Presse. Die Öffenlichkeit könne also gar nicht wissen, wer sich da in der Bildzeitung geäußert habe. Man habe das Interview einfach zu schnell herausgegeben. Es solle davon abgelenkt werden, dass auch die AfD sich in änlicher Weise geäußert habe. Maaßen habe höchstpersönlich die Spitzen der AfD beraten, wie sie sich qualifiziert äußern sollen und gleichzeitig ihre Positionen vor Quellenkritik, dieser Hetzjagd der Medien, schützen können. Verfassungsschutz sei Quellenschutz.

  • Blöd 'rauslabern, und dann so weit zurückrudern, bis es gerade noch akzeptiert wird.



    Woher kenne ich diese Taktik bloß?

    • @Gregor Tobias:

      Von dir selbst?

  • Wer schützt uns vor diesem Verfassungsschützer?

  • Hans-Georg Maaßen ist offensichtlich der Prototyp des furchtbaren Juristen.



    Er könnte sich problemlos ins vierte Reich eingliedern und danach sagen 'Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein'.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Immer wieder erstaunlich, wie oft sogar studierte und promovierte Zeitgenossen missverstanden werden. Offenbar können sie sich nicht richtig ausdrücken oder die böse Umwelt will sie missverstehen.

    Maaßen hat die Echtheit des Videos also gar nicht angezweifelt.

    Wörtlich sagte er der Blödzeitung neulich: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist."

    Eigentlich eine klare Aussage, die in direktem Widerspruch zur jetzt getätigten liegt.

    Nach seiner "vorsichtigen Bewertung", erklärte Dr. jur. M. weiter, es gebe "gute Gründe" dafür, dass es sich um eine "gezielte Falschinformation" handele, mit der von dem Mord in Chemnitz abgelenkt werden solle.#

    faktenfinder.tages...-chemnitz-101.html

    Eigentlich auch eine klare unmissverständliche Aussage. Offenbar distanziert sich Dr. jur. M. von sich selbst.

    Ob er wohl den Unterschied zwischen Mord und Totschlag kennt ? Oder das Prinzip der Unschuldsvermutung ?

    Die Staatsanwaltschaft ermittelt ausweislich des Haftbefehls wegen Totschlags und noch liegt keine Anklageschrift vor.

    Egal, wenns gegen Ausländer geht und der graune Mob (den es nach Ansicht des braunfarbenblinden Dr. jur. M. im übrigen ja gar nicht gegeben hat),



    bedient werden will, kann man sich schon mal sehr klar unklar ausdrücken ...

  • Was voellig unter den Tisch gefallen ist: Verfassungsschutz / Hans-Georg Maaßen muss auch noch erklaeren, welche bisher unbekannten Fakten ihm hinsichtlich des ursaechlichen Tathergangs vorlagen, den er, im Gegensatz zur ermittelnden Staatsanwaltschaft, in der Bild-Zeitung als "Mord" und nicht, wie die ermittelnde Staatsanwaltschaft, als Totschlag bezeichnete. Man sollte denken, dass er in seiner Karriere wenigstens mal einen Crash-Kurs in Jura absolviert hat und somit im Stande ist, zwischen den beiden Begriffen unmissverstaendlich zu differenzieren.

  • Es ist die Sprache und es sind die "griffigen" Formulierungen die das Zusammenleben vergiften. Es sind die Rechten die die Grenzen ständig austesten. Es sind irrationale INteressengruppen die in asozialen Netzwerken die Stimmungen anheizen und Medien (auch die öffentliche rechtlichen von Will bis PLasberg) die thematische Plattformen bieten zu letztlich Randthemen.



    Die Themen werden nachfolgend populär und Parolen werden salonfähig.



    Und dann kommen Wahlkämpfe und die ganze Aufmerksamkeit wird von rechts auf diese Themen gelenkt und die Spitzenbeamten, letztlich von uns allen bezahltze Verwaltungsheinis wie ein Herr Maaßen meinen Ihresgleichen Spezls einen Gefallen tun zu müssen.....



    Und dann gibts auf die Finger und man muss sich auf eine sichere Sandbank zurücklügen bis die nächste gewogene Welle kommt oder auch nicht.



    Was für ein Scheißspiel ... wir.... alle ...da und dort.

  • "Der mit der AfD tanzt"-Maaßen hat sein Ziel erreicht. Debatte um den rechten Mob die Spitze genommen - kein Wort des Herrn zum Angriff auf das jüdische Lokal. Der "ich schau mal beim NSU einfach Weg" Verfassungsschutz macht allen Vorurteilen die Ehre. Wetten Dass: SPD kneift bei Rücktrittsforderung, Mutti wird abtauchen und Bösmensch Schorsch triumphiert. Sollte Maaßen doch gefeuert werden - dürfte er bald gemeinsam mit Herrn Sarazin Veranstaltungen für Hassdeutsche füllen !?

  • Was zu erwarten war.

    Daß aber ausgerechnet - Mr. Lasset “Gut, daß er weg ist“*!*



    Den Saubermann gibt! Erheitert denn doch.



    Wenn’s nicht so dreist&traurig wär. Newahr.



    Normal.



    Njorp.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Ich habe das naheliegende Wortspiel zu Herrn Lass et vermisst!

      Hiermit nachgereicht.