Wanderschäfer über Schafdiebstahl: „Mir ist es ein totales Rätsel“
In Mecklenburg-Vorpommern sind einem Schäfer 150 Schafe geklaut worden. Wanderschäfer Sven de Vries macht dies fassungslos und traurig.
taz: Herr de Vries, in Mecklenburg-Vorpommern wurden einem Schäfer 150 Schafe geklaut. Wie kann das passieren?
Sven de Vries: Wanderschäfer schließen ihre Schafe nachts in der Regel in Weidezäune. Diese müssen flexibel auf- und abbaubar sein, sind dafür aber eben leicht von jedem abzubauen. Deshalb passiert Schafdiebstahl eben auch nicht selten. Wir können da keinen Hochsicherheitstrakt bauen. Um Diebstähle zu vermeiden, müsste man schon Festzäune nutzen – das geht aber wiederum nicht, weil diese nicht mobil sind.
Also kann man die Schafe relativ einfach klauen?
Ja, auf jeden Fall. Aufgrund der hohen Anzahl an gestohlenen Tieren, bin ich mir sicher, dass es mehrere Täter waren. Alleine ist es fast unmöglich, so viele Schafe zusammenzutreiben und aufzuladen. Durchschnittlich ist ein Schaf um die 50 bis 70 Kilogramm schwer. Und das 150 Mal kann natürlich kein PKW halten. Daher nehme ich an, die Täter werden entweder einen LKW als Transportmittel gehabt haben oder sie sind aus der Nähe des Tatortes und sind mit einem oder mehreren PKWs hin- und hergefahren.
Wie werden die Täter die Schafe nun wahrscheinlich weiter nutzen?
Schafe in der EU müssen eine Ohrmarke haben, die sie eindeutig einer Herde zuordnen. Diese müssten die Täter entfernen und austauschen, wenn sie sie bei normalen Schlächtern verkaufen wollen. Ohne Marke oder mit einer Marke eines fremden Betriebs dürfen die Schlächter die Tiere nämlich nicht kaufen. In letzterem Fall würde sogar das Risiko bestehen, dass die Polizei den Schlächtern Bescheid sagt, dass Schafe aus einer bestimmten Herde geklaut wurden und der Schlächter anhand der Ohrmarke die gestohlenen Schafe erkennen kann. Zumindest wird es in Deutschland so gehandhabt. Ich weiß jedoch nicht, ob es über die Grenzen hinaus genauso läuft und dort darauf Acht gegeben wird, dass alle Schafe eine gültige Ohrmarke tragen. Eventuell werden die Schafe also auch im Ausland verkauft.
Sven de Vries ist Wanderschäfer und vor allem durch seinen Auftritt auf Twitter und seinen Podcast bekannt.
Generell ist es mir ein totales Rätsel, warum gerade jetzt jemand Schafe klaut. Durch die große Dürre mussten nämlich viele Schäfer große Anzahlen an Tieren verkaufen, wodurch der Preis für sie gesunken ist. Gerade jetzt ergibt es keinen Sinn, Schafe zu stehlen. Da kann man viel leichter ein Auto klauen.
Der entstandene Schaden beläuft sich auf 22.500 Euro. Kann sich ein durchschnittlicher Schäfer davon überhaupt erholen?
Das ist ein echtes Drama. Als Schäfer ist das irrsinnig viel Geld. Durch die Dürre wurden sowieso schon riesige Verluste gemacht. Neben dem reinen Verlust der Schafe, verliert man potentiell auch noch Einnahmen durch das Lammen im Frühjahr. Dadurch verdienen Schäfer in der Regel recht viel, weil Lammfleisch sehr beliebt ist.
Also ich müsste darüber nachdenken, ob ich überhaupt weitermache oder als Schäfer aufhöre. Dass der Beklaute 58 Jahre alt ist, macht es noch schwieriger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin