klimawandel: Zahlen für den Fußabdruck
Der Protektionismus und der vom US-Präsidenten angezettelte Handelsstreit untergraben den Klimaschutz. Ein Ausweg könnten Klimazölle sein
Susanne Dröge
studierte Volkswirtschaftslehre in Berlin, Warwick und Kiel. Nach verschiedenen beruflichen Stationen ging sie 2006 an die Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin. Dort forscht sie zur internationalen Klimapolitik und berät die Bundesregierung und internationale Institutionen unter anderem zu klimapolitischen Instrumenten und den Zusammenhängen zwischen Außenhandels- und Klimapolitik.
Seit Wochen schaukelt sich der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelsstreit nun schon hoch. Im Juli trat der Konflikt mit der EU und China in eine neue Phase: Nach den Zöllen auf Solarzellen, Sojabohnen, Stahl und Aluminium kündigte das Weiße Haus an, zusätzlich chinesische Importe im Wert von 200 Milliarden Dollar einzubeziehen. Der EU droht Präsident Trump mit Zöllen auf Pkw-Importe.
Zur Reaktion gezwungen, setzen China und die EU darauf, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und für politisch sensible US-Güter ebenfalls höhere Zölle zu verlangen. Damit heizen sie die Stimmung weiter an, ohne dass ein absehbarer Nutzen in Sicht wäre. Dabei bietet sich gerade eine seltene Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Statt der Gegenzölle auf Motorräder oder Whisky wäre es überlegenswert, die US-Waren auf der Grundlage ihrer Klimaschädlichkeit zu verteuern. Solche Importabgaben könnten eine Sprache sein, die das Weiße Haus versteht.
Die Weltgemeinschaft hat sich 2015 in Paris auf ein globales Klimaabkommen geeinigt. Jedem Land ist es überlassen, wie ehrgeizig es sein Klimaziel setzt und wie es dies erreichen will. Die USA waren damals ganz vorn mit dabei. Denn Barack Obama wollte es so, und der Multilateralismus hatte in seiner Amtszeit ein hohes Ansehen. Donald Trump sieht das anders und hat sich darangemacht, die US-Klimapolitik abzuschaffen. Im Juni 2017 verkündigte er den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Bemühungen, den Präsidenten umzustimmen, waren vergeblich.
Ähnlich besorgniserregend steht es um die Haltung der US-Regierung zur Handelspolitik. Mit „nationaler Sicherheit“ begründeter Protektionismus ist in Mode gekommen. Im Gegensatz zur EU haben die Chinesen bisher keine diplomatischen Erfolge zu verzeichnen, ihnen werden fast im Wochenrhythmus weitere Milliardenzölle angedroht. Und solange in den USA die Kongresswahlen vor der Tür stehen, scheint ein Ende der Trump’schen Handelsattacken nicht in Sicht.
Hier kommen nun die „Klimazölle“ ins Spiel. Das Potenzial von Klimaabgaben an der Grenze wird schon lange in Fachkreisen diskutiert. Kern des Anliegens ist, dass der Klimaschutz nicht an der Grenze haltmacht. Oder anders ausgedrückt: Anstrengungen eines Landes, das den Klimaschutz ernsthaft vorantreibt, sollen nicht durch Importwaren, bei deren Herstellung der Klimaschutz egal ist, unterlaufen werden. Ein Beispiel: Stahlwerke in Europa müssen CO2-Zertifikate vorweisen für jede Tonne, die sie in die Luft blasen. US-Stahlproduzenten müssen das nicht.
Aufgrund des Abgesangs der Amerikaner auf den Multilateralismus sollten die PolitikerInnen in Europa noch einmal neu überlegen. Eine handelspolitische Unterstützung wurde dem Pariser Abkommen bisher verwehrt – nicht zuletzt aus Angst, damit die Handelspartner zu verärgern. Stattdessen hantiert die EU-Kommission „hinter der Grenze“, indem sie Unternehmen mit internationaler Konkurrenz die Emissionsberechtigungen schenkt. Abgaben an der Grenze, die sich daran orientieren, ob und wie viel Klimaschutz in Stahl, Aluminium oder Zement steckt, können die Paris-Agenda besser voranbringen.
Die Einführung von Abgaben an der Grenze steht weder im Widerspruch zum internationalen Handelsrecht der Welthandelsorganisation (WTO) noch zum Multilateralismus. Der Teufel steckt aber im Detail. Erstens sollten Zölle auf den CO2-Fußabdruck von Gütern effektiv der Reduktion von Treibhausgasen dienen – hier geht es um den Schutz einer globalen Ressource, der im WTO-Recht ausdrücklich zulässig ist.
Zum Design der Abgaben würde auch gehören, dass man sie auf wenige, besonders klimaschädliche Produkte beschränkt. Zudem sollte es Klauseln geben, die die Ausgleichsabgabe sukzessive reduzieren, um sie zu einem vereinbarten Stichtag wieder abzuschaffen. Greift sie, wird mehr in den Klimaschutz investiert.
Klimaschutz sollte an der Grenze kein Alleingang sein. Wenn die EU einen solchen Schritt wagen würde, wäre sie definitiv Vorreiterin. Aber ohne die Beteiligung anderer Staaten wäre dies nicht sinnvoll, Klimaschutz ist ein globales Anliegen. Hier kommt China ins Spiel. Die Gasimporte Chinas aus den USA nehmen seit Jahresbeginn auffällig stark ab, mit einem Zoll hält sich China also gar nicht erst auf, sondern verzichtet lieber auf amerikanisches Gas. Solange man andere Lieferanten hat, kann das funktionieren. Die US-Unternehmen, deren Vertreter Trump um sich schart, verdienen viel Geld mit besonders klimaschädlichen Produkten. Nicht nur Stahl oder Aluminium, auch Öl und Gas sind inzwischen Exportschlager.
Europa wurde von erhöhten Stahl- und Aluminiumzöllen der USA getroffen. Gleichzeitig belastet die europäischen Stahlfirmen, dass China seit Jahren billigen Stahl auf dem EU-Markt anbietet. Die Chinesen gelobten mehrfach, dass sie ihre Überkapazitäten abbauen. Beim Thema Stahlhandel könnten die EU und China also ihre Gespräche intensivieren und sich auch mit einer Zusammenarbeit beim „Klimaschutz an der Grenze“ befassen.
Die Aufmerksamkeit namhafter PolitikerInnen haben die Klimazölle bereits. Der französische Präsident Emmanuel Macron nannte sie kürzlich „unverzichtbar“. Auch Kanadas Umweltministerin Catherine McKenna hat zu ihrer Prüfung aufgerufen. Mexiko hat dieses Konzept in seinem Pariser Klimaversprechen erwähnt. Die EU-HandelspolitikerInnen indes schweigen dazu.
Wenn die klimapolitischen Vorreiter in Europa und in China sowohl den Klimaschutz als auch fairen Handel mit smart gestalteten „Klimazöllen“ vorantreiben, wären das Taten statt bloße Rhetorik. Es wäre zudem ein Signal an den amtierenden US-Präsidenten, dass seine Handelspartner zu einem für sie vorteilhaften Widerstand bereit sind.
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