Kritik an Ablauf der Nazidemo in Berlin: Die Polizei ist kein Escortservice

Offensichtliche Heß-Verehrung und Geleitschutz: Berliner Linke und Grüne fordern eine Auswertung der Neonazi-Demonstration vom Samstag.

Zeigten sich als ausgewiesene Heß-Fans: Fronttransparent der Neonazi-Demo am Samstag Foto: dpa

Linke und Grüne äußern Kritik am Ablauf der Neonazi-Demonstration am Samstag in Berlin und dem Verhalten der Polizei. In dem Aufzug seien NS-Verbrechen verherrlicht worden, sagte die Linksparteiabgeordnete Anne Helm am Sonntag der taz. Sie bezog sich dabei unter anderem auf das Fronttransparent mit der Aufschrift „Ich bereue nichts – Nationale Sozialisten Berlin“. „Der Bezug zu Rudolf Heß ist eindeutig, der Anlass ist eindeutig – das kann in Zukunft nicht mehr so sein.“

Die Neonazis hatten für Samstag, dem Tag nach dem 31. Todestag des einstigen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, gleich zwei Demonstrationen angemeldet – eine in Spandau, dem Ort des Kriegsverbrechergefängnisses, in dem Heß bis zu seinem Tod saß, und eine in Friedrichshain und Lichtenberg. Für beide galten strenge Auflagen: „Jede Verherrlichung von ‚Rudolf Heß‘ in Wort, Schrift oder Bild wird untersagt“, hieß es im Bescheid der Polizei.

Nach Einschätzung von Anne Helm wurde das nicht eingehalten; allerdings sehe die Polizei dies anders. „Darüber müssen wir reden“, kündigte die Abgeordnete an. Fragen müsse man sich zudem, ob man die Taktik der Neonazis auch künftig zulassen wolle, mit der Anmeldung einer zweiten Demonstration einen deutlich höheren Aufwand für die Polizei zu provozieren.

Der grüne Innenexperte Benedikt Lux hält zwar den Einsatz von rund 2.300 Polizisten am Samstag für berechtigt – „das ist ein relativ hoher Preis für Versammlungsfreiheit, aber das muss man machen“. Er fragt aber, warum die Polizei viele Neonazis quer durch die Stadt von Spandau nach Friedrichshain eskortiert hat. „Die hätten ja auch wieder nach Hause fahren können. Mich interessiert, auf welcher rechtlichen Grundlage es den Geleitschutz gab.“

Mit Wannen und 2.300 Beamten sicherte die Polizei den rechten Aufmarsch Foto: dpa

Bei der Bewertung des Tages insgesamt kommen Lux und Helm zu unterschiedlichen Ergebnissen. „Ich finde es schwer, da einen Erfolg zu konstruieren“, sagte Helm. Die Strategie der Neonazis habe darauf abgezielt, wieder mal durch die Berliner Innenstadt zu laufen – das haben die Gegendemonstranten nicht verhindern können, auch weil die Gegenprotest zu unkoordiniert gewesen wären.

Lux hingegen sieht den Erfolg von vergangenem Jahr bestätigt, weil die Neonazis wie auch 2017 in Spandau keine Demonstration zu Ehren von Heß abhalten konnten. „Die Zivilgesellschaft hat das Zeichen gesetzt, dass in Spandau kein Gedenken für NS-Verbrecher abgehalten werden können“, so Lux. Den Gegenprotest auf den symbolträchtigen Ort – am Ort des einstigen Kriegsverbrechergefängnisses steht heute ein Supermarkt – zu konzentrieren, sei richtig gewesen.

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