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Vorschlag des GesundheitsministersSpahn will HIV-Pille auf Kassenkosten

CDU-Gesundheitsminister Spahn will die Krankenkassen Medikamente für die HIV-Prophylaxe zahlen lassen. Die Kassen sagen: Kondome reichen.

Diese Pille kann vor eine HIV-Infektion schützen Foto: dpa

Berlin dpa | Krankenversicherte mit erhöhtem HIV-Risiko sollen sich nach dem Willen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) künftig auf Kassenkosten per Medikament vor einer Ansteckung schützen können. Erstattet werden soll die Präexpositionsprophylaxe (PrEP), die laut Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft für Situationen entwickelt wurde, in denen keine klassische Vorbeugung mittels Kondomen oder Enthaltsamkeit möglich sei.

Spahn sagte dem Deutschen Ärzteblatt, er wolle dafür sorgen, dass Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einen gesetzlichen Anspruch auf ärztliche Beratung, Untersuchung und Arzneimittel zur PrEP erhalten.

Die Krankenkassen entgegneten, zur Senkung des Infektionsrisikos seien insbesondere Kondome verfügbar, die der Eigenverantwortung für gesundheitsbewusste Lebensführung zuzurechnen seien, wie Verbandssprecher Florian Lanz dem „Ärzteblatt“ sagte.

Spahn betonte, er wolle auch Aufklärung und Information zu HIV stärken. „Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die HIV-Infektionszahlen durch PrEP deutlich gesenkt werden können“, unterstrich er zugleich.

Lob für den CDU-Minister von der SPD

Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe sprach von einem „Meilenstein“. Spahns Schritt werde viele Infektionen verhindern. Hilde Mattheis, SPD-Berichterstatterin für sexuelle Vielfalt im Gesundheitsausschuss, begrüßte Spahns Ankündigung: „Ich bin froh, dass die Union hier ihre ideologischen Scheuklappen abnimmt und pragmatisch im Sinne der Versicherten Politik machen will.“

Laut Arzneimittelkommission der Ärzte ist die PrEP sinnvoll insbesondere im Bereich der MSM („Männer, die Sex mit Männern haben“) mit häufig wechselnden Partnern sowie in Umfeldern, in denen der Schutz durch Kondome für Frauen nicht ohne Weiteres möglich sei.

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10 Kommentare

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  • "[...]die der Eigenverantwortung für gesundheitsbewusste Lebensführung zuzurechnen seien, wie Verbandssprecher Florian Lanz dem „Ärzteblatt“ sagte."

    Dieser gesamte Bereich der nur dazu dient dass die Krankenkassen nichts für ihn bezahlen müssen gehört abgeschafft.

    Wenn jetzt PrEP über die Krankenkassen verfügbar sein wird (was ich begrüße) weil wir einmal einen Gesundheitsminister haben dem ein Eigeninteresse an hieran unterstellt werden kann, müssen auch orale Verhütungsmittel, Potenzmittel und sonstige kostenintensive diesem Bereich zugerechente Heil und Hilfsmittel endlich wieder in die solidarische Finanzierung einbezogen werden.

    Wieso wieder? Weil das ist u.A. auch ein Resultat der gottverdammten "kranker Mann Europas" Politik Anfang der 00er Jahre. Es gibt ein BSG Urteil das sich mit "Viagra auf Kasse" befasst.

  • Auf dem Feld ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten (sowohl innerhalb der Community), als auch in meist schlecht informierten Redaktionsstuben BTW, auch sich als 'fortschrittlich' begreifenden Blätter.

    Durch aktive Aufklärungsarbeit, Aktivismus im besten Sinne haben aufgeklärte Schwule in den USA, dann GB, seit zwei, drei Jahren auch in der BRD erreicht, dass die monatlichen Kosten der Pillen in Deutschland von 800 Euro auf 50 bis 70 Euro (zwei dt. Generika-Produkte) gedrückt werden könnten.

    Valide Studien aus den Niederlanden zeigen, abgesehen vom Gesundheitsaspekt der nachweislich stark zurückgehenden Neuinfektionen (in schwulen Hochburgen wie San Francisco, New York & London), dass die PrEP ökonomisch viel Sinn macht. Deren Analyseergebniss gingen sogar noch von den vormalig viel höheren PrEP-Kosten aus. Selbst die waren jedoch, wenn man die jährlichen Behandlungskosten von HIV-Positiven gegenüberstellt, signifikant niedriger. PrEP heißt der Versichertengemeinschaft als Ganzes gegenüber eine massive Kostenersparnis.

    Zur weiteren Erläuterung: PrEP ist nicht einfach die Präventionspille allein, sondern ein Gesamtpaket aus ärztlicher Beratung, Betreuung und vierteljährlichen Check-ups (nicht nur HIV sondern auch Hepatitis, Geschlechtskrankheiten (STI).

    Deren frühere Erkennung durch die regelmäßigen Checks führt folglich zu früherer Behandlung (sollten welche nachgewiesen werden), was wiederum zur geringeren Verbreitung nicht erkannter STI führt.

    PrEP wird international als gleichwertige Präventionsstrategie zum Kondomgebrauch und zur dritten Säule (U=U, undetectable = untransmissable aka TASP) "Schutz durch Therapie" angesehen.

    Letztere bedeutet, dass therapierte HIV-Positive mit Viruslast im Blut "unter der Nachweisgrenze" den Virus faktisch NICHT mehr weitergeben KÖNNEN.

    Ist leider bei einem sehr großen Teil der Heteros als auch vielen LGBTIQs immer noch nicht bekannt.

    Safe Sex im 21. Jh. heisst PrEP und/oder Kondom und/oder U=U.

    #prepworks

  • www.google.de/amp/...medikament-100.amp

    Hier ein Arzt zu dem Mittel im Interview.



    Ich würde mir das nicht antun, genau so wenig, wie ich als Frau mit der Pille eine Schwangerschaft verhüten wollte.



    Wie das Mittel funktioniert hab ich nicht verstanden. Es ist wichtig, dies den Leuten, zum Zweck der fundierten Meinungsbildung, zu erklären.

    • @Hampelstielz:

      Die Aussagen des Arztes spiegeln nicht den Stand der Wissenschaft zum Thema Resistenzen wieder. Auch hier ist es stets hilfreich sich vor dem Kommentieren zu etwas , "was ich nicht verstanden habe" erstmal sachkundig zu machen.

      Die weltweit (seit die PrEP seit ca. 6 bis 8 Jahren von Hunderttausenden weltweit angewendet wird) aufgetretenen 2 oder 3 Fälle von Infektionen konnten mit nicht stringenter Einnahmepraxis in Verbindung gebracht werden oder der Beginn der Einnahme war zu einem Zeitpunkt erfolgt als sich gerade ein noch nicht nachweisbarer Virus quasi im Körper versteckt hatte.

      PrEP ist immer mit einem Checks-up-Verfahren verbunden. Auch und gerade vor Beginn, damit sich auch wirklich nichts nach eventueller gerade passierter Infektion verbergen kann.

      Das Kondomargument zählt nicht. Wer bläst schon jemanden mit Gummi drauf? Statistisch gehen die eher mal kaputt übrigens als die Schutzwirkung von PrEP, die bei bis zu 99 Prozent liegt.

      'MSM' ... 'Men who have Sex with men' heißt übrigens, dass die Vorteile der PrEP auch in die Hetero- und Bi-Community reinwirkt. Der Begriff umfasst nämlich die 'heimlichen, versteckten Kerle, die sich abseits der Frau/Freundin oftmals an subkulturellen Orten mal mit Männern vergnügen. Orte, die nicht immer zu den hygienischten gehören.

      Anderer Aspekt. Neueste Studie zu PrEP-Nutzern belegt, dass deren Anwender andere Gesundheitschecks eher in Anspruch nehmen und somit die öffentliche allgemeine Gesundheit stärken.



      Quelle:



      fenwayhealth.org/u...care-study-shows/?

      • @Daniel L:

        Irgendwie hat nicht das Deo....aber der Link oben versagt. Hier nochmal zur Studie:

        "Use of HIV Pre-Exposure Prophylaxis May Increase Use of Primary Care, Study Shows"

        is.gd/4GkuH5

        • @Daniel L:

          www.aidshilfe.de/hiv-prep

          Wie gesagt, ich würde es nicht nehmen.



          Mir ist die Vorstellung Kontakt mit HI-Viren zu haben, die dann im Körper an der Vermehrung gehindert werden, nicht geheuer. Eventuelle Nebenwirkungen und Folgeschäden durch die konstante Einnahme sind auch keine prickelnde Vorstellung.



          Bedenken zu haben ist nicht verkehrt.

          • @Hampelstielz:

            Vollkommen legitim ihre Auffassung.

            PrEP wie alle anderen Vorsorgemaßnahmen erfordern einen informierten, aufgeklärten Nutzer. Für einige passt die eine Strategie, für andere eine weitere.

            Ich habe mich für die anlassbezogene PrEP entschieden. Viele PrEP-User bauen PrEP für eine bestimmte eigene Lebensphase ein, sprich z.B. Singledasein, Sero-Status des festen Partners (bis der in zeitlich absehbarer Zukunft "undetectable" ist, also unter der Nachweisgrenze sein wird und damit anderen nicht mehr infizieren kann).

            Wir werden alle älter und einige oder wahrscheinlich alle setzen PrEP irgendwann mal ab, wenn's ins Altersheim gehen wird ;-)

            HIV-Positive haben alle diese Wahlmöglichkeiten nicht und daher ist unser Ansatz sich dafür aktiv einzusetzen, dass die Neuinfektionsraten nach unten gehen.

            Dass das erfolgreich ist, zeigen die Zahlen aus den schwulen Hochburgen (wobei die Erfolge der "Schutz durch Therapie"/"U=U" mit auf die nach unten gehenden Zahlen einwirken.

            Kondome haben all das in mehr als 30 Jahren "Safer Sex"-Werbung NICHT geschafft.

            PrEP = Safer Sex

            Die weltweiten Forschungsergebnisse und praktischen Erfahrungen machen die PrEP jedoch zu einer hocheffizienten Schutzmaßnahme. Die Statistiken sprechen für sich.

            Leider sind die Rahmenbedingungen weltweit nicht dieselben.

            Gut aufgeklärte, häufig auch finanziell unabhängige User in den kapitalistischen Zentren des Nordens haben eindeutig leichtere Zugangsmöglichkeiten, während potentiell Betroffene in Afrika oder Asien schlechteren Zugang haben.

            Ganz zu schweigen von Russland, wo die ultranationalistische, klerikal-verstockte Repressionspolitik gegenüber Gefährdeten, wie Schwulen oder Drogenkonsumenten dazu führt, dass Sexualaufklärung in den Schulen untersagt wurde oder Schwulen der Zugang zu anonymen HIV-Tests, allgemein der Zugang zu Informationen und Aufklärungsmaterial gesetzlich verweigert wird. Putins Anti-Schwulengesetze haben direkte Konsequenzen: Sie töten Menschen.

  • Die Möglichkeit einer Kostenübernahme ist sicher positiv. Man darf dabei jedoch nicht vergessen, dass es sich um sehr schwere Medikamente handelt, und man sollte sich davor hüten zu jubeln, dass wir Gays jetzt endlich wieder sorglos vögeln können! Natürlich hat die Pharmaindustrie ein Interesse an Kunden, die ohne jede Krankheit für 600,- EUR im Monat Medikamente kaufen! Ich denke, man muss den tatsächlichen Einsatz sehr genau abwägen, ob da wie im Artikel beschrieben, MSM als Indikation ausreicht, wage ich sehr zu bezweifeln, es muss wohl schon noch Vollsuff oder Drogenabhängigkeit dazu kommen. Viele Sexpartner sind keineswegs der Standard oder Wunschtraum aller Gays, daher geht es in der Regel ganz gut ohne PrEP. Ich hoffe, dass keine anderslautende mediale Panik aufgebaut wird, weil es der Industrie nützt. Es ruiniert die Gesundheit unserer Jungs.

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    • @Andi S:

      Schnickschnack. Keine Ahnung, an welche Pillen Sie gerade denken - die hier kosten so um die 50 Euro im Monat.

      Die real-world Zuverlässigkeit von Kondomen ist auch nicht gerade umwerfend, von 10 HIV-Infektionen verhindern sie so ungefähr sieben, drei Infektionen finden trotz konsistenten Kondomgebrauchs statt. PreP ist da deutlich sicherer, bereits alleine und zusammen mit Kondomen sowieso.

      Und der Schutz gegen andere STI ist noch wesentlich geringer - die werden alle per Schmierinfektion übertragen und kennen Sie jemanden, der Oralverkehr mit Gummi hat?

      Last not least, niemand hindert Sie daran, sich eine Lümmeltüte überzuziehen, keine Sorge.