: Werben für die Polizei: die Scouts von Osnabrück
Nehmen wir an, es ist Kulturfest. Was das bedeutet, weiß in Osnabrück jeder: Musik und Folkloretanzgruppen aus fernen Ländern, Perlen werden in Zöpfe geflochten, an den Imbissbuden duftet es nach Exotik. Aber manchmal ist das nicht alles. Manchmal ist da noch dieser Stand in Polizeiblau. Wer ihn sieht, steht Scouts der Polizeidirektion Osnabrück gegenüber – Polizei-Scouts. Meist ist die Verblüffung dann erst mal groß: Nie gehört, dieses Wort. Und das ist verständlich, denn bundesweit gibt es nur eine einzige Gruppe von ihnen.
Die zwei Dutzend ehrenamtlichen Aktivisten in Blau, zwischen 15 und 20 Jahre alt, verstehen sich als Nachwuchswerber. Ihre Mission: der Abbau von Hemmschwellen. Ihre Zielgruppe: junge Migranten. Und das klappt gut. Denn die meisten von ihnen haben selbst einen Migrationshintergrund – afrodeutsche Scouts sind dabei, türkische, portugiesische, bosnische, syrische.
Angefangen hat es mit den Scouts 2014, heute ist schon die zweite Generation im Einsatz. Die Idee hatte Sabina Ide, Dialogbeauftragte der Polizeidirektion Osnabrück: „Sie helfen uns, einen Glaubwürdigkeitskonflikt zu beseitigen. Viele Jugendliche mit migrantischem Hintergrund sehen die Polizei ja als Gegner, als Repressalienorgan, sich selbst als marginalisiert. Viele jugendliche Migranten bezweifeln auch, ob die Polizei sie wirklich will.“
Eine der zentralen Botschaften der Scouts ist daher: Wer zur Polizei will, braucht nicht die deutsche Staatsangehörigkeit zu haben.
Fast alle Scouts sind Muslime. Das macht ihre Arbeit derzeit natürlich nicht leichter. Adem Keskin ist es auf seinen Scout-Einsätzen jedoch bisher „eher selten“ passiert, dass die Islam-Debatte zu Fragen führte: „Eigentlich ist sie noch nicht so zu uns vorgedrungen.“ Aber er macht sich trotzdem oft Gedanken, wie er am besten reagiert, wenn die Rede dann doch mal drauf kommt, ob der Islam denn nun zu Deutschland gehöre oder nicht, wie er zum Salafismus steht, zum IS, zu Muslimen bei der Polizei. „Privat muss ich mich derzeit unausgesetzt rechtfertigen. Was ich von der politischen Lage in der Türkei halte, ob ich auch so denke wie Erdoğan. Das kann schon ziemlich nerven.“
Auch bei den Fortbildungen der Scouts wird über Themen wie diese gesprochen. Allerdings eher am Rande, nicht als Schulung. „Ich weiß nicht, wie all das weitergeht“, sagt Keskin, „mit all diesen Gräben, all dieser Verhärtung“, und man spürt, wie sehr ihn das beschäftigt. „Ich fürchte, viele Menschen lassen sich zu leicht manipulieren, denken nicht selbstständig nach.“ Seine Tätigkeit als Scout, das weiß er, ist jetzt doppelt wichtig: „Wir müssen im Dialog bleiben. Jetzt erst recht.“
Nursenem Yasatemur, die nächstes Jahr in den Polizeidienst will, zum Studium an die Akademie nach Oldenburg, sieht das genauso. „Es gibt nichts Schöneres als Multikulti! Warum können wir uns denn nicht alle gegenseitig respektieren? Warum denken so viele so hasserfüllt?“ Auch sie hat auf ihren Einsätzen noch keine Islamdebatte führen müssen. Aber schwierige Augenblicke gibt es schon. „Dieses Mädchen zum Beispiel, das wollte unbedingt zur Polizei. Aber sie trug Kopftuch. Da musste ich ihr natürlich sagen, dass sich das ausschließt. Ist doch ungerecht, sagte sie. Was sollte ich da sagen? Das fühlte sich dann ein bisschen so an, als hätte ich mich selbst verraten …“
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