: Wenn der Haushalt zur Nebensache wird
Der Streit über die Asyl- und Migrationspolitik der Bundesregierung dominiert auch die Haushaltsdebatte im Bundestag. Merkel pariert gelassen Attacken der rechten Opposition
Aus Berlin Anja Maier
Man nimmt es medial kaum wahr, tatsächlich aber ist im Bundestag Haushaltswoche. Es geht also um das Geld der BürgerInnen und dessen Verwendung. Bei der Generalaussprache hat traditionell zuerst die Opposition das Wort. Erst danach spricht die Regierungschefin.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel nutzt diese Gelegenheit für einen Frontalangriff auf Angela Merkel. Sie fordert die Kanzlerin zum Rücktritt auf und wirft ihr vor, „eigentlich schon gescheitert“ zu sein. Mit Zahlen oder Fakten belegt die promovierte Volkswirtschaftlerin ihren Befund nicht, sie operiert lieber mit Ressentiments gegen Zuwanderer, „steuerfinanzierte Sozialpädagogen und Gender-ProfessorXe“. Nach jedem dritten Satz applaudiert brav Weidels Fraktion. Lassen die Parteifreunde nach, wird Weidels Ton schneidiger. Derweil blättert Merkel in ihren Papieren.
Als die Kanzlerin ans Pult tritt, schreitet sie in gewohnt gründlicher Weise die Politikfelder ab. „Diese Bundesregierung arbeitet. Sie ist sich bewusst, dass sie viel zu tun hat. Sie wird die gesellschaftlichen Fragen so versuchen zu lösen, dass es zu einem besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft kommt“, sagt Merkel. Als sie die migrationspolitischen Ergebnisse des EU-Gipfels vorträgt, weicht sie nicht von ihrer Linie ab. Migration sei die Schicksalsfrage Europas. Zurückweisungen an der Grenze ja, aber nicht im nationalen Alleingang, nicht unabgestimmt und nicht zulasten Dritter.
Währenddessen plaudert FDP-Chef Christian Lindner munter mit seinem parlamentarischen Geschäftsführer. Als dann aber die Reihe an ihm ist, zeigt sich Lindner gut vorbereitet. Mit griffigen Sprachbildern mäkelt der Liberale am Haushalt herum. Und er stichelt, im Bundeskanzleramt würde über den Innenminister gelacht, der nun Abkommen aushandeln müsse, die die Kanzlerin nicht zuwege gebracht habe. Aber Lindner zeigt sich auch konstruktiv in der Migrationspolitik. „Lassen Sie uns parteiübergreifend das Problem lösen“, schlägt er vor.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles versucht es mit Pragmatismus. Diese Koalition sei besser als ihr Ruf, sagt sie. Parität bei den Kassenbeiträgen, Rückkehrrecht aus der Teilzeitarbeit, das absehbare Kooperationsverbot bei der Bildung – „das war eigentlich kein schlechter Start“. Aber nun stottere der Regierungsmotor. Trotzdem sehe sie „keinen Grund, in der Flüchtlingspolitik einen anderen Regierungsstil zu pflegen als bei allen anderen Themen“. Für die SPD habe sich keine neue Sachlage ergeben. Nahles fordert „wirklich dringend“ ein Einwanderungsgesetz.
Am Nachmittag dann meldet sich noch einmal die Kanzlerin in der ARD zu Wort. In den umstrittenen Transitzentren nahe der österreichischen Grenze sollen nach Plänen der Union Flüchtlinge bis zu 48 Stunden unter polizeilicher Aufsicht festgehalten werden können. Innerhalb dieser Zeit „muss dann die Überstellung in das andere Land erfolgt sein“, erläuterte Merkel. „Danach müssten solche Personen, wenn das jetzt nicht gelänge, in eine normale Aufnahmeeinrichtung.“
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