Haltung gegenüber Andersgläubigen: Die Nächstenliebe der Gottlosen

Forscher haben untersucht, wie Christen und Konfessionslose zu Einwanderern, Juden und Muslimen stehen. Das Ergebnis ist bemerkenswert.

Großes Kreuz vor zahlreichen Gläubigen

So mancher Christ liegt mit der Toleranz Andersgläubiger über Kreuz Foto: dpa

BERLIN taz | Unter den Christen in Deutschland und Westeuropa ist die Ablehnung von Juden, Muslimen und Migranten weiter verbreitet als unter Konfessionslosen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts PEW. Demzufolge sagen Christen eher als Konfessionslose, dass sie keine Juden in ihrer Familie akzeptieren würden. Sie stimmen auch eher der Aussage zu, dass Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika „nicht ehrlich sind oder hart arbeiten“. Und sie glauben auch eher, dass der Islam nicht mit den Werten ihres Landes vereinbar sei.

Konkret sagen in Deutschland zum Beispiel 55 Prozent der praktizierenden Christen (solche, die mindestens einmal im Monat in die Kirche gehen), dass der Islam nicht zu den nationalen Werten passe. Unter Konfessionslosen liegt der Wert nur bei 32 Prozent, unter nicht praktizierenden Christen (solche, die selten oder gar nicht in die Kirche gehen) bei 45 Prozent. In Westeuropa liegen die Mittelwerte in einem ähnlichen Bereich: von ebenfalls 32 Prozent bei den Konfessionslosen bis zu 55 Prozent bei den praktizierenden Christen.

Für die Studie haben die Meinungsforscher im Jahr 2017 Menschen in 15 westeuropäischen Ländern befragt. Sie ist Teil einer Studienreihe, in der das Institut religiöse Identitäten und deren Wandel auf der ganzen Welt untersucht. Neben politischen Einstellungen fragten die Wissenschaftler unter anderem ab, wie die Menschen ihren Glauben leben oder wie sie sich Gott vorstellen.

In ihrem Bericht, den sie am Mittwoch veröffentlichen, warnen die Wissenschaftler davor, die Ergebnisse zu verallgemeinern: Nicht alle Christen würden Migranten oder religiöse Minderheiten ablehnen. In vielen Ländern würde sogar nur eine Minderheit der befragten Christen abwertenden Aussagen zustimmen. Der Anteil sei unter Christen aber eben höher als unter Konfessionslosen – selbst wenn man Faktoren wie das höhere Durchschnittsalter praktizierender Christen herausrechne.

Ausnahme Skandinavien

In einzelnen Ländern oder bei bestimmten Fragen sieht das Verhältnis auch anders aus: So fordern Christen europaweit zwar eher als Konfessionslose, dass weniger Ausländer in ihr Land kommen sollen. In den meisten skandinavischen Ländern ist es aber andersherum. In Deutschland wiederum reichen die Zustimmungswerte zu der Forderung von 48 Prozent bei praktizierenden Christen über 36 Prozent bei Konfessionslosen bis zu nur 35 Prozent bei nicht praktizierenden Christen.

Auch bei einigen anderen Fragen liegen die letzten beiden Gruppen nahe beieinander. Anders als bei den regelmäßigen Kirchgängern ist zum Beispiel bei beiden die Akzeptanz für legale Abtreibungen und die Ehe für alle relativ hoch (in Deutschland jeweils zwischen 82 und 86 Prozent, im westeuropäischen Mittelwert zwischen 80 und 87 Prozent).

Den Forschern zufolge haben aber auch andere Faktoren einen hohen Einfluss auf die Einstellung zu den beiden Themen. So steige die Akzeptanz zum Beispiel mit dem Bildungsgrad. Gleichgeschlechtlichen Ehen stimmten Frauen eher als Männer zu. Bei der Frage nach Abtreibungen gebe es dagegen zwischen den Geschlechtern keine großen Unterschiede.

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