Zwei Bundesliga-Klubs ohne Plan: Es gibt ein Trainerproblem

Borussia Dortmund kommt nach einem Jahr mit vielen Querelen nicht zur Ruhe. Bayern pflegt eine fahrlässige Rückwärtsgewandtheit.

Porträt Peter Stöger - mit Baseballcap vor der Trainerbank

Unsichere Zukunft: Dortmunds Trainer Peter Stöger macht sich so seine Gedanken Foto: reuters

DORTMUND taz | Am 11. April jährt sich der Tag des Anschlags auf das Leben von Fußballprofis. Mehrere Spieler von Borussia Dortmund sagten im Prozess schon aus, dass sie noch immer an den Folgen leiden. Dass der Anschlag, bei aller individuell unterschiedlichen Verarbeitung, ein Jahr danach noch leistungshemmend wirken kann, leuchtet ein.

Der BVB tritt am 28. Spieltag der Bundesliga mit 18 Punkten Rückstand auf den FC Bayern an, obwohl er nach dem siebten Spieltag noch fünf Punkte Vorsprung vor den Münchnern hatte. Nach den Gründen für den krassen Abfall nach dem glänzenden Start unter dem damaligen Trainer Peter Bosz ist zigmal gefragt worden. Der aktuelle Trainer Peter Stöger sagt dazu: „Es ist eine schwierige Saison. Es ist viel passiert, es hat sich viel getan.“

Die Folgen des Anschlags, der sture Bosz, der auch nach Intervention der Vorgesetzten noch an seiner hochriskanten Idee von Fußball festhielt, die Trennung von dem Niederländer, die internen Querelen in der Mannschaft, die Sportdirektor Michael Zorc bei der Vorstellung von Stöger im Dezember sogar öffentlich zugab, der Trubel um Pierre-Emerick Aubameyang, der seinen Wechsel im Winter mit einem Streik forcierte – das ist alles passiert, und vermutlich fehlen noch einige Aspekte. Ein solcher Verein, der mal zur Ruhe kommen müsste, veranstaltet dann in der Bundesligapause, in der niemand aus Dortmund zur A-Nationalmannschaft eingeladen war, einen lange verabredeten PR-Zirkus mit Usain Bolt.

Stöger moderierte auch diese Nummer mit seinem Wiener Charme weg. Er holte 26 Punkte aus seinen zwölf Bundesligaspielen mit den Dortmundern. Die Zahlen stimmen, die Chance, sich erneut für die Champions League zu qualifizieren, ist da. Für den Moment ist Stöger der richtige Trainer, aber die Zweifel, ob er das auch für die Zukunft ist, gibt es in Dortmund.

Zu viel Durchschnitt

Im ehemaligen Westfalenstadion erlebten die Fans des BVB ein Jahrzehnt des attraktiven Fußballs, der mit Tempo, Finesse, Leidenschaft und Klasse unterhielt. Den Anspruch, die heftige Delle seit Oktober 2017 nur als Episode zu beschreiben, werden sie in der Geschäftsstelle des Klubs noch haben. Sie wollen auch die zweite Kraft in Deutschland hinter den Bayern bleiben. Die wirtschaftlichen Kennzahlen deuten darauf hin, dass dies gelingen wird. Die Tabelle aber sollte das auch abbilden.

Stögers Vertrag gilt nur bis zum Ende der Saison. Ihm bleiben also noch sieben Spiele Zeit, um die Mannschaft an Schalke 04 vorbeizuführen, mindestens aber den vierten Platz zu belegen, der viele Millionen Euro Einnahmen in der Champions League garantiert. Außerdem sollte er die Vorgesetzten überzeugen, dass auch er eine Mannschaft anleiten kann, die mit Tempo, Finesse, Leidenschaft und Klasse unterhält.

Das ist mit dem aktuellen Kader so schwierig, wie sich vor Donald Trumps irren Tweets zu schützen. Die Offensive ist weiter sehr gut besetzt, aber dahinter stehen durchschnittliche Spieler – oder solche, die mal deutlich besser waren. Zu dieser Gruppe gehören Marcel Schmelzer und Nuri Sahin. Sie gelten zwar noch als Wortführer, aber haben aufgrund ihrer sportlichen Leistungen größte Schwierigkeiten, Gehör zu finden.

Seit der BVB auch Mats Hummels an Bayern verlor, fehlt der Profi, der die anderen dank ­seiner natürlichen Autorität leitet. Das Problem, so sagen die Verantwortlichen, sei erkannt, ein größerer Personaltausch stehe für den Sommer an. Wichtig ist jedoch, einen zentralen Stürmer zu finden oder halt den derzeit von Chelsea aus­geliehenen Michy Batshuayi für viel Geld zu ­kaufen.

Die Planungen dürften derzeit ohne Absprache mit dem Trainer vorgenommen werden, denn wer dies werden wird, ist offen. Stöger hat die Chance, die Qualifikation sportlich zu schaffen. Eine andere: Lucien Favre (noch Nizza) und Niko Kovac (Frankfurt) – aber die sind nur schwer zu haben. Der BVB konkurriert um deren Gunst mit den Bayern. Das könnte heute in München ein größeres Thema werden.

Marcus Barc

Warum nicht wieder van Gaal?

Soll noch einer sagen, beim FC Bayern hätten sie keine Ahnung, wie es bald ohne den Jupp weitergehen soll. Von wegen: In Sachen Zukunft ist beim Rekordmeister aber alles so was von geritzt! Beispiel? 25.000 Sitzschalen werden nach der Saison in der Al­lianz-Arena ausgetauscht, damit dort der Vereinsname, das Mantra des Klubs („Mia san mia“) sowie das Wappen zu sehen sind, und zwar in den Vereinsfarben Rot-Weiß statt in neutralem Mausgrau, damals der Kompromiss mit dem Ex-Mitbesitzer TSV 1860.

Schon bei der Jahreshauptversammlung im November hatte man die Varianten mehr Rot, sehr rot oder rundum Rot ausgiebig diskutiert, jedenfalls länger als diese doofe Trainerfrage. Auch das Sicherheitskonzept, der Nichtraucherschutz und ein Mehrwegsystem für Getränkebecher im Stadion waren Themen. Kommt jetzt alles, keine Sorge. War sonst noch was? Nö, du.

Der FC Bayern steht wirtschaftlich prima da: 640 Millionen Euro Umsatz, 39 Millionen Gewinn, 445 Millionen Eigenkapital, mehr als 290.000 Mitglieder, über 4.300 Fanclubs usw. Was den Sport angeht, wird es gerade erst interessant. Bedenklich ist die Formkrise der Führungsetage.

Seit Monaten kämpfen Hoeneß und Rummenigge einen längst verlorenen Kampf um Jupp Heynckes, tönen „Es gibt keinen Plan B“, stempeln die übrigen Trainer dieser Welt als 1b-Lösung ab und wundern sich, dass gefragte Übungsleiter wie Tuchel irgendwann doch woanders unterschreiben. Ribéry und Robben hängen mit auslaufenden Verträgen bildlich gesprochen in der Luft, Lewandowski will zu Real Madrid, Kaderplaner Reschke ist geflüchtet (nach Stuttgart!), Lahm verprellt, und von einem neuen Trainer ist Bayern weiter weg als der HSV vom Klassenerhalt.

Problem der Machtabgabe

Die geradezu fahrlässige Rückwärtsgewandtheit gipfelt darin, dass sich der Präsident über die Jungtrainer und deren pseudowissenschaftliches Gerede von Doppelsechs, Umschaltspiel und anderen Grundbegriffen des modernen Fußballs lustig macht: „Das wirkliche Spiel ist auf dem Platz. Die Tore sind immer noch 7,32 Meter breit, und da muss er rein!“ Du meine Güte.

Die Münchner Abendzeitung suchte unlängst bei einem Philosophen Rat und fand Wolfram Eilenberger. Der hat gerade sein Traktat „Zeit der Zauberer“ veröffentlicht, meint damit Heidegger, Wittgenstein & Co., kennt sich aber als B-Schein-Inhaber, bekennender Fußballjunkie („Würde auch Zweite mexikanische Liga schauen“) und Bayern-Fan („An Rummenigge habe ich meinen ersten Fanbrief geschrieben“) auch mit den Roten aus. Das Urteil über seinen Lieblingsklub fällt verheerend aus: „Hoeneß steht in einer merkelartigen Anforderung, wollte oder konnte seinen Generalsekretär noch nicht benennen. Er muss seine Nachfolge regeln, hat schon mal den Zeitpunkt verpasst.

Die Berufung von Salihamidzic zeigt das auch: Er ist nicht willens, einen Nachfolger aufzubauen, der ihm auch nur annähernd gewachsen wäre.“ Besserung sei nicht in Sicht: „Der Druck wird in den nächsten Jahren stark steigen, weil Hoeneß zwar für die Gegenwart und eine große Vergangenheit steht, aber doch nicht plausibel für die Zukunft des Vereins. Hoeneß sollte sehen, dass das, was er jetzt tut, eine Laufzeit von maximal fünf Jahren hat und dass man konzentriert darüber nachdenken muss, wie der Verein nach der Hoeneß-Ära aussehen wird. Er wäre nicht der erste leitende Mensch, der den Willen nicht findet, die Macht abzugeben. Ein gängiges Problem, das er wohl selbst gut kennt. Ich hoffe, dass er Menschen hat, die ihm dies klar vor Augen führen.“ Ein frommer Wunsch.

Große Hoffnungen setzen die Bosse ins neue Nachwuchsleistungszentrum, den „FC Bayern Campus“: 30 Hektar, acht Spielfelder, Rasenheizung, Arztpraxis, Mensa, Unterkunft für 35 Jungkicker. Doch die A-Jugend wurde zuletzt 2004 deutscher Meister, die U23 dümpelt seit Jahren in der Regionalliga rum. Der Letzte, der es von dort zu den Profis schaffte, war David Alaba – vor acht Jahren, unter einem gewissen Louis van Gaal. Der wäre doch mal wieder was für die Bayern!

Thomas Becker

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