Aktionstage gegen Verdrängung: Street-Art gegen Platzmangel
Stühle stapeln auf dem Radweg: Im Kreuzberger Wrangelkiez nehmen sich Schüler mit einer Installation den Raum, der ihnen verloren geht.
Oft ist es ja so: Da verschwindet mal wieder irgendwo im Kiez ein Jugendtreff oder ein Kinderladen, weil der Mietvertrag nur zu einem empfindlich höheren monatlichen Abschlag verlängert worden wäre. Meist fällt einem das dann auf, wenn Jugendtreff/Kita/Kiezladen bereits vom nächsten Café/Klamottenladen/Temporary Showroom für was auch immer verdrängt wurden: „Ach guck mal, war da nicht immer so’n Jugendtreff?!“
Insofern war diese Art Pyramide aus auf- und ineinander gestapelten und mit Klebeband und Kabelbindern fixierten Stühlen, die Kreuzberger SchülerInnen am Montag mitten auf dem Radweg vor einer ehemaligen Grundschule am Görlitzer Park errichteten, ein deutliches Zeichen: Da hatten sich die Erst- bis DrittklässlerInnen der nahen Fichtelgebirge-Grundschule und der Rosa-Parks-Grundschule einfach mal den Raum genommen, der ihnen sonst zunehmend fehlt.
Bis zur Großdemo gegen steigende Mieten am Samstag auf dem Potsdamer Platz, für die gerade alle mieten- und stadtpolitischen Initiativen Berlins trommeln, soll diese wacklige Angelegenheit Radfahrer zum Ausweichmanöver zwingen. Bizim Kiez, die Kreuzberger Nachbarschaftsinitiative gegen Verdrängung, und das Bildungsnetzwerk „Wrangelkiez macht Schule“ stecken hinter dieser hübschen politischen Protestaktion.
Natürlich mussten es dabei die GrundschülerInnen aus dem Kiez sein, die das Mobiliar heranschleppten: Wie überall in der Stadt herrscht auch im Wrangelkiez in den Schulen akuter Raumnotstand. In der Fichtelgebirge-Grundschule, erklärt die Schulleitung am Rand der Kunstaktion, fehlten mindestens fünf Räume, um all die schönen pädagogischen Konzepte – das jahrgangsübergreifende Lernen, eine gute Nachmittagsbetreuung – sinnvoll umsetzen zu können.
Im Hort drängten sich bis zu 40 Kinder in Räumen, die für maximal 30 angelegt sind. Den anderen vier Grundschulen im Kiez geht es ähnlich – aber weil die Lage im benachbarten Friedrichshain noch dramatischer ist, fließen alle Mittel aus dem milliardenschweren Schulneubauprogramm zunächst dorthin.
Nun könnte der Bezirk eben jenes backsteinerne Gebäude gut gebrauchen, vor dem die SchülerInnen am Montagmittag ihre Skulptur errichten: Die ehemalige Kurt-Held-Grundschule wurde 2007 geschlossen, damals sanken die Schülerzahlen in Berlin. Das Gebäude wechselte in den landeseigenen Liegenschaftsfonds, dort kaufte es ein privater Investor und machte ein Modeschule auf. An ein bezirkliches Rückkaufrecht dachte damals niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“