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Massenproteste in Gaza angekündigtIsraelis sollen aus Israel abziehen

70 Jahre nach der Staatsgründung Israels mobilisiert die Hamas im Gazastreifen zum „Großen Marsch der Rückkehr“. Israel ist in Alarmbereitschaft.

So dicht wie möglich an der Grenze wollen die Demonstranten palästinensische Flaggen hissen Foto: reuters

Jerusalem taz | Bei Israels Sicherheitskräften herrscht erhöhte Alarmbereitschaft: Die radikalislamische Hamas ruft im Gazastreifen zum „Großen Marsch der Rückkehr“ der 1948 vertriebenen Palästinenser auf. Der ausdrücklich „friedliche Protest“, wie es auf der Webseite der Hamas heißt, beginnt am Freitag, am „Tag der Erde“, und soll mindestens bis zum „Nakba-Tag“ am 15. Mai, der für den Beginn der palästinensischen Flüchtlingskatastrophe steht, andauern.

Geplant ist die Errichtung einer Zeltstadt entlang der Grenzanlagen. Dabei soll auf einen Sicherheitsabstand von 700 Metern geachtet werden, um die Demonstranten, darunter auch Frauen, Kinder und ältere Leute, nicht zu gefährden. Israelische Militärexperten fürchten dennoch, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen könnte.

Der „Große Marsch der Rückkehr“ findet 70 Jahre nach Gründung des Staates Israel und damit dem Beginn des Flüchtlingsproblems statt. Für die Hamas ist das ein willkommener Anlass, die palästinensischen Reihen im Kampf gegen die Zionisten zu vereinen und gleichzeitig von den wachsenden wirtschaftlichen Problemen im Gazastreifen abzulenken.

Dort droht der islamistischen Führung der Bankrott. Nachdem US-Präsident Donald Trump der von der UN finanzierten palästinensischen Flüchtlingshilfe UNRWA die Zuwendungen kürzte, drohte nun auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas der Hamas mit „finanziellen Maßnahmen“, was im Gazastreifen große Verunsicherung auslöste. Abbas zerschlage „die Einheit unseres Volkes,“ kommentierte die Hamas.

Problematisches Ziel

Der „Große Marsch der Rückkehr“ ist explizit parteiübergreifend. „So dicht wie möglich an den Heimatorten, aus denen sie vertrieben wurden“, sollen sich die Demonstranten versammeln, palästinensische Flaggen und Spruchbänder hissen mit „humanitären Botschaften jeweils auf Arabisch, Hebräisch und Englisch“, meint Chalil al-Haja, Mitglied des Politbüros der Hamas. Problematisch ist das Ziel: „Wir fordern die Besatzung auf, unser Land zu verlassen und uns dorthin zurückkehren zu lassen und in Frieden und Sicherheit zu leben.“

Sicherheitsapparat Israels will so weit wie möglich zivile Todesfälle vermeiden

Aus dem Gazastreifen sind die Besatzungstruppen schon vor knapp 13 Jahren abgezogen. Aus Sicht der Hamas endet die Besatzung indes erst mit dem Abzug der Israelis aus Israel. So erinnert der „Tag der Erde“ an Landenteignungen im israelischen Galiläa und Proteste im Jahr 1976, bei denen sechs israelische Araber ums Leben kamen. „Es ist unser natürliches, humanitäres und politisches Recht“, in die Heimat zurückzukehren, meint al-Haja. Das Rückkehrrecht gehörte stets zu den Kernpunkten früherer Friedensverhandlungen.

Israels Sicherheitsapparat rechnet mit breiter Beteiligung bei den Kundgebungen und rüstet sich für eventuelle Versuche, die Grenzanlagen zu durchdringen. Grenzpolizei und Armee, darunter Scharfschützen und Sondereinheiten zur Auflösung von gewaltsamen Demonstrationen, sind aufgerufen, „so weit wie möglich zivile Todesfälle zu vermeiden“, schreibt Amos Harel, Militärkorrespondent der liberalen Ha’aretz.

Mit Handgranaten und Messer

Mit Tränengas beladene Drohnen stehen bereit, außerdem gelte die Order, zunächst in die Luft und dann auf die Beine zu schießen, sollte der Versuch unternommen werden, die Grenzanlagen zu überqueren. Harel spekuliert, dass es bei dem Versuch eines „massenhaften Grenzdurchbruchs“ zu „Dutzenden, wenn nicht Hunderten verletzten Palästinensern“ kommen könnte.

Dass die Soldaten nervös sind, signalisiert ein Fehlalarm, der am Sonntag den Abschuss von rund einem Dutzend Abwehrraketen auslöste. Umgekehrt verpassten die Grenzschützer zweimal innerhalb von wenigen Tagen mehrere Palästinenser, die sich durch die Trennanlagen nach Israel schlichen. Drei Männer, die Handgranaten und Messer bei sich trugen, wurden festgenommen. Die Palästinenser waren bereits 20 Kilometer weit auf israelisches Gebiet vorgedrungen.

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12 Kommentare

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  • Die israelische Seite hat am "Tag der Rückkehr" 1400 Palästinenser verletzt und 16 getötet. "Soweit wie möglich zivile Todesfälle zu vermeiden" - dieser Euphemismus wurde nicht eingehalten.

  • Ich hätte mich gefreut, wenn die Autorin das Wort "radikalislamisch" nicht vor "Hamas" gesetzt hätte. Dadurch beschreibt sie ihre Parteilichkeit. Der Hinweis: "so weit wie möglich zivile Todesfälle zu vermeiden" unterstreicht das auch (whitewashing - Israel gut, Hamas böse). Das Kaprizieren auf die Hamas ist m. E. klassische Israelpropaganda. In der West Bank spielt die Hamas nämlich keine Rolle, und dort steht die inhumane Übergriffigkeit seitens des israelischen Staates ebenfalls auf der Tagesordnung. Wenn auch die Forderung oder der Wunsch der Hamas u. a., die Israelis sollen das Land verlassen, unrealistisch, wenig zielführend aber nachvollziehbar ist, gibt es auf der israelischen Seite auch keinen Friedenswunsch, der die Palästinenser integriert. Für Parteilichkeit gibt es keinen Anlass.

  • Fall mal jemand nach einem erstklassigen Beispiel für zielgerichtet relativierende oder verharmlosende Formulierungen sucht - hier ist eins:

    " ... 70 Jahre nach Gründung des Staates Israel und damit dem Beginn des Flüchtlingsproblems ..."

  • Israel unter Druck.

    Die politische Führung in Tel Aviv wird sich nun erstmals erklären müssen.

    Gut so.

  • So wie ich es sehe wollen beide Seiten Frieden haben aber sie machen recht wenig um ihn zu erlangen. Und so geht das Gerangel dort weiter, wer weiß bis wann.

  • Was immer gerne unter den Tisch gekehrt wird seitens der muslimischen Araber dort:

     

    Die Israelis haben damals das Land oftmals erworben und die Araber welche es verkauften dachten sie hätten den Reibach ihres Leben gemacht für ein Stück Wüste soviel zu bekommen.

     

    Aber die Israelis entwickelten das Land und machten es fruchtbar und siehe da es kam Neid auf.

     

    Ebenfalls wird gerne unter den Tisch gekehrt das es die Araber bzw muslimischen Araber waren welche die 2 Staatenlösung der UN 1948 ablehnten.

    Es waren nicht die Israelis dich sich dem verweigerten.

     

    Und last but not least: Gibt es dann eigentlich auch ein "Rückkehrrecht" für die 800.000 Juden welche aus den arabischen Staaten wie dem Irak, dem Jemen oder Marokko verrieben wurden?

     

    Dürfen die dann auch zurückkehren oder gilt sowas nur für muslimische Araber?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Gunter Gabriel:

      Die meisten der vertriebenen Juden sind nach Israel eingewandert und wurden dort integriert.

       

      Im Gegensatz dazu, die vertriebenen Palästinenser. Sie fristen ihr Leben ihr Lagern in den arabischen Staaten, werden nicht integriert, sondern von der UNWRA am Leben gehalten und sind somit ein jederzeit einsetzbares Faustpfand.

       

      Der Flüchtlingsstatus wird verstetigt, damit die Frage immer offen bleibt und aus Sicht der Palästinenser und der meisten arabischen Staaten nur so gelöst werden kann, wie in dem Artikel beschrieben.

       

      Die Palästinenser wollen nur dann einen Staat, wenn er ganz Israel beinhaltet. Ohne Juden natürlich.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        JA, zu recht. Es ist ja auch das Land der Palästinenser! Warum sollten Sie es aufgeben? Weil der Westen sich so auf Kosten anderer von der Schuld der Pogrome, die es ja nicht nur in Deutschland gab, reinwaschen zu versucht?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    „Wir fordern die Besatzung auf, unser Land zu verlassen und uns dorthin zurückkehren zu lassen und in Frieden und Sicherheit zu leben.“

     

    Immerhin sagen sie, worum es ihnen geht. Israel zu zerstören.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Und ganz nebenbei geht es auch um den Wunsch ohne Unterdrückung und Not zu leben, ohne Checkpoints, Razzien und Feuerüberfälle. Die madigen, unzivilisierten Palästinenser sollen sich mal nicht so haben und eigentlich froh darüber sein, nun unter den Fittichen von Europäern zu stehen. Weiterhin wissen wir, dass sie dumm, tierhaft und zu keinem tieferen Empfinden fähig sind. Gut sind nur die Auserwählten Lieblinge Gottes.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Hampelstielz:

        Ich denke die Unterdrückung durch die islamistische Hamas-Dikatur ist schlimmer als die durch Israel.

        https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/palaestina

         

        Aber ich nehme mal an, dafür trägt auch Israel die Schudl.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          1.Annahme ist falsch , mit der 2. haben Sie einmal Recht. Gratuliere , so schnell hat`s noch nie einer kapiert.