Islamfeindliche Übergriffe: Von „scheiß Mussel“ bis „Ungeziefer“
In Bremen gab es einen Anschlag auf die Fatih-Moschee, die schon 2017 geschändet wurde. Doch die Dunkelziffer bei islamfeindlichen Delikten ist hoch.
Berlin taz | Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) hat den islamfeindlichen Farbanschlag am vergangenen Wochenende auf die Fatih-Moschee im Westen der Hansestadt scharf verurteilt. „Die Täter werden ihr Ziel, Unruhe und Zwietracht in unsere Gesellschaft zu säen, auch dieses Mal nicht erreichen“, sagte Sieling am Montag. Unbekannte hatten in der Nacht zum Sonntag in schwarzer und roter Farbe Schmähschriften an die Eingangstür und die Gebäudefront der Moschee gesprüht. Dort stand unter anderem „scheiß Mussel“ und „Joker was here“ geschrieben.
Es ist das zweite Mal binnen sechs Monaten, dass das Moscheegebäude der Islamischen Föderation Bremen mit feindseligen Parolen beschmiert worden ist. Der Vorsitzende der Fatih Moschee Bremen, Zekai Gümüş, spricht von einer „ähnlichen Handschrift“. Die Gemeinde meldete den Vorfall der Polizei, ein Täter konnte nicht ermittelt werden. „Es ist schon schlimm genug, binnen kürzester Zeit zweimal Ziel eines islamfeindlichen Angriffs zu werden“, sagt Gümüş zum ausbleibenden Ermittlungserfolg. Weitaus schlimmer sei jedoch die Vorstellung, dass dadurch möglicherweise dieselben Islamfeinde dazu ermuntert wurden, „einen weiteren Anschlag auf unsere Gemeinde“ zu verüben.
In der Tat bleiben die allermeisten islamfeindlichen Delikte ungestraft. Bei den 60 Angriffen auf Moscheen, die die Polizei im Jahr 2017 registriert hat, ermittelte die Polizei gerade mal 31 Tatverdächtige.
Dabei gehen Islamverbände wie der Zentralrat der Muslime (ZDM) von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Zahlen, die Ulrich Paffrath an der Ditib-Akademie erhebt, bestätigen dies. Seit 2014 wertet der Wissenschaftliche Mitarbeiter für den hierzulande größten islamischen Dachverband Ditib Angriffe auf Moscheen aus. Paffrath durchforstet Zeitungen und nimmt Meldungen der rund 900 Ditib- sowie anderer Moscheegemeinden entgegen und gleicht sie mit der Polizeistatistik ab.
„Gewaltpotenzial ist erkennbar gestiegen“
Sein Befund: Die Angriffe auf Moscheen steigen nicht nur: Waren es 2014 noch 72, zählte die Ditib-Akademie 2016 schon 115 Angriffe. Vergangenes Jahr waren es 113 – fast doppelt so viele wie die 60 Attacken, die die Polizeibehörden registrierten. „Wie viele Angriffe die Gemeinden melden, wissen wir nicht“, sagt Paffrath der taz. „Vor allem Drohbriefe werden oft nicht zur Anzeige gebracht.“ Und das, obwohl da ein gestiegenes Gewaltpotenzial erkennbar sei. „Zum Teil ist da von ,islamischem Ungeziefer' oder von ,Parasiten im deutschen Volkskörper‘ die Rede“, so Paffrath.
Wie auch die Linkspartei, die seit Jahren Angriffe auf Moscheen beim Innenministerium abfragt, erkennt auch Paffrath einen Zusammenhang zwischen dem Aufstieg der AfD in den Bundestag und der Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft. „Der rechtspopulistische Diskurs scheint das Tatverhalten zu beeinflussen.“
„Die Täter werden ihr Ziel auch dieses Mal nicht erreichen“
Dass das Innenministerium erstmals seit 2017 islamfeindliche Delikte gesondert erfasst, begrüßt der Ditib-Verband. Insgesamt zählten Polizeibehörden vergangenes Jahr 950 islamfeindliche Straftaten – mit wohl hoher Dunkelziffer.
Leser*innenkommentare
Baidarka
Man muss sich einmal vorstellen eine christliche Gruppe baut in einem vorwiegend islamisch geprägten and eine Kirche und nennt sie Papst Urban Kirche. Ich würde mich nicht wundern, das dies bei den Muslimen, die schon länger dort leben, auf Unmut stoßen würde.
Kreuzbergerin
@Baidarka Muss man sich nicht vorstellen... und weißte auch was da passiert? Nix, deswegen weißt du auch nix davon... //http://www.greatistanbul.com/church.html
Baidarka
Ich habe mir die von Ihnen verlinkte Seite mit Interesse gelesen. Zum einen muss ich feststellen das die Kirchen zum Teil schon aus der Zeit des Byzantinischen Reiches stammen. Des weiteren ist mir kein Kirchenname aufgefallen, der einer Person huldigt, die sich die Ausbreitung seiner Religion mit Waffengewalt auf die Fahnen geschrieben hat.
Zum anderen führen Sie Kirchen auf die von Religiösen Minderheiten erbaut wurden, die schon Jahrhunderte vor der Einwanderung der Turkvölker dort lebten und zu dieser Zeit auch die Mehrheit stellten.
Mir ging es mit meiner Kritik auch nicht darum den Bau und Betrieb einer Moschee als solches zu hinterfragen. Ich erwarte aber auch von den Betreibern einer Moschee ein gewisses Fingerspitzengefühl für die Wahl des Moscheenamens.
Ich emfände es auch unpassend wenn die z.B. die Evangelische Kirche Deutschland eine Kirche in Russland bauen würde und ihr den Namen Ludendorff geben würde.
Jens Frisch
"Fatih-Moschee"
Der Name ist dem Arabischen Verb "fataha" entnommen, was "öffnen", "erobern" bedeutet. Übersetzt bedeutet es also "Eroberer Moschee".
Auch eine "Selim" oder "Süleyman" Moschee sind benannt nach osmanischen Krieghelden.
Mal sehen, wann in Istanbul endlich eine Jan Sobieski Kathedrale eingeweiht wird....
Sven Günther
Übergriffe gegen Muslime und ihre Einrichtungen gehören durch den Staatsschutz verfolgt.
Es kann nicht sein, daß Muslime als Opfer anderer Klasse gelten wie christliche oder jüdische Einrichtungen gelten. Sie sind entweder Bürger der Republik oder genießen hier Gastrecht.
Deutsch ist man nicht durch Ahnenpass sondern durch Staatsbürgerschaft!
Nicky Arnstein
@Sven Günther In Deutschland müssen christliche Einrichtungen geschützt werden? Ist mir völlig neu.
Alreech
Auch Angriffe auf jüdische Einrichtungen sind nicht automatisch antisemitsch wenn es sich dabei um Israel-Kritik handelt, wie ein Deutsches Gericht schon fest gestellt hat.
Darum sollte man auch Anschläge auf Moscheen nicht gleich in die Rechte Ecke stellen - es könnte sich ja auch um Kritik am neo-osmanischen Imperialismus von Erdogan handeln, ganz besonders wenn die Moschee nach einem osmanischen Imperialisten benannt ist !
Nicky Arnstein
@Alreech Wer jüdische Einrichtungen in Deutschland schändet oder angreift ist ein Antisemit wie er im Buche steht. Egal, ob er vorgibt oder nicht, seine Tat sei "israelkritisch". Bislang wurde in der Diskussion von Israelkritikern behauptet, Israelkritik sei nicht antisemitisch. Sie gehen jetzt noch weiter und schreiben, dass Antisemitismus ein legitimes Ausdrucksmittel für Israelkritik ist. Erwischt. Israelkritik kann durchaus Antisemitismus sein. Antisemitismus ist jedoch Antisemitismus und keine Israelkritik.
Laurenz Kambrück
@Alreech Angriffe auf jüd. Einrichtungen, die angebl. israelkritik sein wollen, sollen nicht antisemitisch sein? Durchaus möglich, dass Gerichte sowas so darstellen, aber inhaltlich ist es dennoch Unsinn: Natürlich ist es antisemitisch, wenn man Juden angreift und Israel meint. Denn diese Gleichsetzung ist schon allein antisemitisch.
98589 (Profil gelöscht)
Gast
@Alreech Kann Ihnen nur zustimmen!