: Lebenslang für Attacke in Barmbek
Messerstecher Ahmad A. ließ sich vom „IS“ leiten
Von Philipp Schulte
Bekannt wurde der 27-jährige Palästinenser als Messerstecher von Hamburg-Barmbek. Das hanseatische Oberlandesgericht verurteilte ihn am Donnerstag zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Er erstach im Juli 2017 einen Mann in einem Supermarkt – mit einem 20 Zentimeter langen Messer, das er erst im Laden aus der Verpackung gezogen hatte. A. verletzte sechs weitere Kunden und Passanten. Eine Frau musste notoperiert werden.
Im Lauf der Verhandlung wurde klar, dass A. zwei Gesichter hat. Er machte 2008 in seiner Heimatstadt Gaza Abitur, begann dann ein Zahnmedizin-Studium in Ägypten. Das brach er ab. Er fühlte sich von der westlichen Welt angezogen und suchte sein Glück in Norwegen. Verwandte lebten dort. Wäre er einen Monat früher nach Norwegen gekommen, wäre er dort als Flüchtling anerkannt worden – doch das Land hatte kurz vor seiner Ankunft sein Asylgesetz geändert. So zog A. durch Europa: Spanien, Schweden, wieder Norwegen, im März 2015 landete er in Hamburg.
Er lernte Deutsch, war seiner Lehrerin zufolge der Beste seiner Klasse. A. erklärte sich bereit, an einem Videoprojekt von Flüchtlingshelfern teilzunehmen. Sie zeigten dem damals 24-Jährigen Sehenswürdigkeiten, pokerten, machten zusammen Musik. In einem Interview mit den Helfern, das Spiegel-TV ausstrahlte, verurteilte A. die Terroranschläge von Paris im Jahr 2015. Es tue ihm leid, was da geschehen ist. „Ich glaube an Respekt. Ich muss andere respektieren. Ich darf niemanden dazu zwingen, das zu glauben, was ich glaube“, sagte er.
Eineinhalb Jahre später wurde er selbst zum Attentäter. Seine Tat im Juli 2017 war religiös motiviert. Er hatte Propagandavideos der Terrororganisation „Islamischer Staat“ („IS“) geschaut und das Symbol der Organisation gemalt. A. schrie an jenem Tag immer wieder Allahu akbar – Gott ist groß. Den Männern, die A. nach der Attacke folgten und ihn mit Steinen und Stühlen bewarfen, rief er zu, sie befolgten den Koran nicht. Es waren vorwiegend Muslime, die ihn schließlich überwältigten.
Woher kamen Frust und Radikalisierung? „Wenn ein Mensch kein Bleiberecht hat, dann muss man irgendwas anderes tun, als ihn warten zu lassen“, sagt A.s Verteidiger Christoph Burchard. Ahmad A. war offenbar empfänglich für die „IS“-Kriegsrhetorik, wollte zurück nach Gaza. Doch die Ausreisepapiere waren noch nicht da.
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