die nachricht: Urteil in Hanoi: Lebenslange Haft für Manager Thanh
Strenge Strafen im Prozess wegen Korruption und Veruntreuung gegen vietnamesischen Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh und 21 weitere Angeklagte. Neuer Prozess am Mittwoch
Das Neue
Zu lebenslänglicher Haft wegen Korruption und Veruntreuung hat das Volksgericht den Geschäftsmann und Exfunktionär Trinh Xuan Thanh am Montag in Hanoi verurteilt. Von der Todesstrafe gegen den 52-Jährigen, der im Juli 2017 aus Berlin nach Hanoi entführt worden sein soll, sahen die Richter ab. Thanh muss sich ab Mittwoch jedoch einem weiteren Verfahren stellen, in dem ihm die Todesstrafe drohen könnte. 21 weitere Angeklagte, darunter das frühere Politbüromitglied Dinh La Thang, erhielten Haftstrafen bis zu 22 Jahren.
Die Angeklagten sollen im Jahr 2011 Projektgelder für ein staatseigenes Unternehmen der Erdölfördertechnik nicht in das Projekt selbst gesteckt haben, sondern in die Schuldentilgung der Firma. Außerdem wird ihnen zur Last gelegt, Aufträge angenommen zu haben, für die das Unternehmen fachlich nicht qualifiziert gewesen sei. Demgegenüber hatte die Verteidigung laut der staatlichen Zeitung Vietnamexpress erklärt, das Vorgehen der Angeklagten hätte der damaligen politischen Linie der Partei entsprochen. Danach sollten große Wirtschaftsprojekte in erster Linie von inländischen Unternehmen übernommen werden.
Umgerechnet 150.000 Euro sollen die Beschuldigten dem Richterspruch zufolge in die eigene Tasche gescheffelt haben. Die Verteidigung hatte das bestritten.
Der Kontext
Thanh hatte sich im Jahr 2016 aus Vietnam abgesetzt und in Deutschland Asyl beantragt. Er sieht sich als Opfer eines Machtkampfs innerhalb der Kommunistischen Partei Vietnams zwischen Wirtschaftsreformern und dem ultrakonservativen Flügel um Parteichef Nguyen Phu Trong. Dessen Antikorruptionskampagne wird von internationalen Experten als Strategie gewertet, parteiinterne Rivalen um den früheren wirtschaftsliberalen Premier Nguyen Tan Dung kaltzustellen.
Die Reaktion
Der Fall hatte international Wellen geschlagen, weil der Verurteilte nach Ermittlungen der deutschen Bundesanwaltschaft letzten Sommer aus Berlin nach Hanoi verschleppt wurde – offenbar von dem vietnamesischen Geheimdienst. Hanoi bestreitet das. Amnesty International verurteilte jetzt den Richterspruch. James Gomez, Regionaldirektor Südostasien und Pazifik, sagte epd: „Kritiker sind Ziel eines Kreislaufs der Einschüchterung.“ Hanoi arbeite mit Schikane, Überwachung, Verhaftung und am Ende mit unverhältnismäßigen Urteilen.
Die Konsequenz
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, man werde sich dafür einsetzen, dass Thanhs deutsche Anwältin Petra Schlagenhauf künftig guten Zugang zu ihrem Mandanten bekomme und auch internationale Medienvertreter den Prozess beobachten könnten.
Schlagenhauf appellierte im Namen der in Berlin lebenden Familie des Verurteilten an die Bundesregierung, sich gegenüber Hanoi weiterhin für die Freilassung ihres Mandanten und seine Rückkehr nach Deutschland, „dem Land, aus dem er verschleppt wurde“, einzusetzen.
Marina Mai
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