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Die Nachwahl von Alabama

Nach einem Vierteljahrhundert schickt Alabama erstmals wieder einen Demokraten in den US-Senat: Der Jurist und Bürgerrechtler Doug Jones schafft bei den Nachwahlen eine knappe Mehrheit. Was muss die Partei tun, um weiter zu siegen?

Schlappe für Donald Trump: UnterstützerInnen des demokratischen Kandidaten Doug Jones auf der Wahlparty am 12. Dezember Foto: Marvin Gentry/reuters

Von Dorothea Hahn, New York

Wenn der Republikaner Roy Moore „nur“ homophob, rassistisch, einwandererfeindlich und ein antimuslimischer christlicher Fundamentalist wäre, hätte er die Senatswahlen in Alabama am Dienstag gewonnen. Weite Teile der Bevölkerung des Südstaates sind immer noch evangelikal und reaktionär genug, um sich von einem solchen Mann im Senat vertreten zu lassen. Doch sie kontrollieren nicht mehr alles. Neben ihnen sind mutige Frauen aus Alabama aufgestanden und mit ihren Berichten über sexuelle Belästigung und Missbrauch an die Öffentlichkeit gegangen. Sie haben die Verhältnisse im „Bibelgürtel“ in Bewegung gebracht.

Und so schickt Alabama nach einem republikanischen Vierteljahrhundert erstmals wieder einen Demokraten in den Senat. Der Jurist und Bürgerrechtler Doug Jones bekam bei den Nachwahlen eine knappe Mehrheit. Er übernimmt den Sitz des Republikaners Jeff Sessions, ebenfalls ein Mann vom radikal rechten Rand der Partei, der bei seiner letzten Wahl in den Senat im Jahr 2014 noch so unumstritten war, dass niemand einen Kandidaten gegen ihn aufstellte. Sessions bekam mehr als 97 Prozent. Nachdem Donald Trump ihn zum Justizminister befördert hatte, war in Alabama die Nachwahl nötig geworden.

Zuletzt hatte 1992 ein Demokrat einen Senatssitz in Alabama gewonnen. Das war der heute 88-jährige Richard Shelby, der immer noch für Alabama im Senat sitzt. Er ist 1994 zu den Republikanern gewechselt.

Im jetzt zu Ende gegangenen Wahlkampf in Alabama war Shelby einer der wenigen Republikaner, die es gewagt haben, sich öffentlich gegen Moore zu stellen. Ein anderer aufrechter Mann in der Partei war Jeff Flake, ein Noch-Senator aus Arizona. „Anstand gewinnt“, jubelte er nach Moores Niederlage. Flake, der angesichts der radikal rechten Stimmung in seiner Partei selbst bei den Halbzeitwahlen im nächsten Herbst nicht erneut in Arizona kandidieren wird, hatte wenige Tage vor der Wahl einen Scheck für den demokratischen Kandidaten Jones nach Alabama geschickt.

US-Präsident Donald Trump gratulierte Jones am Wahlabend per Tweet zu einem „hart erkämpften Sieg“. Der Präsident hatte sich stark für Moore engagiert. Er hatte am Wochenende ein Meeting in Florida wenige Kilometer südlich der Staatsgrenze von Alabama abgehalten. Er sprach einen Wahlaufruf für Moore auf Band, den die Wähler in Alabama per Telefon erhielten, und er tweetete für ihn. „Wählt Moore!“, sagte Trump, der sei ein verlässlicher Konservativer im Senat und werde „immer für uns stimmen“. Erst nachdem Moore nun verloren hat, will Trump es immer schon gewusst haben.

Lange bevor die Washington Post enthüllte, dass Moore als Anfang 30-jähriger Richter Mädchen im Teenageralter an einem Einkaufszentrum nachstellte und mehrere von ihnen sexuell belästigte – darunter eine, die zum Tatzeitpunkt erst 14 war –, kam Moore in einen komplizierten Konflikt mit dem Bundesrecht. Er wurde zwei Mal Oberster Richter in Alabama und wurde beide Male wegen Verletzung des Bundesrechts entlassen.

Moore bezeichnet die Sklaverei als die Zeit, in der die USA zuletzt „groß“ gewesen seien: „weil die Familien zusammenhielten“. Er ist der Ansicht, dass Muslime nicht in den Kongress gehören. Er ist gegen das Recht auf Abtreibung. Und er schlägt vor, die Verfassung durch „Gottes Recht“, also die Bibel, zu ersetzen.

Trump hatte ursprünglich einen anderen republikanischen Kandidaten in Alabama unterstützt. Doch nachdem der etwas weniger radikale Luther Strange in den Vorwahlen scheiterte, stellte Trump sich ohne Wenn und Aber hinter Moore. Mit Moores Niederlage hat Trump nicht nur eine republikanische Stimme im Senat verloren, sondern er weiß jetzt auch, dass die sexuelle Gewalt, derer ihn zahlreiche Frauen beschuldigen, ihn weiter verfolgen wird.

Auch Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon, der Vordenker der radikalen Rechten, der Moore in Alabama ausgewählt und unterstützt hat, gehört zu den Verlierern der Wahl. Bannon rekrutiert quer durch das Land bereits radikal rechte Kandidaten für die kommenden Wahlen. Nachdem es monatelang so aussah, als wäre Bannon nicht zu stoppen – weder von den Mainstream-Republikanern noch von den Demokraten – zeigt Moores Scheitern in Alabama jetzt die Grenzen seiner Strategie, die Republikaner immer weiter nach rechts zu treiben. Für die wenigen verbleibenden moderaten Republikaner ist das ein aufmunterndes Signal.

Das Ergebnis von Alabama ist nach der Gouverneurswahl von Virginia, die ebenfalls ein Demokrat gewann, der zweite Wahlerfolg der Demokratischen Partei nach einer langen Serie von Niederlagen. Die Graswurzelbewegung „Indivisible“, die nach Trumps Wahl zum Präsidenten entstanden ist und landesweit versucht, die Demokratische Partei aufzurütteln und progressive KandidatInnen zu rekrutieren, reagierte am Mittwochmorgen auf Alabama mit dem Kommentar: „Wenn wir kämpfen, gewinnen wir.“ Auch andere Linke und schwarze BürgerrechtlerInnen glauben, dass Alabama den Weg für die Halbzeitwahlen im nächsten November weist. Um weiter zu siegen, muss die Demokratische Partei „den Arsch hochkriegen“ und endlich die Interessen der schwarzen und der armen weißen Bevölkerung vertreten“, sagte der ehemalige NBA-Spieler Charles Barkley, der den Demokraten Jones im Wahlkampf unterstützt hat.

Am Dienstag stimmten 21.000 Wähler mehr für Jones als für Moore. Gleichzeitig gaben 22.000 Republikaner Stimmzettel ab, auf die sie die Namen anderer republikanischer Politiker eingetragen hatten, die gar nicht kandidiert hatten. Diese Wähler konnten sich nicht dazu durchringen, einen Demokraten zu wählen. Aber sie waren immerhin entrüstet genug, Moore die Stimme zu verweigern.

Doug Jones, der die Wahl mit 49,9 Prozent der Stimmen (gegen 48,4 für Moore) gewonnen hat, kommt vom entgegengesetzten Ende des politischen Spektrums in Alabama. Der bislang größte Moment in der Karriere des heute 63-jährigen Juristen war Anfang des Jahrtausends. Damals brachte er als Staatsanwalt zwei Mitglieder des Ku-Klux-Klans ins Gefängnis. Die beiden weißen Männer waren 1963 an dem Attentat gegen eine Baptistenkirche in Birmingham, Alabama, beteiligt. Bei dem „Birmingham Sunday“ töteten sie vier afroamerikanische Mädchen.

Noch im November vergangenen Jahres hatte Hillary Clinton in Alabama 28 Prozent weniger Stimmen bekommen als Donald Trump. Damals stimmten auch die Frauen in Alabama mehrheitlich für Trump. Dieses Mal gaben fast 60 Prozent von ihnen ihre Stimme dem Demokraten Jones. Bemerkenswerterweise stimmten 63 Prozent der weißen Frauen trotz der Vorwürfe für Moore. Der Demokrat Jones gewann auch mehr als 30 Prozent der weißen Wähler und verdoppelte damit das Ergebnis, das Barack Obama im Jahr 2012 in dieser Gruppe hatte. Am entschiedensten unterstützten am Dienstag Afroamerikaner den Demokraten. Sie sind 28 Prozent der Wähler in Alabama. 95 Prozent von ihnen gaben ihre Stimme Jones. Die konsequentesten WählerInnen gegen Moore waren die afroamerikanischen Frauen, sie stimmten mit 98 Prozent für Jones.

Für die Demokratische Partei ist Alabama eine neue Erfahrung. Ihr Kandidat hat an der Spitze eines breiten linken Bündnisses gesiegt. Bernie-Sanders-AnhängerInnen, afroamerikanische AktivistInnen von Black Lives Matter, GewerkschafterInnen, Feministinnen und moderate DemokratInnen haben darin gemeinsam gekämpft.

Sie sind gemeinsam nicht nur offensiv gegen den radikal rechten Kandidaten vorgegangen, sondern sie haben auch offensiv ein Programm vertreten, das Mainstream-DemokratInnen – wenn sie es überhaupt teilen – anderswo oft ängstlich verstecken. Unter anderem haben sie im tiefen Süden, wo Abtreibung sonntags in den evangelikalen Kirchen als „Todsünde“ gehandelt wird, auch das Recht auf den eigenen Körper für Frauen verteidigt. Wenn dieses linke Bündnis in dem von Segregation, Religion und traditionellen Geschlechterverhältnissen geprägten tiefen Süden Erfolg hat – dann kann es überall in den USA funktionieren.

Zuletzt hat Alabama in der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre positive Schlagzeilen gemacht. Damals stießen junge, schwarze BürgerrechtlerInnen, darunter viele, die noch zur Schule gingen, eine Bewegung an, die zumindest auf dem Papier für Gleichberechtigung in den USA gesorgt hat. Mehr als 50 Jahre danach könnte Alabama erneut Trendsetter werden.

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