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Rechter Häuserkampf in HalleGewaltiger Streit

Die identitäre Bewegung ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, ihr Hausprojekt zu verteidigen. Mehrere Studenten wurden bedroht.

Bunt besprenkelt ist mittlerweile die Hausfassade in der Adam-Kuckhoff-Straße Foto: Felix Abraham

Halle taz | Die Gewalt rund um das Hausprojekt der völkischen Identitären Bewegung in Halle (Saale) eskaliert. Zu dieser Einschätzung kommen immer mehr Beobachter, nachdem vor wenigen Tagen zwei maskierte Personen aus dem Gebäude in der Adam-Kuckhoff-Straße herausgestürmt waren und Zivilpolizisten mit Pfefferspray attackierten. Ende Oktober hatte es wiederum einen massiven Angriff auf das Haus gegeben. Laut Polizei warfen etwa 20 bis 30 Vermummte mit Steinen, zündeten Mülltonnen an und verbreiteten Buttersäure im Eingangsbereich.

Seit Juni ist bekannt, dass mehrere Mitglieder der Kontrakultur Halle in das Haus eingezogen sind. Dabei handelt es sich um die in Deutschland wohl aktivste Gruppe der Identitären. Zahlreiche der etwa 20 Kontrakultur-Mitglieder waren früher in Neonazistrukturen tätig. Das Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße liegt direkt neben dem Eingang zum Steintorcampus, wo die geistes- und sozialwissenschaftlichen Institute der Universität beheimatet sind.

Immer wieder kommt es zu friedlichen und gewalttätigen Protesten gegen das „Schulungszentrum“. Im Juli und Oktober beteiligten sich jeweils etwa 700 Menschen an Demonstrationen; die Hausfront zeugt mittlerweile von zahlreichen Farbanschlägen.

Die Identitären blieben ebenfalls nicht untätig. Sie bedrohten beispielsweise im Juni zwei Studenten in einer Mensa und hatten dabei Messer, Pfefferspray und Quarzhandschuhe im Gepäck. Im November durchsuchte die Polizei deshalb ihre Räumlichkeiten. Zudem sorgen seit Monaten zwei an dem Gebäude fest installierte Kameras für Ärger. Der Datenschutzbeauftragte des Landes prüft die Angelegenheit.

Einem Pfeffersprayangriff auf zwei Zivilbeamte sollen Flaschenwürfe auf das Gebäude vorausgegangen sein, behauptet Kontrakultur in einer Stellungnahme. Vom MDR befragte Anwohner konnten das jedoch nicht bestätigen. Um „Schlimmeres zu verhindern“ und die „flüchtigen Täter zu verfolgen“, hätten zwei Aktivisten das Haus verlassen, heißt es bei Kontrakultur. Laut Polizei waren diese maskiert und hatten Schutzschild, Helm und Baseballschläger dabei. Die Zivilpolizisten hätten sich rechtzeitig zu erkennen gegeben. Die Angreifer widersprechen dieser Darstellung.

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„Wir beobachten, dass die Gewalt deutlich zunimmt“, sagt Valentin Hacken, Sprecher des Bündnisses Halle gegen Rechts. „Die Identitären versuchen sich als bürgernah und friedlich zu inszenieren, ihre teilweise bewaffneten Bedrohungen und Angriffe zeigen, dass das Gegenteil zutreffend ist.“ Die Gegner des Projekts dürften sich davon nicht einschüchtern lassen.

Unterstützung erhalten die Identitären vom AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, der im September in dem Haus ein Abgeordnetenbüro eröffnet hat. Aus seiner Sicht handelten die Angreifer aus Notwehr.

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12 Kommentare

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  • "Ende Oktober hatte es wiederum einen massiven Angriff auf das Haus gegeben. Laut Polizei warfen etwa 20 bis 30 Vermummte mit Steinen, zündeten Mülltonnen an und verbreiteten Buttersäure im Eingangsbereich."

     

    Man stelle sich das bei der Roten Flora einmal vor: Wie lange blieben diese Linken friedlich?

    • @Jens Frisch:

      ... "Man stelle sich das bei der Roten Flora einmal vor: Wie lange blieben diese Linken friedlich".



      Das ist doch gang und gäbe bei den Linken.



      Die Frage ist doch wie lange die Polizei friedlich bliebe, wenn zwei Zivilbeamten von der Florabewohner mit Pfefferspray attackiert wären....

  • Dieses "Wir wollen Euch nicht in unserem Viertel haben" ist schon interessant. Seit den 80er Jahren sind national-konservative Vereine und Gruppen als Neo-Nazis gescholten und werden von zumeist linken Gruppen sehr aktiv und im wahrsten Sinne des Wortes bekämpft. Die Allgemeinbevölkerung hat das so geduldet.

     

    Das war solange unproblematisch, da die Rechte kein relevantes Abbild im demokratischen Spektrum hatte.

     

    Doch die Zukunft ist eine andere. Es bedarf anderer Formen der Auseinandersetzung. Ein Ausgrenzen und Verjagen-Wollen ist jedenfalls im Kern auch nur Diktatur mit Mitteln des Rassismus (O-Ton "... waren früher in Neonazistrukturen tätig" = sind auf ewig verdammt = unrein = gehören nicht hierher ...).

    • @TazTiz:

      Die Identitäre Bewegung ist nicht einfach nur konservativ. Setzen sie sich mit deren Zielsetzungen auseinander. Weshalb sollte man mit Menschen diskutieren, die Rassenlehre predigen und Volksschädlinge ausmachen. Lediglich in den bisherigen Möglichkeiten und manchmal in der Wortwahl unterscheidet sich diese Bewegung von derjenigen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Man muß nicht abwarten, bis die Macht von Ultrarechten so groß ist, dass sie wieder im großen Stil morden können.

  • Der "point of no return" ist längst überschritten.

    Das IV.Reich klopft nicht an und fragt, ob es reinkommen darf...

  • Die "identitäre Bewegung" sind Neonazis, sie nennen sich anders und sie tun so, als ob sie keine Neonazis wären, aber im Kern sind sie genau das. Und entsprechend gewalttätig sind sie und entsprechend hassen sie ihre Gegner und haben militärisch-agressive Ideen.

  • Die Identitären scheinen hier von der Rigaer Str. in Berlin gelernt zu haben. Die Aktionen gleichen sich verblüffend stark.

    • @rero:

      Sie verfolgen mit ihren Kommentaren hier schon eine ziemlich rechtskonservative Agenda.

      Die Rigaer Straße hat so gar nichts mit diesen Nazis zu tun, die sich als Herren über Leib und Leben aufspielen wollen, ethnische Säuberungen rechtfertigen und die grundlegendsten Rechte nach Abstammung und ethnischer Zugehörigkeit zuteilen wollen.

      Netter Versuch der Relativierung ihrerseits.

      • @Hampelstielz:

        Sie werden staune, ich erfolg überhaupt keine Agenda.

      • @Hampelstielz:

        Es ist das Gleichnis der Mittel und nicht ein Gleichnis der Inhalte, welches hier den Link zur Rigaer Straße setzt...

        • @TazTiz:

          Danke. Genau das meinte ich.

  • Wenn ich ein gewisses Göttinger Urteil heranziehe, dürfte gegen die Kameras nichts einzuwenden sein. Denn dort steht ja, dass bei Bezug von Wohnungen durch Rechte mit Gewalttaten gegen das Haus zu rechnen ist - um eine Kündigung zu rechtfertigen.

     

    Bei konkreten Gefahren darf man aber Kameras aufbauen.

     

    Ich halte das Göttinger Urteil allerdings für absurd falsch.