Nato-Treffen in Brüssel: Kommando zurück
Wäre die Nato für einen Angriff Russlands gewappnet? Bündnisinterne Papiere wecken daran Zweifel. Jetzt soll reagiert werden.
Er erwarte, dass die Verteidigungsminister die Pläne an diesem Mittwoch bei einem Treffen in Brüssel billigen, sagte Stoltenberg am Dienstag. Auf Ebene der Botschafter sind sie nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bereits beschlossen worden.
Hintergrund des neuen Aufrüstungsvorhabens ist die Erkenntnis, dass die jetzige Kommandostruktur nicht mehr den Erfordernissen der aktuellen Bedrohungslage entspricht. Ein internes Bündnispapier hatte jüngst die Verteidigungsfähigkeit im Krisenfall infrage gestellt.
In dem „Fortschrittsbericht über das verstärkte Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv der Allianz“ wird offen angezweifelt, ob die schnelle Eingreiftruppe der Allianz derzeit wirklich zügig und effizient reagieren könnte. Zudem gibt es dem Dokument zufolge gerade im östlichen Bündnisteil große Defizite im Bereich der Logistik und Infrastruktur.
Dies ist vor allem deswegen relevant, weil Russland seit dem Beginn de Ukraine-Krise endgültig wieder als großer Unsicherheitsfaktor angesehen wird. Insbesondere die nordöstlichen Bündnisstaaten fühlen sich seitdem verstärkt bedroht. Um Russland abzuschrecken, wurden zuletzt bereits mehrere Tausend Nato-Soldaten im Baltikum und in Polen stationiert, die im Ernstfall von einer neuen und besonders schnellen Eingreiftruppe Verstärkung bekommen sollten.
Drastische Kehrtwende
Das alles ist ein drastische Kehrtwende zu der Politik nach dem Ende des Kalten Krieges. Damals hatte die Nato gedacht, sich von der extrem personal- und kostenintensiven Abschreckungspolitik ein Stück weit verabschieden zu können. Die Krisenbekämpfung im Ausland mit Einsätzen wie dem in Afghanistan wurde zum neuen Schwerpunkt. Die Kommandostrukturen wurden deswegen drastisch reduziert. Von den 33 Hauptquartieren, die es in Zeiten des Kalten Krieges gab, sind nach Nato-Angaben heute nur noch 7 übrig. Die Personalstärke sank von 22.000 auf 6.800 Mitarbeiter.
Wo die neuen Hauptquartiere angesiedelt werden, was sie kosten werden und wie viel neues Personal sie bekommen werden, ist nach Nato-Angaben noch offen. Stoltenberg machte am Dienstag allerdings deutlich, dass Deutschland als Standort für das neue Logistik-Hauptquartier durchaus infrage kommt. „Ich werde heute nicht konkret werden (…), aber Deutschland liegt zentral in Europa“, sagte er. Eine Entscheidung über die neuen Standorte solle im Februar fallen.
Für das neue Atlantik-Hauptquartier werden Portugal und Großbritannien als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt. Es soll Einsätze steuern können, die im Kriegsfall für einen freien Seeweg zwischen den USA und Europa sorgen können.
Über die möglichen Kosten für die Änderungen an der Kommandostruktur wird bei der Nato bislang geschwiegen. Laut Stoltenberg werden sie allerdings ohnehin nur ein Teil von dem sein, was zusätzlich gebraucht wird. „Wir müssen gewährleisten, dass unsere Straßen und Brücken so gebaut sind, dass sie auch von unseren schwersten Fahrzeugen genutzt werden können“, erklärte er mit Blick auf die derzeit unbefriedigende Situation. Das Gleiche gelte für die Schienennetze, über die beispielsweise Panzer durch Europa transportiert werden könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen