Kohle-Einigung rückt näher

Dass kurzfristig Kraftwerke vom Netz gehen müssen, darüber sind die Jamaika-Sondierer inzwischen einig. Gestritten wird noch um die Anzahl – doch ein Vorschlag des Umweltbundesamts zeigt einen möglichen Kompromiss auf

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt

So einfach kann das mit der Stilllegung gehen: Am frühen Mittwochmorgen hat sich eine Gruppe von KlimaaktivistInnen an ein Förderband und einen Bagger am Kohlebunker des Kraftwerks Weisweiler in Nordrhein-Westfalen gekettet. „Wir wollen zeigen, dass der sofortige Kohleausstieg notwendig und machbar ist“, erklärte eine Aktivistin in einer Mitteilung. Aus Mangel an Kohle mussten drei der vier Blöcke des Kraftwerks mit einer Leistung von 1.500 Megawatt vom Netz genommen werden, teilte Betreiber RWE mit. Erst nachdem Polizisten die 13 Personen losgelöst und festgenommen hatten, wurden die Blöcke wieder hochgefahren.

In Berlin wird derweil über eine etwas dauerhaftere Abschaltung von Kohlekraftwerken verhandelt – und diese Gespräche sind weiterhin alles andere als einfach. Bei den Sondierungen für eine Jamaika-Koalition herrscht noch immer keine Einigkeit, wie viel zusätzliches CO2 eingespart werden muss, um das deutsche Klimaziel für das Jahr 2020 noch zu erreichen. Union und FDP gehen von 32 bis 66 Millionen Tonnen aus, die Grünen hingegen von 90 bis 120 Millionen Tonnen.

Dass zum Erreichen des Ziels zusätzliche Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, ist inzwischen allerdings Konsens. Union und FDP haben darum eine Stilllegung im Umfang von 3 bis 5 Gigawatt vorgeschlagen, was 6 bis 10 Kraftwerksblöcken entspricht. „Das Angebot könnten die Grünen einmal würdigen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner am Mittwoch. Die halten bisher aber daran fest, die Kohleverstromung bis 2020 um 8 bis 10 Gigawatt zu reduzieren, was etwa der im Wahlkampf geforderten Stilllegung von 20 Kraftwerken entspricht.

Einen möglichen Kompromiss hat am Dienstag das Umweltbundesamt (UBA) vorgelegt. Dessen Experten schlagen vor, bis 2020 Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von „mindestens 5 Gigawatt“ stillzulegen, und zwar zusätzlich zu den ohnehin geplanten Stilllegungen. Das klingt ähnlich wie das Angebot von Union und FDP und könnte diesen Parteien damit die Zustimmung erleichtern. Zugleich kommt der Vorschlag aber auch den Grünen entgegen.

Denn über diese Stilllegung hinaus will das UBA die Stromproduktion aller Kraftwerke drosseln, die älter als 20 Jahre sind: Sie sollen jedes Jahr nur die Hälfte der theoretisch möglichen Strommenge produzieren dürfen. Das würde dazu führen, dass Braunkohlekraftwerke, die derzeit fast immer unter voller Last laufen, künftig nur noch eingesetzt werden, wenn ihr Strom auch tatsächlich gebraucht wird. Zwischen 2020 und 2030 soll laut UBA-Vorschlag dann ein großer Teil der übrigen Kohlekraftwerke stillgelegt werden; parallel müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden, um den Rückgang der Kohleverstromung zu kompensieren.

Versorgung bleibt sicher

Unterstützung für einen solchen Vorschlag kommt auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium und der Bundesnetzagentur. Die Stilllegung einer Kohlekapazität von 7 Gigawatt im Jahr 2020 sei – auch in Kombination mit dem bis Ende 2022 vollzogenen Atomausstieg – kein Problem für die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität. Das steht in einem Papier, das Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake und Netzagentur-Vizepräsident Peter Franke am Dienstagabend bei den Sondierungsgesprächen vorlegten. Damit widersprachen sie entsprechenden Warnungen aus Union und FDP.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter äußerte auf Anfrage Zweifel, ob der UBA-Vorschlag ausreicht, kündigte aber eine genaue Prüfung an. „Entscheidend ist, dass die notwendige CO2-Menge tatsächlich eingespart wird“, sagte sie der taz. „Dabei darf es nicht zu Entschädigungen der Kraftwerksbetreiber durch die Steuerzahler kommen.“ Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärt derweil selbst den Vorschlag der Grünen für unzureichend. Um das Klimaziel für 2020 zu erreichen, müssten Kraftwerke mit einer Leistung von 17 Gigawatt stillgelegt werden, schrieben sie in einem offenen Brief an die Parteispitze.

Die AktivistInnen, die am Morgen das Kraftwerk Weisweiler blockiert hatten, glauben derweil nicht an einen Erfolg der Gespräche. „Der Ausstieg aus der Braunkohle bleibt notwendige Handarbeit“, schrieben sie in einer Erklärung. „Wir handeln, weil andere nur verhandeln.“