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Kommentar Kurden-Autonomie im IrakVom Traum zum Alptraum

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Im Nordirak haben die Kurden eine weitreichende Autonomie für sich erreicht. Ausgerechnet ihr Präsident Massud Barsani setzt das aufs Spiel.

Der Präsident der kurdischen Minderheit im Irak, Massud Barsani Foto: dpa

V or gut einem Monat glaubten sich viele Kurden im Nordirak am Ziel ihrer Wünsche. In einem Referendum über die Unabhängigkeit vom Irak stimmten 90 Prozent für einen eigenen Staat. Ein 100 Jahre alter Traum schien in Erfüllung zu gehen. Nur gut einen Monat später ist aus dem Traum ein Alptraum geworden. Die irakische Armee hat nicht nur die Ölprovinz Kirkuk wieder unter die Kontrolle der Zentralregierung gebracht, selbst das seit mehr als einem Vierteljahrhundert existierende Kern-Autonomiegebiet steht jetzt auf dem Spiel.

Der kurdische Autonomiepräsident Massud Barsani hatte geglaubt, sein Lebenswerk mit einem unabhängigen Kurdistan krönen zu können, ein Irrtum, für den die kurdische Bevölkerung nun einen hohen Preis zahlen muss. Statt eines unabhängigen Staates droht nun, dass die Zentralregierung selbst lang gesichert geglaubte Autonomierechte rückgängig macht und die Kurden in eine Zeit wie vor 50 Jahren zurückdrängt.

Bagdad übernimmt wieder die Kontrolle an den Grenzen zur Türkei, zu Syrien und zum Iran. Aufseher aus Bagdad sollen die kurdischen Flughäfen kontrollieren und selbst die Kontrolle über die eigenen Streitkräfte, die legendären Peshmerga, steht auf dem Spiel.

Es ist eine Tragödie, auch und vor allem für den Autonomiepräsidenten Massud Barsani. Schon sein Vater, Mustafa Mollah Barsani musste am Ende eines Lebens, in dem er Jahrzehnte für die kurdische Unabhängigkeit gekämpft hatte, als geschlagener Mann in die USA fliehen und starb dort in der Fremde. Massud Barsani stiehlt sich nun aus seinem Amt als Autonomiepräsident und hinterlässt ein politisch tief gedemütigtes und zerstrittenes kurdisches Autonomiegebiet.

Schon sein Vater, Mustafa Mollah Barsani, musste am Ende eines Lebens, in dem er Jahrzehnte für die kurdische Unabhängigkeit gekämpft hatte, als geschlagener Mann in die USA fliehen

Ein Vierteljahrhundert lang, seit die USA und Großbritannien nach dem zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein im Nordirak eine Flugverbotszone für irakische Kampfflugzeuge eingerichtet hatten und damit der Entwicklung der kurdischen Autonomiezone die notwendige militärische Rückendeckung gegeben hatten, war im Nordirak ein de facto kurdischer Staat entstanden, der alles hatte – außer der förmlichen Unabhängigkeitsbeglaubigung durch die UNO.

Persönliche Ambitionen Barsanis, als historischer Kurdenführer in die Geschichte einzugehen und nationalistische Ungeduld bei seinen Anhängern haben nun dazu geführt, dass alles, was in den letzten 25 Jahren aufgebaut wurde, jetzt wieder in Frage steht. Die Kurden können im Moment nur darauf hoffen, dass die USA hinter den Kulissen, in Gesprächen mit der irakischen Zentralregierung, verhindern, dass aus der Niederlage ein völliges Desaster wird.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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1 Kommentar

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  • Über kurz oder lang wird es zum Krieg um Kurdistan kommen, dann muss man zufuss durch die Berge gehen, im Dreck leben und Schnee, Regen und unbarmherzige Sonne ertragen - man kann nicht mit seinem Landcruiser nach Antalya auf ein Wochenende fahren oder bequem nach Deutschland fliegen und sich die neuesten Porsche-Modelle ansehen.

     

    Es geht nur über gewaltige Opfer und die werden sowieso verlangt, ob nun Barzani das Referendum gemacht hat oder nicht, Baghdad/Teheran wollen ans Öl und wollen Kontrolle ausüben.

     

    Die Kurden haben kaum schwere Waffen und sie hätten einem stärker zentralisierten Baghdad nichts entgegen zu setzen, und der IS hat die Schiiten geeinigt, unter einer Führung von Schiiten, die wissen, dass sie auf die Connection mit Teheran nicht verzichten können, dafür akzeptieren die ehemals selbstbewussten Schiiten politischen Einfluss aus dem Iran.

     

    Die Großmächte setzen zudem in der Region auf den Status Quo, auch wenn die Auflösungserscheinungen der Gebiete im Gange ist. Außerdem gibt es keine Freundschaft mit Großmächten - die verhalten sich so, wie sie ihre Interessen ausrichten. Warum ausgerechnet ein geübter Politiker wie Barzani das missverstehen konnte, wird wohl ein Rätsel bleiben. Aber Kurdistan ist de facto immer in zwei Teile gespalten und mit der PUK ist es schwierig. Ohne einheitliche Politik und Streitkräfte werden die Kurden das Kräftemessen nicht schaffen.

     

    Dazu kommt noch die Türkei und ihre aggressive anti-kurdische Politik. Eigentlich hätte Barzani im Irak auf die Türkei bauen können, stört sich Ankara an der pan-schiitischen Ausrichtung der Politik des Iraks. Aber das war nicht der Fall.