Wahl in Österreich: Auch Kurz hat Dreck am Stecken

Den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ ist kein Mittel zu schmutzig, um einander zu diskreditieren. Das kratzt auch am Image des ÖVP-Stars Kurz.

Sebastian Kurz (l.) und Christian Kern nach dem Kanzlerduell am Mittwoch

Immerhin noch ein Handschlag: Sebastian Kurz (l.) und Christian Kern nach dem Kanzlerduell am Mittwoch Foto: dpa

WIEN taz | „Dirty Campaigning“, entgegnete Sebastian Kurz (ÖVP) auf Vorwürfe von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Nach fast 50 TV-Duellen im ORF und in den Privatsendern, Elefantenrunden und unzähligen Expertendiskussionen ging am Mittwochabend das letzte „Kanzlerduell“ im ORF über die Bühne. Die redlichen Bemühungen der Moderatorin, das Thema der Schmutzkampagne aus dem Umfeld der SPÖ aus der Debatte herauszuhalten und inhaltliche Themen vorzugeben, waren nur teilweise erfolgreich.

Tatsächlich besteht weiter Aufklärungsbedarf, wie ein Spin-Doctor hinter dem Rücken des Parteichefs und des gesamten SPÖ-Parteiapparats gegen Sebastian Kurz intrigieren durfte.

Doch auch der Heiligenschein, mit dem sich der junge Herausforderer gerne schmückt, hat deutlich an Glanz verloren. Denn am Wahlkampfteam des politischen Senkrechtstarters kann es nicht unbemerkt vorbeigegangen sein, dass ein Funk­tio­när der ÖVP-Wirtschaftskammer wochenlang die Ehefrau von Christian Kern beschatten ließ. Er rühmt sich selbst auf seiner Homepage, ehemalige Jagdkommando-Soldaten eingesetzt zu haben.

Grund für die Spionage ist ein angebliches „rotes Fördernetzwerk“, in das Eveline Steinberger-Kern verwickelt sein soll. Die wirre Geschichte läuft darauf hinaus, dass Steinberger-Kern mit einer Firma eine 17,6- prozentige Beteiligung am Innovations-Hub „weXelerate zur Förderung von Start-ups hielt. Die verkaufte sie vor einem Jahr, um jeden Eindruck zu vermeiden, sie profitiere durch die Position ihres Ehemannes.

Politischer Auftragskiller

Der „Aufdecker“, der sich in den sozialen Medien als „Political Hitman“, also politischer Auftragskiller, vorstellt, insinuiert jetzt, dass der Käufer nur als Strohmann fungiert habe.

Diese Verschwörungsgeschichte, bei der auch israelische und georgische Millionäre eine Rolle spielen, wird seit Tagen von der Gratiszeitung Österreich gespielt. Deren Herausgeber Wolfgang Fellner schreibt Kern in Grund und Boden, seit dieser ihm ein Interview verweigert hat. Kurz wird in dem Boulevardblatt bereits als Kronenträger auf den Titelseiten gefeiert.

Der Herausgeber der Gratiszeitung Österreich schreibt Christian Kern in Grund und Boden

Viel Medienaufmerksamkeit konnte Kurz im Juli generieren, als er seine Kandidatenliste mit schillernden Quereinsteigern besetzte. Allen voran die ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg, die seit einem Trainingsunfall im Rollstuhl sitzt. Sie wird als Behindertensprecherin der ÖVP im Parlament fungieren.

Skeptiker wie Rudolf Häusler, ÖVP-Bürgermeister von Grünbergs Heimatort Kematen in Tirol, der sich die Frage erlaubte, „wen eine 23-Jährige ohne jegliche politische Erfahrung im Nationalrat vertritt“, wurden als Miesmacher abgekanzelt.

Zurückhaltung bei Interviews

Inzwischen fragt man sich nicht nur, wen die junge Frau, sondern auch was sie vertritt. Denn noch keinem Journalisten ist es gelungen, ihr Ideen für die Behindertenpolitik zu entlocken.

Der Standard hat sich wochenlang vergeblich um ein Interview bemüht. Schließlich habe sich die ÖVP bereit erklärt, über ein Interview zu reden, schreibt Der Standard, „sofern man es vorab zum Gegenlesen erhalte und die ÖVP letztinstanzlich entscheiden dürfe, ob es abgedruckt wird oder nicht“.

Nicht zu wenig, sondern zu viel hat man von Efgani Dönmez erfahren. Der ehemalige Bundesrat der Grünen, den Kurz abwerben konnte, um einen glaubwürdigen Mitstreiter gegen den politischen Islam im Team zu haben, steht mit der bekannten deutschen Anwältin Seyran Ateş hinter der Plattform „Stop Extremism“.

Jetzt wurde ein Chat bekannt, in dem Dönmez die Linie ziemlich einseitig vorgibt: „Türkei – Bad, Katar – Bad, Saudis – Good“. Tatsächlich spart der Aktivist in seinen Auftritten das wahhabitische Königreich von Kritik aus, während die Türkei, Katar und die Muslimbrüderschaft attackiert werden. Den Verdacht, von den Saudis gesponsert zu werden, bestreitet Dönmez vehement.

Eine Nummer zu groß

Eine Erklärung für das einseitige Bashing lieferte Helmut Pisecky von der Gesellschaft für Politik­analyse, der die Plattform unterstützt. Er bestätigte Medien gegenüber die Existenz muslimischer Sponsoren, über die man „nicht viele Worte“ verlieren wolle. Saudi-Arabien sei „definitiv eine Nummer zu groß“. Das habe mit Risikomanagement zu tun.

Das Marktforschungsinstitut Media Affairs resümiert in einer Bilanz der jüngsten Berichterstattung: „Kurz wirkt nicht mehr so tadellos und perfekt in den Medien wie in den letzten Monaten.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.