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Bei Mohrlegibt’s heut’Känguru

tiernahrung Der Heimtierfutter-Markt ist lukrativ: Gerade in Norddeutschland haben sich viele große Hersteller etabliert und versuchen, mit Forschung und Lifestyle-Zutaten ihr Stück vom Hundekuchen zu vergrößern. Gleichzeitig gibt es einen Trend, die Vierbeiner selbst zu bekochen

von Pia Siber

Sollte man bei einem bevorstehenden Weltuntergang lieber den Supermarkt oder das Zoofachgeschäft plündern? Über diese Frage wird in einigen „Survival-Foren“ heiß diskutiert. Fraglich dabei ist, ob Katzen- und Hundefutter auch für den menschlichen Verzehr geeignet ist.

Laut Dieter Meyer, Pressesprecher des Bremer Heimtier-Futtermittelherstellers Vitakraft, ist das durchaus möglich. „Da ist doch kaum etwas anderes in der Dose, als wir beim Mittagstisch essen“, sagt Meyer.

Etliche Heimtierfuttermittel-Produzenten haben ihren Sitz in Norddeutschland: Allein von den 36 Herstellern, die sich dem Industrieverband Heimtierbedarf angeschlossen haben, ist ein Drittel in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg ansässig, von A wie Astra Aquaria in Hameln bis V wie Vitakraft, deren Werk in Bremen-Mahndorf steht. Es gibt hochspezialisierte Fabrikanten von Futter für Terrarien und Aquarienbewohner, und es gibt den Weltmarktgiganten Mars, der in Verden an der Aller seine Europazentrale hat und jährlich Milliarden Euro umsetzt.

Die Nähe zu den Viehzuchtbetrieben und zur Fleischindustrie spielt dafür eine Rolle. Denn das Fleisch, das im Hunde- oder Katzenfutter landet, stammt zwar von denselben Tieren wie die Menschennahrung, nur wird halt nicht das Filet verwendet. Stattdessen kommen bevorzugt die Teile in den Napf, die von Menschen mehr und mehr verschmäht werden: Leber, Hühnerhälse und fleischige Knochen, die sonst beispielsweise in der Düngemittel- oder Gelatineproduktion verwertet würden. Die Qualität sei ebenso hochwertig und vielleicht würde man sich sogar etwas gesünder ernähren. „Immerhin nutzen wir keine künstlichen Farbstoffe und keinen Zuckerzusatz“, sagt Vitakraft-Hersteller Meyer.

Auch in den Produktionshallen des Tierfutterproduzenten Seitz in Langwedel könnte man glauben, es würde Eintopf eingekocht: Seitz hat sich auf Hunde- und Katzennassfutter und da aufs Premiumsegment konzentriert. Man hat einen eigenen „Hofladen“, in dem man frisches Hunde- und Katzenfutter ähnlich wie abgepacktes Hackfleisch im Supermarkt aus der Kühlung anbietet.

Im Werk werden Innereien und Schlachtabschnitte in großen Plastikwannen angeliefert. Rind und Huhn kommt aus der Region und werden direkt vom Schlachthof geliefert. Exotischere Fleischsorten wie Känguru, Wild oder Ente haben eine längere Anreise und werden gefroren geliefert.

Das Fleisch wird gewogen, zerkleinert und über ein Förderband einer großen Maschine übergeben. Dort wird es in einem großen Bottich mit Gemüse und Soße vermischt – sieht aus wie ein großer Topf mit Chili con Carne. Dieser Brei wird durch Rohrleitungen in den nächsten Raum geleitet und in die wartenden Dosen gefüllt.

Ordentlich aufgereiht wandern diese, über weitere Förderbänder, quer durch die große Halle, werden automatisch in Wannen gestapelt und von einem Mitarbeiter in den nächsten Raum geschoben. Hier stehen mehrere große Metallfässer – ähnlich wie Gastanks –, in denen werden die Dosen eingekocht.

Über mehrere Stunden kochen sie in diesen Fässern, alle schädlichen Bakterien werden abgetötet und die Dosen sind anschließend 2 Jahre haltbar. Dann noch ein Etikett drauf und fertig ist das Hundefutter.

Bei der Produktion wird das Futters stetig auf seine Qualität kontrolliert, dabei hält sich das Unternehmen an die ­Fediaf-Richtlinien der „European Pet Food Industry Federation“. Das sind zwar keine festen Regeln, aber trotzdem ist es in der Heimtiernahrungsindustrie üblich, sich an diese Standards zu halten.

Diese Richtlinien beschreiben, was für eine artgerechte Ernährung von Hunden und Katzen eingehalten werden muss. Sie wurden von Ernährungswissenschaftlern entwickelt und werden jährlich aktualisiert. Auch die ernährungsphysiologische Bewertung von Tierfutter der Stiftung Warentest beruht auf diesen Richtlinien.

„Zusätzlich wird die Produktion regelmäßig vom Veterinäramt kontrolliert“, sagt Maria Wilhelm, Leiterin des Qualitätsmanagements des Unternehmens Seitz. Das Veterinäramt sei mit dem Gesundheitsamt vergleichbar und prüfe, ob sich an das Futtermittelgesetz gehalten werde. Denn wie bei der Lebensmittelproduktion gebe es Grenzwerte für bestimmte Mikroorganismen und die Verarbeitung des Fleisches müsse lückenlos zurückverfolgt werden können.

Im Jahr produziert Seitz ungefähr 11.000 Tonnen Dosenfutter, das sind etwa 25 Millionen Dosen, damit ist es ein kleines Unternehmen in der Branche. Zum Vergleich: Vitakraft produziert am Tag ungefähr 1,2 Millionen Produkte. Und Mars Petcare stellt in Verden per anno 200.000 Tonnen Futter her.

In den vergangenen zehn Jahren ist laut Statista GmbH der Umsatz der Heimtierfutterindustrie stetig gestiegen. Der Industrieverband Heimtierbedarf e. V. (IVH) meldet 2016 für den Hundefuttermarkt ein Umsatzwachstum von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit 44 Prozent hielt fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland 2016 ein oder mehrere Haustiere: Millionen Mäuler wollen gefüllt werden. Heimtierfutter herzustellen ist lukrativ.

Doch es gibt immer wieder neue Trends, wie sie gefüttert werden. Aktuell sei die „Bones And Raw Food“-Fütterung – kurz Barf – hoch im Kurs, sagt Tanja Hülsken, Key-Account-Managerin bei Seitz.

Dabei wird die Fütterung den Fressgewohnheiten von Wölfen nachempfunden. Es wird also rohes Gemüse und Fleisch gefüttert – quasi Paleo-Diät für Tiere. Die Halter*innen kaufen die einzelnen Zutaten gefroren oder getrocknet und stellen selbst die jeweiligen Menüs für ihre Lieblinge zusammen.

Die Firma Seitz produziert seit 30 Jahren tiefgekühltes Hundefutter und die Nachfrage danach steigt seit einigen Jahren. Während Futtermittelforscher wie Josef Kamphues von der Tierärztlichen Hochschule Hannover eher Zweifel an der Fütterungskompetenz der Halter*innen hegt (siehe Interview), ist Hülsken diesbezüglich zuversichtlich: Die Kunden wüssten genau, was ihr Hund brauche, das sei ihre Beobachtung. „Neu ist zum Beispiel die Nachfrage nach exotischen Fleischsorten wie Ente oder Känguru“, sagt Hülsken, „und auch beim Gemüse gibt es neue Trends.“

Zum Beispiel werde aktuell nach Mangold und Pastinaken gefragt. Die Lebensmittel, die den Halter*innen selbst gefallen, sollen auch die Tiere fressen. „Ob das immer notwendig ist, weiß ich nicht“, sagt Hülsken, „aber solange es dem Tier nicht schadet, erfüllen wir die Kundenwünsche gern.“

Dieter Meyer von Vitakraft nennt diese Kunden „Lifestyles of Health and Sustainability“ – kurz Lohas-Konsumenten. Sie achten besonders auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte bei ihrem Konsum und legen darauf auch bei dem Futter ihrer Tiere viel Wert darauf.

„Sie haben ein gutes Gefühl, wenn sie glauben, ihr Tier besonders artgerecht und qualitativ zu füttern“, sagt Meyer. Und letztlich sei die Barf-Fütterung auch nicht schlecht, aber man müsse genau wissen, was man tue.

„Natürlich ist es möglich, die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse meines Haustieres so gut zu kennen, dass ich ihm das Futter selbst mische“, sagt Meyer. Aber viele würden sich nicht intensiv mit den einzelnen Bestandteilen des Futters beschäftigen und ihr Tier daher nicht artgerecht ernähren.

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