Vielfalt und Herkunft im neuen Bundestag: Die AfD ist vielfältiger als die Union

Die Zahl der Abgeordneten mit Migrationshintergrund ist leicht gestiegen: von sechs auf acht Prozent. Die meisten haben europäische Vorfahren.

Zwei Männer sitzen an einem Tisch

Meist Migranten aus Europa – Karamba Diaby (SPD) ist der einzige afrikanischstämmige Abgeordnete Foto: dpa

BERLIN taz | Von den 709 Abgeordneten im neuen Bundestag haben nur 57 einen Migrationshintergrund. Das entspricht einem Anteil von 8 Prozent, wie der Mediendienst Integration am Donnerstag in Berlin unter Berufung auf Befragungen bei den Fraktionen und Parteien mitteilte.

Im Vergleich zu 2013, als 6 Prozent der Abgeordneten migrantische Wurzeln hatten, steigt der Anteil zwar leicht an. Doch er bleibt weit entfernt vom Durchschnitt der Bevölkerung. Denn in Deutschland leben rund 18,6 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte, das entspricht einem Anteil rund 22,5 Prozent. Der neue Bundestag spiegelt also auch in dieser Hinsicht nicht die Vielfalt der deutschen Gesellschaft wieder.

Den höchsten Anteil weist demnach die Linke mit knapp 19 Prozent auf, gefolgt von den Grünen mit knapp 15 Prozent. Für die AfD werden sieben Abgeordnete mit Migrationshintergrund im Parlament sitzen, das entspricht 7,5 Prozent. Bei der FDP haben fünf Parlamentarier eine Einwanderungsgeschichte, das sind 6,3 Prozent. Am homogensten ist die Union: Nur sieben der 246 Abgeordneten von CDU und CSU haben zumindest einen Elternteil, der aus einem anderen Land stammt, das sind knapp 3 Prozent. Die bisher einzige muslimische Abgeordnete der CDU, Cemile Giousouf, verpasste ihren Wiedereinzug in den Bundestag.

Mehr als ein Drittel der Parlamentarier mit Migrationshintergrund hat der Erhebung zufolge Bezüge zu anderen Ländern der EU. Dazu kommen vierzehn Abgeordnete mit türkischem Hintergrund. Sechs davon finden sich bei der SPD, vier bei den Grünen und drei bei den Linken. Der SPD-Politiker Karamba Diaby bleibt der einzige Abgeordnete afrikanische Herkunft im Bundestag. Er verpasste zwar das Direktmandat in Halle knapp, zog aber über den Listenplatz ein.

Vor allem bei der SPD und den Grünen besetzen Menschen mit migrantischen Wurzeln auch hohe Posten: Die deutsch-britische Juristin Katarina Barley (SPD) war Generalsekretärin und ist noch Familienministerin, Aydan Özoguz (SPD) ist Migrationsbeauftragte, Cem Özdemir ist Bundesvorsitzender der Grünen und war ihr Spitzenkandidat, die Bundestags-Newcomerin Canan Bayram gewann in Berlin-Kreuzberg das einzige Direktmandat der Grünen. 1994 waren Cem Özdemir und Leyla Onur (SPD) die ersten beiden Abgeordneten türkischer Herkunft im Bundestag.

Zwei Russlanddeutsche vertreten die AfD

Für die rechtspopulistische und flüchtlingsfeindliche AfD haben es mit Waldemar Herdt und Anton Friesen zwei russlanddeutsche Spätaussiedler, die noch in der Ex-Sowjetunion geboren wurden, in den Bundestag geschafft. Der bayrische Landeschef Petr Bystron und die hessische Abgeordnete Joana Eleonora Cotar sind Kinder von politischen Flüchtlingen aus Tschechien beziehungsweise Rumänien. Der Abgeordnete Paul Viktor Podolay wurde in der Slowakei geboren, der AfD-Intellektuelle Marc Jongen in Südtirol und der Bundesvorsitzende der „Jungen Alternative“, Markus Frohnmaier, in Rumänien. Er wurde als Kind von deutschen Eltern adoptiert.

Der Mediendienst Integration erhebt mit seiner Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da die angefragten Fraktionen den Migrationshintergrund ihrer Abgeordneten nicht systematisch erfassen. Die Bundesgeschäftsstelle der AfD reagierte gar nicht auf die Anfrage. Zusätzlich zu den Anfragen hat der Mediendienst die Liste der 709 Abgeordneten durch eigene Recherchen überprüft.

Die Zusammensetzung des neuen Bundestags spiegelt auch in anderer Hinsicht nicht die gesellschaftliche Vielfalt wieder. So liegt auch der Frauenanteil nur bei 30,7 Prozent und ist damit so niedrig wie seit knapp 20 Jahren nicht mehr. Niedriger war er zuletzt 1994: damals lag er bei 26,2 Prozent.

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