Alexander Gauland in Berlin-Zehlendorf: Würgegriff statt Bürgerdialog
Wegen eines Zwischenrufs wurden ein Mann und eine Frau von rabiaten Ordnern aus dem Rathaus Zehlendorf entfernt. Anzeige ist raus.
Als der Ordner auf die beiden zugeht, stehen diese auf. Das Paar hätte aus dem Saal gebracht werden können, ohne viel Aufsehen zu erregen. Doch dann schubst der erste Ordner die Frau, ein zweiter nimmt ihren Begleiter in den Schwitzkasten, fixiert mit einem Arm das Kinn, dreht den Arm des anderen auf den Rücken. Ein Video auf Youtube zeigt ab Minute 3,20 die Szene vom Freitagabend im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf. Die AfD in Steglitz-Zehlendorf hatte Spitzenkandidat Alexander Gauland zum „Bürgerdialog“ eingeladen.
Olemia Flores hat die Szene beobachtet und kann es immer noch nicht fassen. „Die beiden wollten bereits aufstehen und gehen“, sagt die stellvertretende Bürgerdeputierte des Integrationsausschusses im Bezirksparlament Steglitz-Zehlendorf. „Doch dann wird die Frau geschubst und der Mann im Würgegriff aus dem Saal gebracht.“ Flores spricht den AfD-Fraktionsvorsitzenden Peer Döhnert an. „Doch der hat nicht geantwortet“, so Flores. Döhnert war Burschenschaftler und bis 2012 auch für die Junge Freiheit tätig.
Publikum applaudiert
Empfohlener externer Inhalt
Gauland in Zehlendorf
Der Bürgerdialog mit Gauland hatte am Freitag um 18 Uhr begonnen. Die AfD hatte ihren Rechtsaußen eingeladen, um unter anderem über die „Grenzen des Sozialstaats zu sprechen. Mit dabei waren auch Sabine Gollombeck, Direktkandidatin für Steglitz-Zehlendorf und Lothar Mundt, Direktkandidat für Tempelhof-Schöneberg. „Wir freuen uns auf Ihr kommen und auf interessante Gespräche“, hieß es auf der Facebookseite der Partei, das „kommen“ klein geschrieben.
Doch allzu ernst war die Einladung zum Dialog nicht gemeint. Die Ordner waren eingeschritten als die Frau, die später geschubst wurde, gerufen haben soll: „Das ist doch Bullshit.“ Zuvor hatte Gauland laut Zeugen erklärt, die deutsche Presse würde kritischer über Trump berichten als die amerikanische. Als der Mann im Schwitzkasten aus dem Saal bugsiert wurde, applaudierte das Publikum.
Anzeige erstattet
Augenzeugin Flores hat auch gehört, wie der Mann im Schwitzkasten den Ordner nach seinem Namen gefragt hat. „Daffy Duck hat er geantwortet“, sagt sie: „Er trug keinerlei Emblem irgendeiner Securityfirma.“
Olemia Flores hat die beiden gewaltsam aus dem Saal Gebrachten bis zur Straße begleitet. Dort stand ein Mannschaftsfahrzeug der Polizei. „Die beiden haben Anzeige erstattet“, sagt Flores. Sie selbst durfte danach nicht mehr in den Bürgersaal zurück. Ordner hatten ihr den Zugang verwehrt. Von der AfD in Steglitz-Zehlendorf war gestern niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin