: Der große Sprung nach vorn
Wahlkampf Die SPD präsentiert ihre „Nationale Bildungsallianz für Deutschland“ und demonstriert, das zwischen Länderchefs und Martin Schulz kein Löschblatt passt
Aus Berlin Stefan Reinecke
Die SPD fährt am Montagvormittag in der Parteizentrale einiges auf, um zu zeigen, dass Bildung ihr Herzensanliegen ist. Sieben SPD-Länderchefs und -chefinnen samt Kandidat Martin Schulz präsentieren die „Nationale Bildungsallianz für Deutschland“. Vorab ist ein schön anzuschauender SPD-Spot zu sehen. Die Trennung zwischen Pressekonferenz und Wahlkampfevent scheint fließend.
Schulz wirkt konzentriert. Überschaubare Satzkonstruktionen, klare Botschaften – nichts mehr von den mitunter mäandernden Ausführungen, der manchmal aufscheinenden Unsicherheit bei Zahlen. „Das Festhalten am Kooperationsverbot bremst das deutsche Bildungssystem“, sagt er. Das ist die Kernbotschaft: Es soll mehr Geld an die Länder fließen.
Das hatte die Große Koalition 2006, damals mit tatkräftiger Unterstützung der SPD, per Verfassungsänderung verunmöglicht. Die Länder sind seitdem komplett für Bildung zuständig. Weil sich das als unpraktisch erwies, fließt wieder Geld von Berlin an die Länder, etwa für Hochschulen und um marode Schulen zu renovieren. Die SPD plant, dass der Bund pro Jahr drei Milliarden Euro an die Länder überweist. Für kostenfreie Kitas, Computer in Klassenzimmern, bessere Ausstattung von Berufsschulen.
Dafür müsste das Kooperationsverbot allerdings vollständig gekippt werden – und das ist eine komplizierte Operation. Denn dafür braucht man eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, auch die Länder müssen Ja sagen. Solange die Union sich gegen die Verfassungsänderung sperrt, passiert nichts.
Die SPD-Ministerpräsidenten-Riege verdrießt dies indes nicht. Man ist vielmehr überzeugt, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Olaf Scholz erinnert wie immer faktensicher („Artikel 104 c“) daran, dass auch die Union kürzlich im Bundestag dafür sorgte, dass – Kooperationsverbot hin oder her – kaputte Schulen mit Bundesmitteln renoviert werden. Auch CDU-Verantwortliche würden, so Scholz, kaum Nein zu mehr Geld für Kitas, Berufs- oder Ganztagsschulen sagen.
Manuela Schwesig, Regierungschefin in Schwerin, betont, dass ein Drittel aller Kinder eine Ganztagsschule besuchen, aber 80 Prozent der Eltern gerne Ganztagsplätze hätten. Dass die Union das Recht auf Ganztagsschule in ihrem Wahlprogramm fordert, diese de facto aber nicht finanzieren möchte, findet Schwesig zu Recht erwähnenswert.
Die SPD demonstriert mit dieser Aufwärmübung recht geglückt, dass sie bei der Bildung, in Ländern und im Bund, an einem Strang zieht. Und wo die Differenzen zur Union liegen. Stephan Weil, Regierungschef in Hannover und nicht bekannt für raumgreifende Metaphern, erkennt in dem SPD-Plan sogar den „großen Sprung nach vorn, um Bildung vom Geldbeutel der Eltern abzukoppeln“. Das ist dann doch eher übertrieben. In der Republik werden jährlich 90 Milliarden Euro für Bildung von der Kita bis zur Universität ausgegeben. Die Nationale Bildungsallianz würde eine Milliarde Euro zusätzlich verteilen.
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