: In einer zerstörten Welt leben
Jesiden Vor drei Jahren startete der IS den Angriff auf das jesidische Volk im Irak. Der Fotograf Giacomo Sini hat die Region jetzt bereist und zeigt das Leben dort
Als die Terrormiliz „Islamischer Staat“ 2014 in die Offensive ging, war ein Volk in besonderer Weise Ziel ihres Hasses: die Jesiden im Nordirak, sie sind eine Gruppe der Kurden, die einem vorislamischen Glauben folgt.
Ihre Wurzeln reichen Jahrtausende zurück. Die religiösen Vorstellungen werden mündlich überliefert, eine heilige Schrift existiert nicht. Die Jesiden glauben an einen allmächtigen Gott und sieben Engel, der wichtigste, „Tausi Melek“, wird von einem Pfau symbolisiert. Die Jesiden haben keine Kirchen; feiern keine Messen; die Geistlichen suchen die Gläubigen zu Hause auf.
Für die Dschihadisten sind die Jesiden nichts als Anhänger einer „heidnischen Religion“. Sie nahmen sich vor, sie auszurotten. Der IS erklärte, gefangene Jesidinnen könnten „legal“ versklavt werden. Im August 2014 griffen Einheiten des IS das Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden, die Region um die Stadt Sindschar in der Provinz Ninive an. Hier leben die meisten der weltweit rund eine Million Jesiden, hier ist ihr religiöses Zentrum, die Stadt Lalisch.
Das Gebiet unterstand der Kontrolle der irakischen Kurden, der Peschmerga und ihrer Regionalregierung. Diese ließ die Jesiden im Stich. Viele wurden damals getötet, mehr als 3.000 jesidischen Frauen und Mädchen verschleppt, viele sind bis heute in der Hand des IS. Gefangene Jesiden mussten zum Islam konvertieren. Wer sich weigerte, wurde erschossen. Die Stadt Sindschar wurde völlig zerstört.
Einzig Einheiten, die der PKK nahe standen, kamen den Jesiden zu Hilfe. Sie kämpften einen Korridor frei, durch den Zehntausende Jesiden fliehen konnten. Damit aber drangen sie in das Einflussgebiet der kurdischen Peschmerga vor – der schwelende innerkurdische Konflikt eskalierte. Die Peschmerga belagerten daraufhin die jesidischen Siedlungsgebiete – sie fürchteten ein Vorrücken der PKK-nahen kurdischen Truppen aus der nordsyrischen Region Rojava. Die Jesiden steckten mittendrin fest. Gemeinsam mit Einheiten der syrischen und türkischen Kurden leisteten sie Widerstand gegen den IS, es kam aber auch zu Kämpfen mit den irakischen Kurden. Im April bombardierte die türkische Armee die Region, um PKK-Einheiten zu treffen.
Am 25. September will der Präsident der kurdischen Autonomieregion, Massoud Barzani, über die Unabhängigkeit vom Irak abstimmen lassen. Teil des zukünftigen eigenständigen Staates soll auch die Sindschar-Region werden. Christian Jakob
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen