Plädoyers im NSU-Prozess: Das Ende ist noch nicht in Sicht
Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess zieht sich hin. Und die Opferanwälte wollen knapp 60 Stunden lang Schlussworte halten.
Der Donnerstag, Verhandlungstag 376, ist der dritte Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess. Und er wird zu einer Chronik des Grauens, die minutiös alle NSU-Verbrechen nachzeichnet. Greger tut dies in ruhigem Ton. Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte, starrt vor sich auf die Anklagebank, regungslos, auch über Stunden. Nur ihre Daumen kneten aneinander.
Klar wird an diesem Tag auch: Die Schlussphase des NSU-Prozesses wird noch lange dauern. Es ist unwahrscheinlich, dass die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer in den letzten beiden Verhandlungstagen vor der Prozesssommerpause abschließt. Und danach wartet schon der nächste Marathon.
Denn inzwischen gaben 50 der 60 Opferanwälte bekannt, wie lange sie im Prozess plädieren wollen: knapp 60 Stunden. 29 der Anwälte wollen sich in Gruppen zusammentun, 21 alleine plädieren. Allein Mehmet Daimagüler, Vertreter der Nürnberger Opferfamilien von Abdurrahim Özüdogru und İsmail Yaşar, veranschlagt ein fünfstündiges Plädoyer. Auch einige Angehörige selbst, etwa die Witwe und die Tochter des 2006 in Dortmund erschossenen Mehmet Kubaşık, überlegen, am Ende des Prozesses noch einmal selbst das Wort zu ergreifen.
Bewusster Weg in den Terror
Nach den Nebenklägern folgen dann die Plädoyers der Verteidiger der fünf Angeklagten. Auch die dürften noch einmal Wochen dauern. Erst danach kommt es zum Urteil.
Greger betonte am Donnerstag derweil nochmals, wer für die NSU-Verbrechen voll verantwortlich ist: Beate Zschäpe. Sie tauchte 1998 mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ab, obwohl ihr selbst keine große Strafe drohte. „Sie entschloss sich ganz bewusst für den Weg in den Terror.“ Zschäpe habe Zeitungsartikel zu den Taten gesammelt und an der Bekenner-DVD mitgearbeitet.
Und sie war es, die am 4. November 2011, als sich Mundlos und Böhnhardt schon erschossen hatten, den letzten Unterschlupf in Zwickau anzündete und die Bekenner-DVDs verschickte. „Sie hätte einen Schlussstrich für sich ziehen können“, sagt Greger. „Aber was machte sie? Sie versandte die Botschaft ihrer Verachtung.“
Dass noch andere Täter, neben Zschäpe und den toten Böhnhardt und Mundlos, für die NSU-Verbrechen infrage kämen, weist Greger vehement zurück. Anders als vielfach spekuliert habe beim Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für Unterstützer oder Mittäter ergeben.
Dann teilt Greger gegen die Opferanwälte aus: Überhaupt nirgends habe sich in Untersuchungsausschüssen „eine Existenz von rechten Hintermännern, die einige Rechtsanwälte ihren Mandanten offenbar versprochen haben, bewahrheitet“.
Von einer „Frechheit“ spricht daraufhin Sebastian Scharmer, Anwalt der Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubaşık. Der Prozess und die Ausschüsse hätten sehr wohl „zahlreiche Beweismittel“ für Unterstützer des NSU erbracht. Es sei vielmehr die Bundesanwaltschaft, die gescheitert sei, diese auch „angemessen“ zu ermitteln.
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