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Elf Meter müssen es sein

Zweckoptimismus Nur dank zweier Strafstöße stehen die Deutschen im Viertelfinale gegen Dänemark. Bundestrainerin Steffi Jones redet die harmlose Offensive schön

Astreiner Schuss: Dzsenifer Marozsán trifft aus der Lieblingsdistanz der deutschen Elf zum 2:0 gegen Russland Foto: dpa

Aus Utrecht Frank Hellmann

Launisch wie das Wetter in den Niederlanden hat sich das deutsche Team bislang bei dieser Europameisterschaft präsentiert. Eigenartig nur: Nach dem dritten Gruppenspiel gegen Russland (2:0) ist Steffi Jones der personifizierte Sonnenschein. Strahlend und glücklich. „Nervenaufreibend in positivem Sinne“ sei es gewesen, sagte die Bundestrainerin. Sie wirkte dabei so tiefenentspannt wie ihre Lieblings-Comicfigur Charlie Brown, den kleine Pannen gar nicht aus der Bahn zu werfen vermögen.

„Bis auf die Torabschlüsse bin ich mit dem Sieg zufrieden. Es war eine große Leistung, was Laufbereitschaft und Wille angeht.“ Und dann setzte die stets positive Denkende noch einen drauf: „Wir haben wieder eine Steigerung gesehen. Der Knoten platzt, die Maschinerie ist jetzt ins Rollen gekommen.“ Den 6.458 Stadionbesucher in Utrecht ist das vermutlich gar nicht aufgefallen. Drängte sich doch der Eindruck auf, dass der achtfache Europameister für die Titelverteidigung noch viel, viel besser werden muss, und außer im Tor gilt das für alle Mannschaftsteile. Insofern forderte die 44-Jährige mit ihren Feststellungen im Stadion Galgenwaard geradezu Widerspruch heraus.

Vertreter aus der Frauen-Bundesliga, Berater oder Scouts anderer Nationen wundern sich vor Ort über solche Analysen bisher nur hinter vorgehaltener Hand. Auch bei anderen Topteams liegt in der Vorwärtsbewegung vieles im Argen. Bei Deutschland mangelt es nicht nur bei der Torausbeute – und einer Sturm-Alternative zu der wiederholt wirkungslosen Anja Mittag – , sondern es fehlen einstudierte Abläufe, die es bei den vielen personellen Wechseln vielleicht noch gar nicht geben kann. Als am Dienstagabend am Ende auch Tabea Kemme eingewechselt wurde, hatten alle Feldspielerinnen in der Vorrunde mitgemacht. „Ich hatte vor, diese Gruppenphase mit Variabilität zu spielen, damit wir nicht so ausrechenbar sind“, erklärte Jones. „Das wird Richtung K.-o.-Spiele anders aussehen.“

Um einen international nur zweitklassigen Gegner auf die Bretter zu zwingen, brauchte es Strafstöße von Babett Peter (10.) und Dzsenifer Marozsán (56.). Damit resultierten drei der vier EM-Treffer aus Elfmetern. Ist das nicht ein bisschen wenig? „Mir ist wurscht, wie die Tore fallen“, entgegnete die zur „Spielerin des Spiels“ gekürte Abwehrchefin Peter, die immerhin eingestand: „Gegen Dänemark dürfen wir nicht so viele Chancen liegen lassen. Aber was sollen wir tun? Den Kopf in den Sand stecken? Irgendwann wird es wieder klappen.“

„Aber was sollen wir tun? Den Kopf in den Sand stecken? ­Irgendwann wird es wieder klappen“

Verteidigerin Babett Peter

Ansonsten droht schon im Sparta Stadion von Rotterdam das Ausscheiden. Gegen Dänemark ist Vorsicht geboten: Mit Pernille Harder vom VfL Wolfsburg läuft eine der weltbesten Stürmerinnen auf. Vielleicht ist es ganz gut, dass die von Jones auf Hochtouren laufende Rotationsmaschine eine Vereinskameradin ausgespuckt hat, die den Dreh- und Angelpunkt beim Gegner bestens kennt: Lena Goeßling. Nach mehr als acht Monaten ohne Pflichtspiel stach die 31-Jährige heraus. Bezeichnend für einen Kader, der nicht so viele prägende Persönlichkeiten besitzt.

Mit der Bundestrainerin stand sie im ständigen Austausch, erzählte die unter einem Knochenödem am Fuß leidende Goeßling, weshalb es wohl kein Zufall ist, dass auch sie felsenfest ans Happyend glaubt: „Wir haben unser Pulver noch nicht verschossen – wir haben uns die Tore für die nächsten drei Spiele aufgespart.“ Diese Sichtweise zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Delegation.

Im Gegenteil. „Wir haben das astrein gemacht“, gab die nach eigenem Bekunden müde wirkende Marozsán zu Protokoll. Ihr ist jeder kritischer Ansatz fremd: „Steffi stellt nach dem Gegner auf – wir sind Gruppenerster, also hat sie bisher alles richtig gemacht.“ Vielleicht ist die Perspektive gar nicht so schlecht. Die Zeiten der Dominanz weniger Topteams sind im Frauenfußball passé. „Alles ist hier knapp. Ist doch egal, wie wir die Spiele gewinnen. Wenn wir Europameister werden, fragt keiner mehr danach, wie viele Elfmeter wir dafür geschossen haben“, sagte Goeßling.

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