Friedensmarsch in Köln: Zeichen gegen Terror
Weniger als erwartet nahmen an der Auftaktkundgebung des Friedensmarsches teil. Ditib hatte die Veranstaltung vorab boykottiert.
Zu der Demonstration aufgerufen hatten die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und der Friedensaktivist Tarek Mohamad. Lamya ist Gründungsmitglied des Liberal-Islamischen Bundes. Mitgetragen wurde der Friedensmarsch vom Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland und der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Zu den ErstunterzeicherInnen des Aufrufs gehörten auch dutzende PolitikerInnen aller im Bundestag vertretenen Parteien.
„Unser Glaube ist friedlich“, machte die Autorin und Moderatorin Jacqueline Bakir-Brader direkt zu Beginn der Demo deutlich. „Wenn Islamisten Menschen auflauern und töten, geschieht das nicht in unserem Namen“, rief Initiatorin Kaddor. Ihr Mitstreiter Mohamad betonte, der Friedensmarsch richte sich gegen jede Form von Intoleranz – und rief zum Kampf gegen „Terrorismus, Nationalsozialismus und Homophobie“ auf.
„Islam ist für mich Frieden, nicht Krieg“, sagte auch Meral Şahin von der Kölner Interessengemeinschaft Keupstraße: 22 Menschen hatten Rechtsterroristen des sogenannten „nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) dort 2004 bei einem Nagelbomben-Attentat verletzt.
Von der relativ geringen Resonanz zeigten sich vor allem die Initiatoren selbst enttäuscht. „Ich kann nicht verstehen, dass nicht mehr Menschen gekommen sind“, sagte Kaddor.
Boykott durch Ditib
Dazu beigetragen haben dürfte vor allem der Boykott der Veranstaltung durch den größten muslimischen Dachverband in Deutschland, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). „‚Muslimische‘ Anti-Terror-Demos greifen zu kurz, stigmatisieren die Muslime und verengen den internationalen Terrorismus auf sie, ihre Gemeinden und Moscheen“, erklärte Ditib. Die Vereinigung, die tausende Moscheegemeinden in der ganzen Republik vertritt, hat ihren Sitz in Köln, untersteht aber der türkischen Religionsbehörde in Ankara.
Außerdem sei es Muslimen gerade im Fastenmonat Ramadan nicht zuzumuten „stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 25 Grad zu marschieren und demonstrieren“, erklärte Ditib – und erntete dafür scharfe Kritik über Parteigrenzen hinweg: Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die Sozialdemokratin Aydan Özoğuz, warnte Ditib vor dem vollständigen Verlust der Glaubwürdigkeit. Kritiker halten die Organisation für das Sprachrohr des autoritär regierenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Grünen-Chef Cem Özdemir hält die Ditib-Absage für „mehr als fadenscheinig“, CDU-Kanzlerin Angela Merkel nannte sie diplomatisch „einfach schade“. SPD-Bundesjustizminister Heiko Mass schrieb in einem Beitrag für den Kölner Stadt-Anzeiger, mit der Absage isoliere sich Ditib „immer mehr“. Der Verband dürfe „sich nicht wundern, wenn er so den Gegnern des Islam neue Argumente liefert.“
Zuspruch bekamen Kaddor und Mohamad dagegen vom Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen SPD, Mike Groschek, und dem Vorsitzenden der Grünen Landtagsfraktion im Düsseldorfer Landtag, Arndt Klocke – beide Politiker waren in Köln vor Ort. Kaddor sei eine „mutige Frau“, sagte Klocke. „Die Initiatoren dürfen sich von der Teilnehmerzahl nicht entmutigen lassen“, meinte Groschek: Die Bewegung des „Islam von unten“ müsse weiter wachsen. Weitere Demonstrationen gegen den Terror sind in Berlin und Hannover geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt