: Polizei soll Staatsschutz-Computer beschlagnahmen
Beweisvernichtung Betroffene der Göttinger Aktenaffäre stellen Strafantrag gegen Beamte
Am Freitag war bekannt geworden, dass der Staatsschutz bis 2015 ohne rechtliche Grundlage Daten von zahlreichen mutmaßlichen Linken gesammelt hatte. Nach Angaben der Anwälte füllen die Akten fünf Ordner. Sie enthalten demnach Namen, Adressen, körperliche Merkmale, Religionszugehörigkeit, Arbeitsplatz, Informationen über Social-Media-Profile, die Zugehörigkeit zu Organisationen sowie Fotos. Die genaue Anzahl der Ausgespähten ist bislang unbekannt.
Dass die Sammlung nicht digital geführt wurde, belegt den Rechtsanwälten Sven Adam und Christian Woldmann zufolge, dass der Vorgang für den „Rest der Polizei“ unbekannt bleiben sollte. Der Staatsschutz scheine „ein Eigenleben entwickelt zu haben“. Das bestätigte am Wochenende indirekt auch Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig. Die Datenspeicherung sei der Polizeidirektion – ihr ist die Inspektion unterstellt – erst 2016 „zur Kenntnis gegeben“ worden. Lührig sagte auch, „dass die Unterlagen bereits vernichtet wurden“. Wann und von wem, teilte der Polizeichef aber nicht mit.
„Wir haben nach dieser Information bereits am Samstag gegenüber der Staatsanwaltschaft Göttingen die Beschlagnahme der Löschprotokolle sowie sämtlicher Dienstrechner des Staatsschutzes und deren Auswertung beantragt“, sagte gestern Anwalt Adam. Die nun bekannt gewordene Vernichtung der Unterlagen verhindere die vollständige Aufarbeitung und erschwere den Nachweis der Verantwortlichkeiten. Es handele sich möglicherweise um eine Beweismittelvernichtung, deren Strafbarkeit nach einer Vielzahl von Strafvorschriften in Betracht komme.
„Der Kollege Adam und ich haben heute bei der Staatsanwaltschaft Göttingen Strafanzeige gegen zunächst unbekannte Polizeibeamte wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung im Amt, der Unterdrückung von Beweismitteln und der Urkundenunterdrückung erstattet“, berichtete Woldmann. Die Staatsanwaltschaft war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Reimar Paul
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