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Kommentar Bundeswehr in IncirlikKein bisschen Hoffnung

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Im Streit zwischen Deutschland und der Türkei um die Bundeswehr in Incirlik wartet die Bundesregierung weiter ab. Bringen wird ihr das nichts.

Ist immer freudig aufgeregt, wenn Besuch kommt: Tornado der Bundeswehr in Incirlik Foto: dpa

D ie Vorstellung hat was: Streitschlichter Sigmar Gabriel fliegt nach Ankara, um mit dem türkischen Präsidenten noch einmal über den Fall Incirlik zu reden. Das Gespräch zieht sich, Gabriel muss seinen Rückflug verschieben, aber am Ende hat er Recep Tayyip Erdoğan doch überzeugt.

In Zukunft dürfen deutsche Abgeordnete die Bundeswehrsoldaten am Standort Incirlik wieder besuchen. Nicht nur einmal, sondern wann immer sie wollen. Die Verlegung nach Jordanien, mit all dem Aufwand, mit all den Kosten? Vom Tisch.

Klingt unrealistisch? Für die Bundesregierung offenbar nicht. Noch einmal zögert sie den Abzug der Bundeswehr aus Incirlik für zwei Wochen heraus, noch einmal will sie mit der türkischen Regierung sprechen, dieses mal soll Außenminister Gabriel die Gegenseite überzeugen. Nur: Warum sollte die türkische Regierung nach dem monatelangen Streit um Incirlik ausgerechnet jetzt umschwenken?

Rational hat sie dafür keine neuen Gründe. Zieht die Bundeswehr tatsächlich ab, entstehen der türkischen Regierung aus ihrer eigenen Sicht keine unmittelbaren Nachteile. Die Aufklärungsflüge der deutschen Tornados schwächen zwar den IS in den Nachbarländern Syrien und Irak, der Kampf gegen die Terrormiliz hat für Ankara aber nicht erste Priorität. Die Flugzeuge wurden nicht auf Bitten der Türkei in Incirlik stationiert. Entsprechend kalt ließe Erdoğan ihr Abzug.

Bleibt als einzige Hoffnung eine irrationale Meinungsänderung der Türkei, ein Einlenken ohne nachvollziehbaren Grund

Dazu kommt: Der Streit um das Besuchsrecht ist nicht mehr als eine bilaterale Verstimmung zwischen Deutschland und der Türkei. Versuche der Bundesregierung, den Konflikt auf eine höhere, breitere Stufe zu heben, sind gescheitert. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat längst klargestellt, dass sich das Militärbündnis nicht für den Streit interessiert. Entsprechend muss die türkische Regierung keine Verachtung der übrigen Bündnispartner fürchten, sollte sie die Bundeswehr tatsächlich aus Incirlik vergraulen.

Bleibt als einzige Hoffnung eine irrationale Meinungsänderung der Türkei, ein Einlenken ohne nachvollziehbaren Grund. In den vergangenen Monaten hat Erdoğan in der Außenpolitik immer mal wieder solche unerklärlichen Kehrwenden hingelegt, theoretisch ist das auch jetzt denkbar. Eine Bundeswehr-Stationierung aber, die einzig von der Laune eines unberechenbaren Autokraten abhängt, wäre am Ende auch nichts wert.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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3 Kommentare

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  • Wenn ich die beiden ersten Leserkommentare lese, gewinne ich den Eindruck, dass auch etliche Deppen zur TAZ-Leserschaft gehören.

  • die eigentliche frage ist doch was hat die bw (oder auch nato offiziell) in jordanien zu suchen?

  • "theoretisch ist das auch jetzt denkbar"

     

    Bei einem geschickten Diplomaten wie Gabriel ist - bis zur Kriegserklärung durch die Türkei - alles möglich. Zur Vermeidung größerer Schäden sollte man über ein Reiseverbot für Gabriel außerhalb der EU nachdenken.