Pressefreiheit in der Türkei: Razzia gegen drittgrößte Zeitung

Das Boulevardblatt „Sözcü“ übte scharfe Kritik an Präsident Erdogan. Nun wurden der Online-Chef und die Geschäftsführerin verhaftet.

Ein Zeitungsständer mit türkischen Zeitungen

Wird immer weiter eingeschränkt: die Pressefreiheit in der Türkei Foto: dpa

BERLIN taz | Wieder werden in der Türkei Journalisten verhaftet, wieder gerät eine Zeitung ins Visier von Polizei und Justiz. Am Freitagmorgen erschienen Polizei und Staatsanwälte bei Sözcü, einem nationalistischen Boulevardblatt, dass allerdings aus einer säkular-kemalistischen Haltung heraus zu den schärfsten Kritikern des islamischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zählt.

Verhaftet wurden der Online-Chef des Blattes, Mediha Olgun, und die Geschäftsführerin Yonca Keleli. Zu dem Reporter Gökmen Ulu gibt es unterschiedliche Angaben. In den Online-Netzwerken hieß es, er sei ebenfalls festgenommen worden, sein Anwalt sagte dagegen, bei ihm werde lediglich das Haus durchsucht. Mit Haftbefehl gesucht wird dagegen der Herausgeber und Besitzer von Sözcü, Buray Akbay.

Die Redaktion von Sözcü bestätigt bislang lediglich, dass eine Polizeioperation gegen die Zeitung stattfindet, schreibt aber, die Zeitung werde auf jeden Fall weiter erscheinen. Sözcü ist mit einer Auflage von 270.000 Exemplaren nach Hürriyet und Sabah das drittgrößte Blatt der Türkei. Die Geschichten in Sözcü sind oft grenzwertig, aber die Zeitung überrascht auch immer wieder mit interessanten Informationen.

So soll auch die jetzige Operation gegen Sözcü mit einer wichtigen journalistischen Leistung der Redaktion zusammenhängen. In der Putschnacht des 15.Juli 2016, als alle Welt sich noch fragte, wo Präsident Erdogan steckt, war das Onlineportal von Sözcü das erste, das herausfand hat, dass Erdogan sich in einem Ferienressort in Marmaris aufhielt. Autor der Geschichte war eben der Reporter Gökmen Ulu, der jetzt womöglich festgenommen wurde. Der offizielle Vorwurf gegen die Sözcü-Journalisten und -Geschäftsleute ist jedenfalls „Unterstützung der Gülen-Bewegung“.

Buray Akbay, der Besitzer und Herausgeber des Blattes ist ein schillernder Geschäftsmann, der auch in Deutschland bekannt wurde, als er vor Jahren in den Bieterwettstreit über den Kauf der Frankfurter Rundschau mit einstieg. Damals rätselten die Kollegen in Frankfurt, wie ernsthaft die Absichten von Buray Akbay waren. Immerhin besitzt Akbay im Umland von Frankfurt eine Druckerei, wo auch die Europaausgabe von Sözcü erscheint.

Buray Akbay soll sich zur Zeit in Frankreich aufhalten. Er wird wohl nicht so schnell nach Istanbul zurückkehren. Viele Journalisten in der Türkei sehen in dem Angriff auf die säkulare Zeitung eine Vorstufe für einen neuerlichen Angriff auf die ebenfalls säkular orientierte Hürriyet. Denn trotz aller Repression und den daraus resultierenden Entlassungen von Chefredakteuren und wichtigen Journalisten ist Hürriyet immer noch die größte und wichtigste Zeitung der Türkei.

Und selbst Sözcü verkauft täglich mehr Exemplare als Yeni Safak, das Hausblatt der AKP. Für die 13 verhafteten Kollegen der linksliberalen Cumhuriyet fand am Donnerstag eine Mahnwache statt, weil sie bereits seit 200 Tagen im Gefängnis sitzen.

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