Bürgerkrieg und Unterernährung: Der Jemen hungert
Mehr als die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung leidet an Hunger. Dies sei gegenwärtig die größte humanitäre Katastrophe der Welt, so das Rote Kreuz.
Das Hilfswerk fordert die Bürgerkriegsparteien im Jemen zu einem unmittelbaren Waffenstillstand auf. Der scheint derzeit aber in weiter Ferne. Es sei eine Krise, bei der die Welt wegblicke, schreibt das ICRC.
Der Jemen ist das ärmste arabische Land und hat – abgesehen von der Bab-al-Mandab-Meerenge im Roten Meer – geringe strategische Bedeutung. Das Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel besitzt kaum Öl und ist zu weit entfernt, als dass die Flüchtlinge dieses Krieges nach Europa kommen würden. Das führt auch dazu, dass die humanitäre Krise im Jemen kaum Schlagzeilen macht.
„Die Lage im Jemen ist so schlimm wie nie zuvor“, erklärt Reem Nada von der Welternährungshilfe in Kairo gegenüber der taz. Allein im letzten Jahr seien zu denen, die ohne internationale Hilfslieferungen nicht überleben können, drei Millionen Menschen dazugekommen. Der Bürgerkrieg habe die Lage rapide eskalieren lassen.
Die Wirtschaft ist am Boden
Auch das ICRC sieht den Bürgerkrieg, der nun schon fast zwei Jahre andauert und der durch regelmäßige Luftangriffe von Saudi-Arabien verschärft wird, als Hauptursache der humanitären Krise. Der Krieg verhindere Nahrungsmittelimporte, zerstöre den Lebensunterhalt vieler Menschen und verhindere Hilfslieferungen, heißt es in der ICRC-Erklärung.
Das Hilfswerk fordert nicht nur die jemenitischen Kriegsparteien, sondern auch Saudi-Arabien zu einem unmittelbaren Waffenstillstand auf, damit Hilfsorganisationen Zugang zu allen Teilen des Landes bekommen.
Der Krieg hat eine verheerende Kettenreaktion ausgelöst, schildert Reem Nada vom Welternährungsprogramm. „Der Jemen hängt heute fast vollständig von Nahrungsmittelimporten ab. Dazu kommt die wirtschaftliche Krise. Die Staatsangestellten haben seit sieben Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Sie können sich Nahrungsmittel einfach nicht mehr leisten“, erklärt sie.
Zudem habe die Abwertung des jemenitischen Riyal zu enormen Preissteigerungen geführt, weil Importe dadurch noch teurer geworden seien. Auch könnten sich Bauern nicht mehr die Dinge leisten, die sie für die Produktion ihrer Güter benötigten, wie zum Beispiel Treibstoff, Dünger und Saatgut. „Damit werden heute 30 Prozent weniger in der Landwirtschaft im Jemen produziert als vor der Krise“, sagt Nada.
Millionen fehlen
Die internationalen Organisationen haben derzeit zu wenig Mittel zur Verfügung, um die Lage zu managen. „Die UNO hat für ihre gesamte Arbeit im Jemen im Februar für das ganze Jahr 2,1 Milliarden Dollar veranschlagt, um diese humanitäre Krise zu managen. Bisher sind nicht einmal mal acht Prozent dieser Summe gedeckt“, erläutert sie.
Das betrifft auch die Welternährungshilfe. „Uns fehlen 460 Millionen Dollar, um für die nächsten sechs Monate genug Nahrungsmittel für sieben Millionen Menschen zur Verfügung zu stellen. Wir geben daher pro Person nur ein Drittel der benötigten Ration aus“, sagt Nada.
Das sei eine schwierige Entscheidung gewesen. Man könne entweder weniger Menschen versorgen oder mehr mit weniger Nahrung. Die Welternährungshilfe hat sich für Zweiteres entschieden: Möglichst viele Menschen werden versorgt, bekommen aber weniger, als sie brauchen. Die Hoffnung ist, dass so mehr Menschen überleben.
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