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„Viel mehr als nur ein Symbol“

Irak Islamexperte Guido Steinberg über die Mossul-Offensive gegen den IS

Guido Steinberg

geb. 1968, ist promovierter Islamwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er beschäftigt sich mit terroristischen Gruppierungen, der Region Irak/Syrien und der Arabischen Halbinsel.

taz: Herr Steinberg, seit Oktober versuchen regierungstreue Truppen, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ vollständig aus Mossul zu vertreiben. Im Ostteil der Stadt waren sie erfolgreich. Und im Westen?

Guido Steinberg: Die Operation im Westen scheint im Moment sogar etwas schneller abzulaufen als die im Osten, die insgesamt vier Monate dauerte. Es gibt teils heftige Kämpfe, aber die Regierungstruppen rücken schrittweise vor. Es geht langsam, da immer noch bis zu 800.000 Zivilisten in der Stadt sind. Die Versorgungslage ist katastrophal, doch der IS verbietet die Flucht.

Vor bald drei Jahren nahm der IS Mossul ein. Damals hörte eine breite Öffentlichkeit erstmals von der Terrorgruppe. Wäre die Rückeroberung vor allem ein symbolischer Sieg?

Mossul war und ist die wichtigste Hochburg des IS. Es ist kein Zufall, dass Abu Bakr al-Baghdadi in dieser Stadt das Kalifat ausrief. Der Verlust von Mossul wird für den IS also sehr viel mehr als eine wichtige symbolische Niederlage sein.

Wer ist an der Mossul-Offensive gegen den IS beteiligt?

Es sind vor allem irakische Regierungstruppen, darunter mehrere von den USA für die Terrorismus- und Aufstandsbekämpfung ausgebildete Spezialeinheiten. Auch amerikanische und europäische Kräfte sind im Hintergrund an den Kämpfen beteiligt. Die von den USA angeführte Koalition fliegt auch Luftangriffe, die allerdings mit dem Vorrücken der Bodentruppen an Intensität nachgelassen haben.

Sind auch die umstrittenen schiitischen Milizen beteiligt?

Die irakische Regierung hat den schiitischen Milizen die Sperrung der Verbindungslinie von Mossul nach Syrien übertragen. Die letzte Straße wurde Anfang März von ihnen geschlossen. Sie kämpfen vor allem in und um die Stadt Tal Afar.

Werden diese Kräfte von der lokalen Bevölkerung als „Befreier“ akzeptiert?

Die schiitischen Milizen sind bei den Sunniten verhasst und gefürchtet, weil sie in anderen Regionen schwere Verbrechen begangen haben. Zahlreiche Morde an Gefangenen und Zivilisten, Entführungen und Folter werden ihnen zugeschrieben.

Hat denn die Zentralregierung in Bagdad die Kontrolle über diese Milizen? Oder hören sie auf den Iran?

Die wichtigsten Milizen sind vollkommen unabhängig von der irakischen Regierung, sie stehen unter dem Einfluss der iranischen Revolutionsgarden, die auch Militärberater stellen. Insbesondere die Badr-Organisation, die auch das irakische Innenministerium kontrolliert, gilt als Instrument Irans.

40 Prozent erobert

Die irakische Armee hat im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) nach UN-Schätzungen etwa 40 Prozent des westlichen Teils der Stadt Mossul befreit. Damit schwelle auch der Flüchtlingsstrom an, berichtete Bruno Geddo, Einsatzleiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, am Donnerstag aus dem Auffanglager Hammam al-Alil rund 20 Kilometer südlich der Stadt. Etwa 8.000 bis 12.000 Menschen kämen inzwischen täglich in dem Lager an.

IS-Kämpfer drohten in ihrer einstigen Hochburg jedem, der die Flucht wage, mit Erschießung. Nur aus befreiten Gegenden sei die Flucht wirklich möglich. (dpa)

Lässt sich sagen, je größer die Erfolge gegen den IS, desto mehr bröckelt die Autorität der Zentralregierung im Irak?

Wenn Mossul fällt, wird dies vor allem ein Sieg der Zentralregierung sein. Allerdings muss sie anschließend große Teile der schiitischen Milizen tatsächlich unter ihre Kontrolle bringen. Gelingt dies nicht, droht eine weitere Schwächung der irakischen Zentralregierung.

Städte wie Tikrit, Falludscha und Ramadi, aber auch Ost-Mossul wurden dem IS ja bereits wieder entrissen. Wie ist die Erfahrung dort?

Teilweise so schlimm, dass die schiitischen Milizen in Mossul auf Druck der USA an den Rand gedrängt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass sie in Tal Afar auf schlimmere Gewalttaten gegen die Bevölkerung verzichten und keinen Zugang nach Mossul erhalten. Für eine künftige Beruhigung der politischen Lage im Irak ist es zwingend, dass nicht noch mehr religiös motivierte Gewalttaten verübt werden.

Interview Jannis Hagmann

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