UN zur Menschenrechtslage in der Türkei: Im Südosten wenig Beachtung

Die Vereinten Nationen werfen der Türkei Verletzung der Menschenrechte vor. Im Südosten des Landes seien diese seit Mitte 2015 nicht beachtet worden.

Eine Frau guckt auf zerstörte Häuser

Eine Frau im März 2016 in Cizre. Zuvor hatten sich PKK und die türkische Armee Gefechte geliefert Foto: dpa

GENF dpa | Die Vereinten Nationen haben der Türkei schwere Menschenrechtsverletzungen im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes vorgeworfen. Dort hätten Sicherheitskräfte zwischen Juli 2015 und Dezember 2016 ganze Stadtteile niedergemäht und bis zu einer halben Million Menschen vertrieben, berichtete das UN-Menschenrechtsbüro am Freitag. „Es scheint, dass die Beachtung der Menschenrechte zumindest seit Juli 2015 im Südosten der Türkei nicht funktioniert hat“, heißt es in dem Bericht.

Unter den 2.000 Toten seien 1.200 Zivilisten. Bei den Zivilisten handele es sich mehrheitlich um Kurden; unter ihnen seien zahlreiche Frauen und Kinder, sagte der Sprecher des Büros, Rupert Colville, in Genf. Ankara macht die verbotene kurdische Arbeiterpartei (PKK) für Gewalt und Zerstörung verantwortlich.

Die Türkei sei zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt gewesen, etwa den Terroranschlägen und dem Putschversuch im Juli 2016, heißt es in dem Bericht. Aber die Maßnahmen nach der Verhängung des Ausnahmezustands bereiteten Sorge. „In der Südosttürkei zielten diese Maßnahmen offenbar auf Kritiker im Allgemeinen und politische Oppositionsparteien im Besonderen ab.“

Die Türkei habe bislang keine Menschenrechtsexperten in die Region gelassen, um die schweren Vorwürfe zu untersuchen. Das Menschenrechtsbüro stütze sich deshalb auf Gespräche mit Vertriebenen, Angaben der Regierung, von Hilfsorganisationen und auf Satellitenaufnahmen, die die Zerstörung dokumentierten. Manche Ortschaften glichen Mondlandschaften, zitiert das Büro Bewohner.

In Nusaybin seien fast 1.800 Häuser zerstört worden, in Sur seien 95 Prozent der Menschen vertrieben worden. Im Februar 2016 seien in Cizre 189 Menschen unter Dauerbeschuss in Keller geflohen und hätten dort bei eisiger Kälte wochenlang ohne Essen, Trinken oder Medikamente festgesessen, ehe sie bei einem Brand umkamen.

Die Behörden hätten Anklagen abgeschmettert und Anwohner gezwungen zu unterschreiben, dass ihre Häuser „von Terroristen“ zerstört worden seien, berichtet das Büro nach Aussagen von Anwohnern. In Cizre hätten Soldaten nach diesen Angaben rassistische und sexistische Parolen und Beleidigungen der Anwohner an Häuserwände geschmiert.

Die Regierung habe den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad Al Hussein, zwar zu einem Besuch eingeladen, sagte Colville. Der werde die Einladung aber erst annehmen, wenn unabhängige Ermittler die Lage vor Ort untersucht hätten.

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