Verleihung der Academy Awards: Milde Worte und eine Riesenpanne
Ein Drama über einen homosexuellen Schwarzen gewinnt den Oscar als bester Film. Die große Breitseite gegen Trump bleibt bei der Verleihung aus.
„Shit“ oder „Fuck“ sagte niemand. Denn Kraftausdrücke wurden nach alter US-Zensurtradition herausgebeept, sogar die in Filmausschnitten vorkommenden.
Dabei gibt es doch so verdammt viele Gründe, die Awards zu verwünschen – oder besser die Umstände, unter denen das Land durch eine fatale politische Entscheidung ächzt. Politisch sollte sie werden, die 89. Oscar-Verleihung, moderiert von einem der losesten Mundwerke der TV-Unterhaltung, Jimmy Kimmel, und mit Veränderungen im Vorfeld, die hoffnungsfroh stimmten: Die Präsidentin der American Academy, Cheryl Boone Isaac, hatte kurzfristig 680 neue Mitglieder berufen, die für mehr Diversität in den Reihen der Akademie sorgen, und den alten weißen Heteromännern ein für allemal den Garaus machen sollten.
Was die Nominierungen betrifft, gab es nicht viel zu meckern: Viele „people of colour“ in den Reihen der FilmemacherInnen und SchauspielerInnen, die den Rassismus in ihren Werken thematisch abhandelten („Fences“, „Hidden Figures“, „Moonlight“) – aber eben auch ein Musical, das gekonnt vor allem das „klassische Hollywood“ und damit den traditionellen Unterhaltungs-Eskapismus inklusive Love Story feierte: „La La Land“ von Regisseur Damien Chazelle.
Die Show selbst feuerte zwar einige gemäßigte Verbalspitzen in Richtung Trump – vor allem durch ihren unverzagten Moderator, der in seinem zweiten Satz etwa schon die internationalen ZuschauerInnen erwähnte, „die uns jetzt alle hassen“. Doch deutlich ätzen wollten nur wenige – darunter Laudator Gael Garcia Bernal, der sich als Mexikaner klar gegen die Mauerpläne der US-Regierung aussprach.
Die PreisträgerInnen waren etwas eindeutiger: Asghar Farhadis Film „The Salesman“, gegen den der deutsche Beitrag „Toni Erdmann“ in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ den Kürzeren zog, wurde von der iranischstämmigen Unternehmerin Anousheh Ansari entgegengenommen. Sie las ein Statement Farhadis vor, in dem er sein Nicht-Erscheinen mit „Achtung für mein Volk und die Einwohner der anderen sechs Länder, die vom unmenschlichen, respektlosen US-Gesetz gegen die Einwanderung von Immigranten betroffen sind“ erklärte.
Beste Nebendarstellerin: Viola Davis („Fences“), Beste Nebendarstellerin: „Zootopia“ von Byron Howard, Rich Moore and Clark Spencer, Bestes adaptiertes Drehbuch: "Moonlight", Beste Kamera: Linus Sandgren („La La Land“), Bester Ton: „Hacksaw Ridge“, Bester Tonschnitt: „Arrival“ , Bester Soundtrack: „La La Land“, Bester Filmsong: „City of Stars“ aus „La La Land“ von Justin Hurwitz, Bestes Produktionsdesign: „La La Land“, Bestes Kostüm: Colleen Atwood, „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, Bester Dokumentarfilm: „O.J.: Made in America“ (Ezra Edelman and Caroline Waterlow), Bester Kurzdokumentarfilm: „The White Helmets“ (Orlando von Einsiedel und Joanna Natasegara), Bester Schnitt: „Hacksaw Ridge“, Beste Maske: „Suicide Squad“, Bester Animationskurzfilm: „Piper“, Bester Realkurzfilm: „Sing“ von Kriestof Deak und Anna Udvardy, Beste Visualeffekte: „The Jungle Book“
„La La Land“ gewann am Ende sechs Auszeichnungen, unter anderem für die beste Hauptdarstellerin (Emma Stone), Kamera und Regie, aber weniger als bei 14 Nominierungen erhofft. „Bester Hauptdarsteller“ wurde nicht Ryan Gosling, sondern Casey Affleck für „Manchester-by-the-sea“, und auch der Oscar für das beste Original-Drehbuch ging an das Drama.
Der größte Patzer passierte in der Kategorie „Bester Film“. Warren Beatty, der – anscheinend ausgestattet mit einem notariell beglaubigten falschen Umschlag (!) – rief fälschlicherweise „La La Land“ zum Sieger aus – ein Fehler, der sich erst klärte, nachdem Cast und Crew bereits auf der Bühne jubelten, und dann schnell Platz für die Filmcrew von „Moonlight“ machen mussten. Die konnte ihr Glück kaum fassen: Ein berührender Film über einen homosexuellen Schwarzen im Drogenmilieu, der zudem noch die Preis für den besten Nebendarsteller (Mahershala Ali) und das beste adaptierte Drehbuch gewann. Mal sehen, was Trump dazu twittert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich