US-Sicherheitsberater zurückgetreten: Versehentlich gelogen
Michael Flynn musste gehen, weil er die Unwahrheit über ein Telefongespräch mit dem russischen Botschafter sagte. Kommt da noch mehr?
Kellogg ist auch einer von drei Kandidaten, die derzeit als ständige Nachfolger Michael Flynns gehandelt werden. Die anderen sind der frühere CIA-Chef Exgeneral David Petraeus und der Vizeadmiral Robert Harward.
Flynn war über Telefongespräche gestolpert, die er im Dezember mit dem russischen Botschafter Sergej Kilyak geführt hatte: Darin, so wird ihm vorgeworfen, hatte er über die – von Präsident Barack Obama wegen der russischen Einmischung in die US-Wahlen verhängten – Sanktionen gegen Russland gesprochen. Flynn habe dem Botschafter versichert, die Sanktionen würden mit Trumps Amtsantritt schon verschwinden, er solle sich nicht zu große Sorgen machen.
Damit verstieß Flynn nicht nur gegen diplomatische Gepflogenheiten, sondern womöglich auch gegen US-Gesetze. Namentlich der sogenannte „Logan Act“ verbietet es Privatpersonen, nicht autorisierte Verhandlungen mit ausländischen Regierungen über US-Angelegenheiten zu führen. Dieses Gesetz allerdings, obwohl 1799 eingeführt, wurde noch nie zur Strafverfolgung angewendet – und das wird wohl auch so bleiben.
Flynn hatte wochenlang bestritten, mit Kilyak über die Sanktionen gesprochen zu haben. Dann aber veröffentlichte die Washington Post vergangene Woche einen Bericht, der unter Berufung auf neun verschiedene Geheimdienstquellen das Gegenteil aussagte. Flynn ruderte zurück, sprach davon, „möglicherweise“ sei das Thema bei seinem Telefongesprächen doch angesprochen worden, er sei sich nicht so sicher.
Angeblich nur ein Versehen
In seinem Rücktrittsschreiben erklärt Flynn nun, er habe den Vizepräsidenten Mike Pence versehentlich nicht vollständig informiert, wofür er ihn und den Präsidenten um Entschuldigung bitte. Pence war Mitte Januar vor die Öffentlichkeit getreten und hatte – unter Berufung auf Gespräche mit Flynn – kategorisch versichert, an den Vorwürfen sei nichts dran.
Nach allgemeiner Einschätzung ist es vor allem die Tatsache, dass Flynn gegenüber dem Vizepräsidenten gelogen haben soll, die ihn jetzt das Amt gekostet hat.
Aber war Pence wirklich so ahnungslos? Am Montag hat die Washington Post jetzt einen Bericht veröffentlicht, wonach das Justizministerium – noch unter der inzwischen gefeuerten Interimsministerin Sally Yates – schon vor Wochen vor Flynns möglicher Erpressbarkeit durch die russische Regierung gewarnt hatte. Die Ministerin und die Geheimdienste wussten seit Längerem, dass Flynn mit dem russischen Botschafter tatsächlich über die Sanktionen gesprochen hatte.
Fehlstart US-Präsident Donald Trump hat den Nationalen Sicherheitsrat, eigentlich ein strikt professionelles Gremium, politisiert. Generalstabschef und Geheimdienstkoordinator sind als ständige Mitglieder raus, Trumps Chefstratege Stephen Bannon ist drin. Und sein Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn ist der Erste der neuen Regierung, der zurücktreten muss.
Sicherheitsalbtraum Als Trump am Wochenende telefonisch über den Abschuss einer nordkoreanischen Rakete informiert wurde, saß er gerade mit Japans Ministerpräsident Abe im Speisesaal seines eigenen Feriendomizils Mar-a-Lago in Florida – an den anderen Tischen normale zahlende Gäste des Trump-Unternehmens. Die hörten nicht nur Trumps Telefonat mit, sondern veröffentlichten auch zahlreiche Fotos auf sozialen Medien – nicht zuletzt vom „Football“, dem Koffer mit den Atomcodes. (pkt)
Wenn aber auch der Vizepräsident schon früher darüber informiert gewesen sein sollte, dann hat er bewusst die Öffentlichkeit belogen.
Flynns schneller Rücktritt wäre in diesem Fall vor allem ein Versuch, die Affäre so klein wie noch eben möglich zu halten.
Michael Flynn war im Wahlkampf recht früh zu Trump gestoßen. Der konservative Exmilitär erwies sich als erfolgreicher Einpeitscher. Immer wieder griff er zum Beispiel die demokratische Bewerberin Hillary Clinton scharf an. Er animierte die Menge zu „Lock her up!“-Sprechchören – also der Forderung, Clinton wegen ihres laxen Umgangs mit sicherheitsrelevanten E-Mails hinter Gitter zu bringen. Und: Er zeigte sich Trump gegenüber absolut gefügig und loyal.
Ein besonderes Verhältnis
Flynns besonderes Verhältnis zu Russland ist seit Langem bekannt. 2015 hatte er auf Einladung des Kreml-Senders RT in Russland bezahlte Reden gehalten, bei einem Dinner-Empfang in Moskau saß er neben Präsident Wladimir Putin. Das passte zu Trumps eigener Bewunderung des „starken Leaders“ Putin.
Russische Abgeordnete reagierten am Dienstag in Moskau ungehalten auf die Nachricht von Flynns Rücktritt. Konstantin Kossatschow, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, sagte, wenn Flynn wegen Kontakten zu Russland gefeuert worden sei, dann sei das „nicht nur Paranoia, sondern noch viel schlimmer“.
Und Alexei Puschkow, Chef des Außenausschusses der Duma, tweetete: „Das ging nicht gegen Flynn, sondern gegen die Beziehungen zu Russland.“ Putin selbst enthielt sich jeden Kommentars. Sein Sprecher Dmitri Peskow sagte: „Das geht uns nichts an“, im Übrigen sei es viel zu früh, etwas über mögliche Auswirkungen auf das US-russische Verhältnis zu sagen: „Trumps Team funktioniert doch noch gar nicht richtig.“
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