Armutsrisiko für VW-Manager

Geld Der VW-Aufsichtsrat will Managergehälter auf 10 Millionen Euro begrenzen. Die SPD findet das gut, obwohl sie selbst Verantwortung für die Spitzensaläre trägt

Besserverdiener: vier von neun VW-Vorstandsmitgliedern um Chef Matthias Müller (Mitte) mit Ministerpräsident Weil Foto: P. v. Ditfurth/dpa

von Hannes Koch

BERLIN taz | Ulrich Hocker freut sich, dass seine alte Forderung nun auch beim VW-Konzern Gehör findet. „Vorstandsgehälter über 10 Millionen Euro pro Jahr stören den sozialen Frieden“, sagt der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die die Interessen von Aktionären vertritt. Genau diese Summe will der Aufsichtsrat des Autobauers nun offenbar als künftige Obergrenze für VW-Chef Matthias Müllers Bezahlung und die seiner Kollegen festlegen.

10 Millionen Euro – das kann man immer noch für sehr viel Geld halten. Es wäre aber deutlich weniger, als früher mitunter gezahlt wurde. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn erhielt zu Spitzenzeiten 17,5 Millionen Euro. Mit der angepeilten Begrenzung zöge Deutschlands größter Fahrzeugproduzent eine weitere Konsequenz aus dem Betrugsskandal um gefälschte Dieselabgaswerte.

Die Spitzenmanager in Deutschland verdienen laut Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im internationalen Vergleich sehr gut, werden aber von Kollegen übertroffen.

Die Chefs der DAX-Unternehmen erhielten im Jahr 2015 im Durchschnitt eine Gesamtvergütung von 5,1 Millionen Euro.Die Chefs der großen französischen Firmen bekamen 4,7 Millionen Euro; die in der Schweiz sackten 6,8 Millionen Euro ein. In den USA verdienten die Chefs der großen börsennotierten Firmen im Schnitt 16,4 Millionen Euro.

Spitzenverdiener in Deutschland war Daimler-Chef Dieter Zetsche mit 8,5 Millionen Euro, gefolgt von Merck-Chef Karl-Ludwig Kley mit 7,9 Millionen Euro. VW-Chef Müller kommt auf 7,3 Millionen Euro. Renault-Chef Carlos Ghosn bekam dagegen 15,2 Millionen Euro. In den USA bekam Walt-Disney-Boss Robert Iger 39,2 Millionen Euro, gefolgt von GE-Chef Jeffrey R. Immelt mit 23,6 Millionen Euro. (taz)

Offenbar könnte der Aufsichtsrat am 24. Februar die Begrenzung beschließen. Die Bewegung bei VW passt zur aktuellen Debatte über soziale Gerechtigkeit. Mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz befeuert die SPD diese Auseinandersetzung. Schulz selbst hat überhöhte Vorstandsgehälter jüngst kritisiert. SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel forderte einen „Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode.“

Darin solle stehen, dass Unternehmen Managergehälter von über 500.000 Euro im Jahr nicht mehr von der Ertragssteuer abziehen könnten. Die Folge: Die Eigentümer und Aktionäre müssten Millionensaläre vollständig selbst finanzieren, was mäßigend wirken könnte. Die absolute Höhe der Verdienste lasse sich per Gesetz allerdings nicht reglementieren, sagte Schäfer-Gümbel. Außerdem regte der SPD-Vize an: „Wir brauchen ein festgeschriebenes Maximalverhältnis zwischen der Vergütung von Vorständen und Managern auf der einen Seiten und dem Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer auf der anderen Seite.“ Als Beispiel nannte er eine Proportion von eins zu acht.

Wenngleich Linke und Grüne im Bundestag derartige Idee grundsätzlich unterstützen, dürfte daraus in dieser Legislaturperiode nichts mehr werden. Die Union wird ein solches Gesetz verhindern. Diese Blockade ist aber nur ein Teil der Geschichte. Auch die SPD trägt eine Verantwortung dafür, dass Exzesse bei der Vorstandsbezahlung bisher möglich sind. So wirkten an der besonderen Vergütungskultur bei VW diejenigen sozialdemokratischen Politiker mit, die im Aufsichtsrat des Konzerns saßen.

Ex-VW-Chef Martin Winterkorn erhielt zu Spitzenzeiten 17,5 Millionen Euro

Und selbst SPD-Bundesregierungen brachten nur Regelungen zuwege, die allenfalls gewisse Einschränkungen beinhalteten. Seit 2001 gibt es eine unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ins Leben gerufene Regierungskommission, die einen Verhaltenskodex für Aktiengesellschaften weiterentwickelt. Darin stehen Empfehlungen und Anregungen. Ein absoluter Deckel oder ein festgelegtes Verhältnis zwischen Manager- und Arbeitnehmerverdiensten existiert im hiesigen Recht jedoch nicht.

Im Vergleich zu anderen Staaten macht Deutschland mit dieser Haltung keine Ausnahme. „Absolute Gehaltsobergrenzen legte die Politik nach der Finanzkrise nur für Banken fest, die sie mit öffentlichem Geld stützte“, sagte Michael Kramarsch, Chef der Unternehmensberatung HKP-Group. „Darüber hinaus sind mir international keine Vergütungsdeckel oder festgelegten Abstände zwischen Arbeitnehmer- und Vorstandsbezahlung bekannt.“