piwik no script img

Auf der Suche nach wirklichem Ökogas

Energie Warum ist bio nicht immer gleich öko –und warum ist manches Ökogas nur ganz normales Erdgas? Manchmal wird es nur durch Zertifikate marketingtechnisch reingewaschen

Biogas: Beim Verbrennen wird nur CO₂ freigesetzt, das Pflanzen aus der Luft nahmen Foto: Jean-Philipp Baeck

von Bernward Janzing

Bio ist nicht grundsätzlich gut. Bei der Bioenergie gibt es dafür entsprechende Beispiele: etwa Palmöl aus Regionen, in denen für die Ölproduktion Regenwald abgeholzt wurde. Oder auch Ethanol aus Zuckerrohrplantagen, in denen erstens unter unmenschlichen Bedingungen gearbeitet wird, und für die zweitens ebenfalls Urwälder gerodet wurden.

Im Unterschied zum Lebensmittelsektor, in dem „bio“ stets im Sinne von „ökologisch“ gebraucht wird, steht die Vorsilbe in der Energiewirtschaft eher für „biogen“. Um mehr Klarheit in der Bezeichnung zu schaffen, bevorzugen Kritiker längst den Begriff „Agrotreibstoff“ für die Energieträger vom Acker.

Doch wo auf der ökologischen Skala steht das Biogas? Vom Grundsatz her beschreibt der Begriff allgemein ein Gas, das bei der Vergärung von Biomasse in einem Fermenter unter Luftabschluss entsteht. Dieses Rohbiogas besteht zu rund 60 Prozent aus Methan, das aus chemischer Sicht und daher auch von seinen Brenneigenschaften her nichts anderes ist als Erdgas. Wird dieses Methan aus dem Rohbiogas separiert, kann es folglich Erdgas in all seinen Anwendungsbereichen ersetzen.

Kreislauf geschlossen

Als klimafreundlich gilt Biogas, weil bei diesem in der Idealvorstellung der Kohlenstoffkreislauf geschlossen ist: Beim Verbrennen wird nur jenes CO2 freigesetzt, das die Pflanzen während des Wachstums aus der Luft aufgenommen haben. Beim fossilen Erdgas (wie bei allen fossilen Energieträgern, also auch bei Kohle und Erdöl) gelangt hingegen bei der Verbrennung zusätzlicher Kohlenstoff in die Atmosphäre, weshalb der CO2-Gehalt in der Lufthülle seit Beginn der Industrialisierung steigt, inzwischen rapide.

In der Praxis ist die Ökobilanz des Biogases allerdings nicht immer ungetrübt. Sie hängt vor allem an zwei Faktoren: Wie umweltfreundlich wird die Biomasse gewonnen und wie hoch ist der Energieaufwand für Transport und Verarbeitung der Rohstoffe? Also auch: Wie lang sind die Transportwege?

Der Verein Grüner Strom Label, der einst zur Bewertung von Ökostromprodukten gegründet wurde, hat inzwischen auch für Biogas ökologische Qualitätskriterien definiert. Der Rohstoff für das Biogas müsse „ökologisch verträglich erzeugt werden“ lautet die oberste Prämisse des Vereins. Es dürften „wertvolle Lebensräume nicht in Monokulturen verwandelt werden“, und es sei auf eine „ausgewogene Fruchtfolge starker Wert zu legen“.

Außerdem sind nach den Zertifizierungsrichtlinien problematische Unkrautvernichter und Wirtschaftsdünger aus Massentierhaltung verboten. „Vorrangig“ seien Rohstoffe aus der Region zu nutzen; Rohstofftransporte über 50 Kilometer hinaus bewertet der Verein negativ.

Gasversorger liefern den Endverbrauchern inzwischen Energie, die einen Anteil von Biogas enthält. Der Hamburger Anbieter Lichtblick zum Beispiel mischt seinem Gas fünf Prozent Biogas bei, das er aus zwei Anlagen in Sachsen-Anhalt bezieht. Dieses Gas bestehe „zu 100 Prozent aus Grünabfall- und Reststoffen“, betont der Anbieter.

Prinzip des Ablasshandels

Doch nicht immer haben die Energieversorger wirklich Biogas in ihrem Gasmix, wenn sie mit „öko“ werben. Es gebe auch „reine Erdgas-Tarife, die kein Biogas enthalten und unter dem Namen Ökogas oder Klimagas angeboten werden“, warnt der Verein Grüner Strom Label. Da wird dann mitunter nach dem Prinzip des Ablasshandels verfahren: Das Unternehmen verkauft zu 100 Prozent fossiles Erdgas, aber indem es zugleich Ökozertifikate erwirbt, wäscht es sein Gasangebot grün.

Eon zum Beispiel bewirbt sein Produkt „DirektErdgas öko“ damit, dass es per „CO2-Kompensation durch Klimaschutzprojekt“ veredelt werde. Faktisch liefert das Unternehmen aber reines Erdgas. Diese Praxis wird auch an anderer Stelle immer wieder angewandt. Etwa, indem selbst Flugreisen klimaneutral gerechnet werden. Doch die Kompensationsprojekte, oft in fernen Ländern realisiert, sind in ihrer ökologischen Wirkung mitunter schwer zu durchschauen.

Wirklich grünes Biogas hingegen wird entweder aus Reststoffen – etwa Bioabfällen – gewonnen oder es stammt aus Pflanzen, die idealerweise nicht nur keine Umweltschäden hinterlassen, sondern sogar der Umwelt Gutes tun.

Nicht immer haben Energieversorger wirklich Biogas in ihrem Gasmix, wenn sie mit „öko“ werben

Pilotprojekte solcher Kulturen gibt es längst. Seit einigen Jahren werden bereits Wildblumenmischungen zur Gaserzeugung getestet, die auf erstaunliche Erträge kommen. Fünf Jahre wachsen die Pflanzen auf den Äckern. Im ersten Jahr dominieren die Sonnenblume und die Malve, im zweiten Jahr folgen Klee, Buchweizen, Eibisch, Wegwarte, Wilde Möhre, Königskerze, Lichtnelke, Flockenblume, Luzerne. Der Energieacker wird so zum wertvollen Biotop – und zugleich zur Augenweide.

Wert der Flora

Als neue Kultur setzt sich in jüngster Zeit außerdem die Durchwachsene Silphie immer stärker durch, deren Ertrag dem Mais sogar ebenbürtig ist. Als vieljährige Pflanze kommt sie mit wenig Maschineneinsätzen aus, sie benötigt keinen Kunstdünger und keine Agrargifte.

Ein gutes Indiz für den ökologischen Wert der Flora liefert stets die Einschätzung der Imker. Im Fall der Silphie hoffen die Bienenzüchter längst auf eine stärkere Nutzung, weil die Pflanze den Insekten wieder mehr Nahrung gibt. Sie blüht sechs bis acht Wochen ab Anfang Juli, zu einer Zeit, in der mittlerweile Blüten in der Landschaft rar geworden sind.

Werden statt der heutigen Intensivlandwirtschaft Agrarflächen zum Anbau der Silphie oder von Wildpflanzenmischungen umgewidmet, kann das Biogas sogar die Artenvielfalt in der Tierwelt fördern. Entsprechend hat sich auch das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut in Braunschweig schon positioniert: Für Honigbienen, aber auch für diverse Hummelarten, sei die Silphie ein „deutlicher Zugewinn“. Ein Anbau dieser Kultur auf einem Teil der bisherigen Maisflächen sei ökologisch eine „erhebliche Bereicherung“. Zudem ist die Silphie mit ihrer gelben Blüte im Hochsommer auch für das Landschaftsbild ein Gewinn.

Die Biogasbranche, die durch die Vermaisung der Landschaft in den letzten Jahren viel Kritik hatte einstecken müssen, setzt inzwischen große Hoffnungen in ökologische Energiepflanzen. Und darauf, verlorene Akzeptanz zurückzugewinnen, wenn künftig die Vorsilbe „bio“ beim Biogas nicht mehr nur im Sinne von „biogen“, sondern auch uneingeschränkt im Sinne von „ökologisch“ zu verstehen ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen