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Lügen haben lange Beine

IkoneDie Biografie des Hollywoodstars Rock Hudson bildet den verlogenen Umgang mit Homosexualität und Aids in vorvergangenen Zeiten gut ab – das Schwule Museum widmet ihm derzeit eine Ausstellung

von Andreas Hartmann

Rock Hudson sah wahrlich fantastisch aus. Er war ein Hüne von Mann und muskulös. „Mr. Beefcake“ wurde er in jungen Jahren genannt, erfährt man in der Ausstellung „Rock Hudson und die Aidskrise“, die gerade im Schwulen Museum in Berlin zu sehen ist. Beefcakes, das sind Aufnahmen männlicher Stars in Oben-ohne-Posen, und die Beefcakes, die in der Ausstellung zu sehen sind, zeigen, dass Hudson ohne T-Shirt auf einem Pferd eine genauso gute Figur machte wie oben ohne auf einem Segelboot oder halbnackt beim Telefonieren.

Rock Hudson war der Hausfrauentraum der Fünfziger und Sechziger schlechthin, einer der größten Hollywoodstars seiner Zeit, zu sehen in Komödien an der Seite von Doris Day, in Douglas Sirks großen Melodramen wie „Was der Himmel erlaubt“ und „In den Wind geschrieben“ sowie in dem Klassiker „Giganten“, gemeinsam mit James Dean und Elizabeth Taylor. Hudson war der Mann ohne Makel, der „all american guy“, dessen Seitenscheitel immer perfekt saß und den so gut wie jede Amerikanerin jener Zeit gern zum Schwiegersohn gehabt hätte.

Dabei war Hudson im echten Leben schwul. Was aber erst an eine überraschte Öffentlichkeit gelangte, als er 1984, wo er seine beste Zeit als Schauspieler längst hinter sich hatte, an Aids erkrankte und ein Jahr später als bis dato prominenestes Opfer der grassierenden Aids-Epidemie bekannt wurde. Und so zum „Gesicht von Aids“ wurde, wie es im Schwulen Museum heißt.

Aids, das man als eigenständige Krankheit überhaupt erst ein paar Jahre vor Hudsons Tod entdeckte, galt bis dahin als Schmuddelseuche, die Stricher hatten und die sich Schwule in den ranzigen Toiletten von dubiosen Bars holten. Dass diese Krankheit mit Hudson nun den denkbar virilsten Strahlemann aus den goldenen Jahren Hollywoods, den idealen Amerikaner, heimsuchte, war für viele der absolute Schock. Und wohl auch der Beginn des Umdenkens.

Als die Aids-Erkrankung von Hudson bekannt wurde, waren es ehemalige Schauspielerkolleginnen von ihm, Elizabeth Taylor und Doris Day, die öffentlich zu ihm hielten, gemeinsam mit ihm auftraten, weitere Aufklärung über Aids einforderten und gegen die Stigmatisierung von Aids-Kranken eintraten. Es war noch ein weiter Weg, bis man sich bei Hollywood-Galas ganz selbstverständlich sein rotes Aids-Schleifchen ans Revers heftete, aber der Fall Rock Hudson war einer der ersten Schritte dorthin.

Das wird deutlich, wenn man bedenkt, was für ein Aufreger damals eine Knutschszene zwischen Hudson und dem „Denver Clan“-Star Linda Evans war, die für eine Folge der Serie „Denver Clan“ in einer Zeit gedreht wurde, nachdem Hudson bereits von seiner Erkrankung erfahren hatte, diese aber noch nicht öffentlich bekannt war. Evans machte später gleich drei Aids-Tests, erfährt man im Schwulen Museum – heute schwer vorstellbar.

Als Hudson starb, war freilich nicht nur seine vorherige Krankheit Thema in der Klatschpresse, sondern sein ganzes Leben. „Hinter seinem Lächeln verbarg er die Lüge seines Lebens“, titelte 1985 eine Zeitschrift, und gemeint war damit, dass Hudson nur der Superstar einer ganzen Ära werden konnte, weil er seine Homosexualität geheim gehalten hatte. Den einfühlsamen Frauenherzeneroberer, Hudsons Paraderolle, hätte Hollywood bestimmt nicht jemanden spielen lassen, von dem bekannt war, dass er eigentlich auf Männer stand.

Scheinehefrau

Und Hudson tat alles dafür, die Lüge aufrechtzuerhalten. In einem in der Ausstellung zu sehenden Bravo-Porträt etwa spricht er über seine „Traumfrau“ und darüber, dass diese möglichst lange Beine haben sollte. Hudsons Agent überredete seinen erfolgreichen Schauspieler, seine Sekretärin zu heiraten, um Gerüchten vorzubeugen.

All die Bilder trauter heterosexueller Zweisamkeit, die im Schwulen Museum zu sehen sind, die das vermeintliche Eheglück der Hudsons in allen Variationen zeigen, wirken grotesk aus heutiger Sicht. Es waren verlogene Inszenierungen in einer verlogenen Branche, die die Vorstellungen einer verlogenen Gesellschaft bediente. Rock Hudson war also sicherlich kein Held der Schwulenbewegung, höchstens einer wider Willen. Tragischerweise erlöste ihn erst seine Aids-Erkrankung von seiner Lebenslüge. Aber er justierte das Bild von Homosexualität und Aids in der Gesellschaft völlig neu. Nach Hudson war es weniger negativ, und das ist auch eine ganze Menge.

Schwules Museum. Bis 27. März 2017

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