Kommentar Burkaverbot Niederlande: Lasst sie tragen, was sie wollen

Die Burka ist genauso Teil kultureller Identität wie die Jeans. Doch manchmal müssen Frauen ihr Gesicht zeigen – das zur persönlichen Identität.

Drei vollverschleierte Frauen stehen nebeneinander. Zu sehen sind unter dem Niqab nur ihre Augen

Klar lässt sich eine Bombe unter weiter Kleidung verstecken. Zu den Top-Risiken zählen Burka oder – wie hier – der Niqab aber sicher nicht Foto: dpa

Ist Ihnen schon mal eine vollverschleierte Frau begegnet? Hat Sie in diesem Moment die Angst beschlichen, die Frau könnte unter ihrem Gewand einen Sprengstoffgürtel tragen?

Mit diesem Gefühl sind Sie keineswegs allein. Nicht wenige Menschen fühlen sich von vollverschleierten Frauen bedroht oder provoziert. Deshalb plädieren immer mehr Frauen und Männer in Europa für ein Burka- und Niqab-Verbot. In Frankreich, Belgien und in Teilen der Schweiz ist das Tragen des religiösen Gesichtsschleiers bereits untersagt. Jetzt ziehen die Niederlande nach: in Schulen, Krankenhäusern, auf Ämtern und in öffentlichen Verkehrsmitteln muss das Gesicht zu sehen sein.

Kaum war die Nachricht in der Welt, schon ertönte reflexartig in Deutschland der Ruf nach einer ähnlichen Maßnahme. „Ein Verbot der Vollverschleierung muss jetzt auch in Deutschland kommen“, twitterte etwa CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. „Wer Burka oder Niqab tragen will, kann das in Arabistan machen“, schreibt jemand anderes auf Twitter.

Bei solchen Äußerungen stellt sich unweigerlich die Frage, wie oft die VerbotsbefürworterInnen auf vollverschleierte Frauen treffen. Die Chance dürfte so groß nicht sein. Denn die Zahl der Burka- und Niqab-Trägerinnen in Europa ist gering: In Deutschland sollen es 300 sein, in Frankreich etwa 2.000. In den Niederlanden geht man von gerade mal 100 Frauen aus, die vollverschleiert auf die Straße gehen.

Was also soll das Verbot? Geht es um die öffentliche Sicherheit? Oder eher um Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Islamphobie?

Man muss die Ängste der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen ernst nehmen. Und ja, unter langen Gewändern – religiösen wie nichtreligiösen – lassen sich vorzüglich Bomben verstecken. Der Staat muss dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu Anschlägen kommt – mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen.

Zu den Top 10 hierbei gehört das Verbannen von Burka und Niqab aus dem öffentlichen Raum sicher nicht. Das Bekleidungsverbot dürfte eher dafür sorgen, dass die betroffenen Frauen nicht mehr auf die Straße gehen. Ist die Bevölkerung dadurch besser geschützt?

Ein Vorschlag zur Güte: Lasst Frauen doch tragen, was sie wollen. Für manche sind Jeans und High Heels Teil ihrer kulturellen Identität, für andere Burka oder Niqab. Letzteren sollte man allerdings erklären, dass sie manchmal ihr Gesicht zeigen müssen: etwa am Flughafen oder vor Gericht. Nicht, weil man sie für gefährlich hielte, sondern weil ihr Gesicht zu ihrer persönlichen Identität gehört.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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